Louise von Sturmfeder

Prinzenerzieherin und Nachfahrin der Wittlicher Familie Auwach

Die österreichisch-ungarische k.u.k.-Kultur wurde von keinem Herrscher eindringlicher repräsentiert als von Kaiser Franz Joseph I. (1830 – 1916), dessen Regierungszeit fast 68 Jahre umfasste. Die ersten fünf Lebensjahre dieses epochalen Monarchen wurden maßgeblich mitgeprägt von der Hofdame Louise von Sturmfeder. Sie war für seine Erziehung ebenso verantwortlich wie für die seiner jüngeren Geschwister; zu diesen gehörte Maximilian (1832 – 1867), der am Ende hingerichtete spätere Kaiser von Mexiko.

Die am 03. Oktober 1789 in Esslingen geborene Louise Freiin von Sturmfeder stammte über ihren Vater, den Geheimen Rat Carl Theodor von Sturmfeder aus einem altbadischen Adelsgeschlecht; ihre Mutter war Maria Karoline Freiin von Greiffenclau-Vollraths. Während diese Adelsfamilien Verbindungen in den Hochadel hatten, war die spätere Prinzenerzieherin zugleich Nachfahrin adelsständisch einfacherer Dienstadelsfamilien aus der Eifel. Louise gehörte zu den direkten Nachkommen von Gerlach Auwach, der im 16. Jahrhundert in Wittlich als Schultheiß amtierte, und von dessen Sohn Johann Philipp von Auwach, der dem Trierer Kurfürsten als Amtmann in Manderscheid diente. Die Geschichte dieser Auwach-Familie ist mit manchen anderen Orten der Eifel verbunden. So war beispielsweise Gerlachs Bruder Johann Friedrich Auwach Abt in Springiersbach und der bereits erwähnte Johann Philipp Auwach wird als Burgmann in Schönecken genannt. Aus dessen Ehe mit Anna von Lieser ging die Tochter Maria Katharina hervor, die den kurpfälzischen Freiherrn Johann Franz von Sturmfeder (1650 – 1691) ehelichte.

Louise wuchs in einer zehnköpfigen Geschwisterschar in einem bildungsbeflissenen Elternhaus auf. Als Erzieher im Haus Sturmfeder wurde 1794 nach der Geburt des ältesten Sohnes der durch exzellente Studienleistungen hervorgetretene Theologiestudent Carl Schlund (1773 – 1817) engagiert. Zwei Jahre später musste er mit der freiherrlichen Familie vor den französischen Revolutionstruppen nach München flüchten. Die folgenden Jahre brachten für Louise leidvolle Erfahrungen. Der Weggang vom heimatlichen Schloss Oppenweiler, vor allem aber der kurz hintereinander folgende Tod beider Eltern belasteten das junge Mädchen schwer. Unterstützung und Trost fanden die Sturmfeder-Kinder beim bedeutenden Theologen Johann Michael Sailer (1751 – 1832), der eng mit Louises Vater befreundet gewesen war. Folgenreicher wurde der Kontakt zu der österreichischen Diplomatenfamilie von Stadion, zu der auch Louises Patentante gehörte. Ein Bruder des Ministers Johann Philipp von Stadion (1763 – 1824) übernahm die Vormundschaft über das Waisenkind und sorgte für die weitere Erziehung. Nach dem Tod ihres Verlobten in den napoleonischen Kriegen zog Louise zu ihrer Schwester Charlotte von Dalberg in Mähren, wo sie die Erziehung ihres Neffen übernahm. Zum Aufstieg an den Wiener Kaiserhof kam es, als sie von ihrer Patentante als Hofdame und Erzieherin für den zu erwartenden Nachwuchs von Erzherzog Franz Karl von Österreich (1802 – 1878) und dessen bayerischer Gemahlin, der Prinzessin Sophie Friederike von Bayern (1805 – 1872), vorgeschlagen wurde. Dabei spielte vermutlich auch eine Rolle, dass mehrere Schwestern Louises ebenfalls Hofdamen waren, unter anderem beim Kaiser von Brasilien und beim König von Sachsen.

Louise war 1830 bei der Geburt des späteren Kaisers Franz Joseph anwesend und wurde in dessen frühen Kinderjahren neben der Mutter zur Hauptbezugsperson. Als sogenannte „Aja“ stand sie an der Spitze des prinzlichen Erziehungspersonals und sorgte für die Umsetzung der maßgeblichen Erziehungsgrundsätze. Dabei wurde sie von dem Bewusstsein geleitet, dass Franz Joseph der zukünftige Kaiser sein würde. Dies führte, wie man aus ihren später veröffentlichten Briefen und Tagebuchnotizen erkennen kann, zu einer ihr selbst durchaus bewussten Bevorzugung gegenüber seinen jüngeren Geschwistern. Zu den wichtigsten Erziehungsgrundsätzen gehörte die Verankerung im katholischen Glauben. Auf das regelmäßige Morgen- und Abendgebet legte die Aja ebenso strikt Wert wie auf die Einhaltung aller anderen, von der katholischen Kirche und Tradition geforderten Verhaltensweisen. Stark orientiert an den Erziehungsidealen von Bischof J. M. Sailer, ging es ihr bei der Kindererziehung um Frömmigkeit, Festigkeit und Freundlichkeit. Kaum weniger wichtig waren die Erweckung patriotischen Bewusstseins – der Stolz auf Österreich – und die Einschärfung des als gottgegeben empfundenen Rechts zur Herrschaft. Die als zwar liebenswürdig, aber auch robust geltende Baronin Sturmfeder achtete zudem darauf, dass die Kinder körperlich nicht verwöhnt und verzärtelt wurden.

Bei Franz Joseph und seinen Geschwistern kam ihr Erziehungsstil gut an, wenn man von deren späteren positiven Äußerungen über sie ausgeht. Als Baronin Sturmfeder entsprechend den unerbittlichen Regeln des Herrscherhauses bei Franz Joseph die Erziehungsaufgabe beenden musste, als dieser das sechste Lebensjahr erreichte, war dies für den Jungen eine traumatische Erfahrung. Später, bei der schwierigen Erziehung der eigenen Kinder, suchte er regelmäßig den Rat seiner inzwischen betagten Aja. Louise von Sturmfeder starb 76-jährig im September 1866. Im Jahr 1911 erhielt die Kaisererzieherin ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.

Verfasser: Gregor Brand

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