Michael Evenari

Israelischer Botaniker und Ökologe Sohn eines Kaufmanns aus Obergartzem

Zwei hohe Ehrungen verdeutlichen das Ansehen des Wissenschaftlers Michael Evenari: 1986 erhielt er den Israel-Preis, die höchste Auszeichnung des Staates Israel, 1988 den renommierten internationalen Balzan-Preis. Beide Preise würdigten das Lebenswerk des Pflanzenforschers, der sich besonders um die ökologisch und ökonomisch wichtige Erforschung des Wachstums unter wasserarmen Bedingungen verdient machte.

Michael Evenari kam 1904 im damals deutschen Metz als Walter Schwarz zur Welt; seinen Namen hebraisierte er erst nach seiner Auswanderung nach Palästina, wobei er „Evenari“ als Übersetzung des Mädchennamens seiner Mutter Caroline Löwenstein wählte. Evenaris Vater war der aus Obergartzem (heute Teil von Mechernich) gebürtige Kaufmann Hermann Schwarz. Wie Hans-Dieter Arntz, Spezialist zur Geschichte des Nordeifler Judentums, herausfand und recherchierte, waren die väterlichen Vorfahren Evenaris seit Jahrhunderten in der Nordeifel verwurzelt. Der deutschpatriotische Hermann Schwarz gründete in Metz das „Kaufhaus Hermann Schwarz“ und wurde – nach Angaben seines Sohnes – reichster Jude der Stadt. Beide Eltern arbeiteten von morgens früh bis abends spät im Geschäft. Kehrseite dieser Arbeitsbelastung war, dass die Kinder kaum Zeit mit den Eltern verbrachten. Walters Erziehung lag in den Händen der Mecklenburgerin Anna Lehnhardt, die für ihn wie eine Mutter war. Als der Weltkrieg ausbrach, wurde die Lage in Metz bedrohlich. Walter, der nun das humanistische Gymnasium besuchte, hörte nachts das pausenlose Grollen der Kanonen aus dem rund 60 km westlich gelegenen Verdun und sah die Blitze des Artilleriefeuers. Die Kriegsereignisse belasteten die Psyche der Gymnasiasten und führten zu schulischen Konflikten. Als sich die Situation 1917 zuspitzte, schickten die Eltern den Dreizehnjährigen nach Berlin, wo seine ältere Schwester Erna mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Gerson Stern (1874-1956), lebte. Stern schenkte dem wissbegierigen Jungen ein Mikroskop und gab ihm ein Buch des österreichischen Botanikers R. H. Francé (1874-1943). Damit legte er den Grundstein für Walters Faszination für Pflanzen. Ab 1920 lebte Walter Schwarz mit seinen Eltern in Frankfurt am Main, wo er 1923 sein Studium aufnahm. Erschreckt durch den Antisemitismus, der ihm vielfach begegnete, wurde er überzeugter Zionist. 1926 promovierte er beim Botaniker Martin Möbius, von 1927 bis 1930 arbeitete Dr. Schwarz als Assistent an der Deutschen Universität in Prag. 1930 wechselte er an die TU Darmstadt, um dort zu habilitieren. Wenige Wochen nach seiner Probevorlesung im Februar 1933 wurde er vom NS-Staat entlassen. Im April 1933 emigrierte er daraufhin nach Palästina, wo er zunächst im Herbarium der Familie Aaronsohn tätig war, ehe er 1935 Dozent an der Hebräischen Universität in Jerusalem wurde; 1950 wurde er zum Professor für Pflanzenphysiologie und Ökologie ernannt. Dieser Ernennung waren schwierige Jahre vorausgegangen. Während des 2. Weltkriegs diente Evenari als Offizier in der britischen Armee, danach stand der Kampf um die Gründung des Staates Israel im Brennpunkt des Geschehens. Forschungsaufenthalte in Nordamerika dienten der eigenen Fortbildung, vor allem aber auch dem mühseligen Werben um Unterstützung für den Ausbau der Hebräischen Universität. Über all dem lastete das Wissen um den Völkermord an den europäischen Juden, dem auch viele Eifler Verwandte Evenaris zum Opfer gefallen waren. Von 1953 bis 1959 war Evenari Vizepräsident der Hebräischen Universität – eine Phase, die von einem erheblichen Ausbau der Universität gekennzeichnet war.
Die erste wissenschaftliche Veröffentlichung hatte Schwarz/Evenari 1926 vorgelegt. Über Doktorarbeit und Habilitationsschrift folgten viele Studien in unterschiedlichen botanisch-ökologischen Teilbereichen. Anfang der 1930er Jahre unternahm er experimentelle Forschungen an Freilandpflanzen und untersuchte den pflanzlichen Wasserhaushalt unter unterschiedlichen Wachstumsbedingungen. Nach Darstellung des Botanikers und Balzan-Preisträgers Otto L. Lange (1927-2017) gehörte Evenari zu den Pionieren der modernen Ökophysiologie. Evenaris Hauptinteresse bestand darin, optimale Wachstumsbedingungen in trockenen Gebieten zu ermitteln – ein Anliegen, das angesichts zunehmenden Wassermangels in vielen Regionen immer dringlicher wird. Evenari errichtete in der Negev-Wüste in Südisrael unweit der nabatäischen Ruinenstadt Avdat international beachtete Forschungsstationen und Versuchsfarmen. Ihn beschäftigte die Frage, wie es alte Kulturen unter den harten Bedingungen geschafft hatten, zu existieren. Er entdeckte die Bedeutung der Sturzwasser-Landwirtschaft und es gelang ihm, diese Bewirtschaftungsform mit Sturzwasserfarmen zu erneuern. Evenaris Arbeiten zur Wüstenlandwirtschaft wurden in Israel vielfach aufgegriffen und umgesetzt.
Professor Evenari starb im April 1989 in Jerusalem, bis zuletzt im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Besondere Freude machte ihm die Ehrendoktorwürde der TU Darmstadt (1977), die Veröffentlichung seiner Autobiographie („Und die Wüste trage Frucht. Ein Lebensbericht“, 1987) sowie die Ehrenbürgerschaft der Universität Frankfurt (1986).
Verfasser: Gregor Brand

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