Ludwig Kaas

Der bis heute umstrittene Politiker und Priester Professor Dr. phil. Dr. theol. Dr. iur. can. Ludwig Kaas (1881 – 1952) war der Enkel eines Eifeler Schmieds. Sein in Welschbillig geborener Großvater Peter Kaas hatte 1832 die Triererin Susanne Blum – ebenfalls Nachfahrin von Südeifelern  – geheiratet und in Trier eine Werkstatt eingerichtet. 1847 versuchte Oberbürgermeister Görtz, diesen Schmied „in die hiesige Irrenpflegeanstalt“ einweisen zu lassen, weil er „an religiösem Wahnsinne“ leide. Vermutlich lagen dem aber politische Motive zugrunde, denn Peter Kaas galt als aufrührerischer Republikaner; im Revolutionsjahr 1848 führte er die Mattheiser Bürgerwehr an. Vom Sohn dieses Welschbilligers, ebenfalls Peter mit Namen, sind dergleichen aufrührerische Sachen nicht bekannt. Er wurde vielmehr angesehener Kaufmann in Trier, heiratete die Tochter eines Polsterers aus der Pfalz, und schickte seinen begabten Sohn Ludwig auf die Trierer Eliteschule, das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium. Als Schulbester erwarb sich Ludwig Kaas hier schon den Ruf herausragender Intelligenz.

Nach dem Abitur studierte Kaas zunächst Theologie in Trier, danach in Rom; in der Ewigen Stadt erwarb er sich die eingangs genannten drei Doktortitel. Der 1906 zum Priester geweihte Kaas verfügte zeitlebens nur über wenig seelsorgliche Erfahrung, die er 1908 und 1909 als Kaplan in Adenau und Kärlich erwarb. Die rednerische Begabung, die später dem Politiker Kaas zugute kam, erregte schon beim Kaplan Aufsehen. 1909 wurde der junge Priester zum Rektor des Waisenhauses Kemperhof in Koblenz-Moselweiß ernannt, kurz darauf übernahm er auch die Leitung des dortigen Jungeninternats und wurde Subdirektor der Realschule. Weil Kaas neben diesen pädagogischen Aufgaben intensiv wissenschaftlich tätig war, ergab sich für ihn eine immense Arbeitsbelastung. Erschwert wurde sein Arbeiten durch hartnäckige gesundheitliche Probleme, insbesondere Katarrhe der Luftwege, die ihn zu Reisen nach Nordafrika und an die Ostsee bewegten. „Kaas war weder wehleidig noch ein Hypochonder. Aber er war anfällig und kränkelte öfters“, bemerkt der Historiker G. May zu diesem Aspekt von Kaas‘ Persönlichkeit, der ihm bis zu seinem Tod zu schaffen machte. Diesen Einschränkungen setzte der Trierer großen Ehrgeiz entgegen. Neben seiner pädagogischen Leitungsarbeit studierte er in Bonn bei dem Kirchenrechtler Ulrich Stutz und veröffentlichte ein Grundlagenwerk über die  kirchliche Gerichtsbarkeit in Preußen. Es brachte ihm nicht nur einen Preis ein, sondern verhalf ihm 1918 auch zu einer Professur für kanonisches Recht in Trier.
In dieser historisch dramatischen Zeit eröffnete sich für Kaas ein neues Wirkungsfeld.  Der sensible, auch musisch begabte Gelehrte wurde für das Zentrum, die Partei der deutschen Katholiken, in die Nationalversammlung gewählt und war dann von 1920 bis 1933 Reichstagsabgeordneter. Den äußeren Höhepunkt seiner Politikerkarriere  erreichte Kaas 1928 mit der Wahl zum Vorsitzenden der Zentrumspartei. Nach Meinung vieler Kritiker bedeuteten die nächsten fünf Jahre aber zugleich den Tiefpunkt seines Lebens. Kaas, der erste Geistliche als Zentrumsvorsitzender, konnte sich mit den Notwendigkeiten der Parteiführung nicht anfreunden und wäre am liebsten bald wieder zurückgetreten. Wichtigen Entscheidungen blieb er fern, sein politischer Kurs war unklar. „Kein Mensch weiß, was Kaas will“, klagte sein Parteifreund, der frühere Reichskanzler Marx. Obwohl Kaas die NS-Ideologie zutiefst ablehnte, versäumte er es, eine kraftvolle katholische Opposition gegen Hitler zu formen; im wichtigen Juliwahlkampf 1932 war er kaum präsent. Im März 1933 stimmte seine Zentrumspartei für das Ermächtigungsgesetz, das Hitlers Macht entscheidend festigte. Kaas hatte wohl gehofft, die Nazis durch Zugeständnisse zähmen zu können. Als er kurz danach nach Rom aufbrach, hieß es teilweise, er lasse die Partei im Stich. In den folgenden Monaten spielte Kaas von Italien aus noch eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung des Reichskonkordats, danach wirkte er – nun im Vatikan lebend – politisch nur noch im Stillen. Als enger Vertrauter des späteren Papstes Pius XII. beeinflusste er die vatikanische Haltung gegenüber Nazideutschland – bis heute eine hochbrisante Angelegenheit.

Anerkennung erwarb sich der Trierer noch als Verantwortlicher für die Ausgrabungen unter dem Petersdom. In den Grotten unter dieser weltberühmten Kirche fand Prälat Kaas schließlich seine letzte Ruhestätte.  

Verfasser: Gregor Brand
 

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