Michael Esch

– Astronom aus Eupen

Nicht erst durch das Schreiben „Ut mysticam“ (1891) von Papst Leo XIII. (1810 – 1903) wurde der hohe Stellenwert sternkundlicher Forschung für die katholische Kirche hervorgehoben. Die Geschichte der Astronomie in der Neuzeit ist bis ins 20. Jahrhundert hinein stark mit der Tätigkeit des Jesuitenordens verbunden. Zahlreiche bedeutende Astronomen waren Mitglieder dieses Ordens. In diesen Umkreis gehört auch der 1869 in Eupen geborene Gärtnersohn Michael August Esch, der sich einen geachteten Namen unter den Astronomen seiner Zeit machte.

Die Zugehörigkeit Eupens zu Preußen spielte während der Jugendjahre Eschs schon deswegen eine Rolle, weil die Stadt dadurch in den Kulturkampf zwischen preußischer Obrigkeit und katholischer Kirche verwickelt wurde, der alsbald nach der Reichsgründung 1871 aufflammte. Zu den katholischen Hauptgegnern Bismarcks gehörten die Jesuiten, also derjenige Orden, dem sich Michael Esch 1891 im niederländischen Schloss Bleijenbeek – wo die Jesuiten nach ihrem Verbot in Preußen eine neue Bleibe gefunden hatten – anschloss. Zuvor hatte der Eupener seine Gymnasialzeit in Paderborn absolviert und bereits ein Jahr lang an in Bonn Theologie studiert. In Bleijenbeek erfolgte seine weitere Ausbildung, bei der deutlich wurde, dass Eschs Hauptinteresse den Naturwissenschaften galt – und dabei speziell der Astronomie. Nach dem philosophisch-theologischen Studium erhielt er die Erlaubnis, von 1896 bis 1898 an der jesuitischen Georgetown University (USA) als Assistent des renommierten Astronomen Johann Georg Hagen SJ zu arbeiten. Die Forschungsleistung Hagens, der von 1867 bis 1870 in der damals jesuitischen Eifelabtei Maria Laach studiert hatte und 1906 Direktor der Vatikan-Sternwarte wurde, ist insbesondere mit dem Projekt des Atlas Stellarum Variabilium verbunden. Dieses in vieljähriger Arbeit erstellte Kartenwerk über die Veränderlichen Sterne dokumentierte auf der Basis exakter Beobachtungen Hunderte von Veränderlichen Sternen und Tausende von Fixsternen. Esch trug als Assistent von Hagen, aber auch später durch die von ihm gelieferten Daten und Beschreibungen erheblich zur Erforschung dieser Sterne bei.

Nach seiner Rückkehr war Esch qualifiziert, ab Herbst 1898 eigenständig an der neu errichteten Sternwarte in Valkenburg/Holland zu arbeiten. Das Observatorium Valkenburg gehörte zum dortigen St. Ignatius-Kolleg, das 1894 von deutschen Jesuiten als eine ihrer Hauptbildungseinrichtungen errichtet worden war. Das Observatorium auf einem 30 Meter hohen Turm verfügte über ein aus Chicago importiertes Teleskop mit einer 23 cm großen Apertur. Daneben gab es noch ein in Wien gefertigtes kleineres Teleskop mit einer 15,3 cm großen Öffnung sowie andere optische Geräte. Die Sternwarte diente sowohl der Ausbildung als auch der Forschung; erster Direktor der Sternwarte Valkenburg war Joseph Hisgen (1868 – 1910). Astronomie wurde in Valkenburg generell hoch geschätzt; der Astronomiehistoriker Franz Xaver Kugler SJ (1862 – 1929), Pionier der Erforschung der babylonischen Sternenkunde, lehrte lange in Valkenburg.

Ein Forschungsaufenthalt führte Esch, der 1901 die Priesterweihe erhalten hatte, 1903 bis 1904 an die südungarische Sternwarte Kollotschau (Kalocsa), wo er Assistent des führenden Sonnenforschers Julius Finck SJ (ung.: Fényi) wurde. In Ungarn ebenso wie in Valkenburg beobachtete Esch mit unerschütterlicher Disziplin und asketischer Akribie den Sternenhimmel. Er ließ sich dabei auch nicht von der wettermäßig ungünstigen – weil oft wolkenverhangenen – Position der holländischen Sternwarte abhalten. Wie später Johan Stein SJ, Direktor der vatikanischen Sternwarte Specola Vaticana, in einem Nachruf über Esch schrieb, beobachtete der Eifelbelgier „wenn es nur ging; er durchwachte jede Nacht, um ja kein freies Plätzchen zwischen den Wolken ungenutzt vorüberstreichen zu lassen“. Ein unvergessliches Erlebnis bedeutete es für Pater Esch, am 30. August 1905 von Burgos/Spanien aus eine seltene totale Sonnenfinsternis verfolgen zu können; erst 2026 wird eine solche Sonnenfinsternis erneut in Spanien zu sehen sein.

Zurück in den Niederlanden, wurde Esch 1905 leitender Direktor des Valkenburger Observatoriums; in den Jahren 1910 und 1911 unterrichtete er Mathematik und Physik am Aloisiuskolleg in Sittard. Zwecks eigener Fortbildung begab sich er von 1912 bis 1915 an die Universität Wien, wo er beim Astronomieprofessor Samuel Oppenheim (1857 – 1928) eine Dissertation über das alte und schwierige Dreikörperproblem erstellte. In den beiden letzten Weltkriegsjahren lehrte Dr. Esch an der Universität Innsbruck Astronomie und Physik und kehrte dann an seine frühere Wirkungsstätte Valkenburg zurück. Dort setzte er in den ihm verbleibenden zwei Lebensjahrzehnten die himmelskundlichen Beobachtungen fort, nahm an Tagungen teil und publizierte die Ergebnisse seiner Forschungen. Dr. Esch, der auch Ehrenastronom der vatikanischen Sternwarte war, entwickelte sich zum hochgeschätzten Spezialisten für Veränderliche Sterne. Etwa ab Mitte der 1930er Jahre erschwerte ein Herzleiden zunehmend Eschs Beobachterarbeit. Der schmächtige und äußerlich schlichte Sternforscher und Priester starb kurz nach seinem 69. Geburtstag im April 1938. Das Jesuitenkolleg Valkenburg samt Sternwarte wurde nach der NS-Besatzung der Niederlande zwangsweise geschlossen.

Verfasser: Gregor Brand

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