Nicole Teusch – Biologin aus Hupperath

Nicole Teusch

Dass es jemand aus einem kleinen Dorf und mit einem nichtakademischen familiären Hintergrund zur Professur schafft, ist recht selten der Fall. In dem rund 500 Einwohner zählenden Hupperath gelang dies allerdings bereits zwei Persönlichkeiten: dem Philosophen Josef Simon (1930-2016) und, vor wenigen Jahren, der Zellbiologin Nicole Teusch. Zu dieser Seltenheit kommt bei Teusch hinzu, dass sie als Frau auf einem naturwissenschaftlichen Lehrstuhl ebenfalls zu einer unterrepräsentierten Gruppe gehört. Der Frauenanteil der Professorinnen im Bereich Naturwissenschaften und Mathematik lag 2011, als sie ihre erste Professur erhielt, unter 15 Prozent.

Nicole Teusch wurde 1972 als Tochter von Marlies und Walter Teusch in Trier-Ehrang geboren, aber wuchs in ihrem Heimatort Hupperath auf. Sie hat noch drei jüngere Geschwister, von denen ein Bruder – wie der Vater – das Schreinereihandwerk erlernt hat; er führt ein innovatives Tischlerei-Unternehmen. Nach dem Abitur am Wittlicher Cusanus-Gymnasium (Note: 1,2) studierte Nicole Teusch von 1991 bis 1998 in Mainz Biologie auf Diplom und Chemie für das Lehramt an Gymnasien. Ihre Diplomarbeit über das klimarelevante Spurengas Carbonylsulfid wurde mit dem Shell-She-Study-Award ausgezeichnet. Dank eines Exzellenz-Stipendiums des Boehringer Ingelheim Fonds durfte sie nun für die zur Dissertation erforderliche Forschung über intrazelluläre Signalwege an das Scripps Research Institute im kalifornischen La Jolla wechseln. Sie befand sich dort in einer der weltweit angesehensten biomedizinischen Forschungseinrichtungen überhaupt; während ihres Aufenthalts erhielt der dort lehrende Chemiker Barry Sharpless 2001 den Nobelpreis.

Die Karriere der hochbegabten Hupperatherin nach der Promotion lässt sich in zwei Abschnitte unterteilen, die zusammen ein sinnvolles Ganzes ergeben und dem oft geforderten Zusammenwirken von Wissenschaft und Praxis entsprechen: Von 2003 bis 2011 arbeitete sie in Forschungslabors der Pharmaindustrie, seit März 2011 forscht und lehrt sie im universitären Bereich. Die Pharma-Jahre führten sie zu Aufenthalten an Forschungsstätten in Deutschland (Ludwigshafen und Wuppertal) und den USA (Chicago). Als Labor- oder Projektleiterin standen Untersuchungen zum Thema Neurodegeneration und Onkologie im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Nachdem Dr. rer. nat. Teusch im März 2011 zur Professorin an der TH Köln (Campus Leverkusen) berufen wurde, war sie in den folgenden Jahren dort mit dem Aufbau und der Leitung des Arbeitskreises Bio-Pharmazeutische Chemie und Molekulare Pharmakologie betraut. 2016 wurde sie Projektleiterin des neugegründeten Forschungsinstituts „Innovative Arzneistoffe für die alternde Gesellschaft“ (InnovAGe), 2018 geschäftsführende Direktorin.

In diesem Forschungsinstitut geht es um die Entwicklung neuer Arzneistoffe zur Therapie von zwei der meistgefürchteten Krankheiten: Krebs und Alzheimer; aber auch andere neurodegenerative Erkrankungen stehen dort im Fokus der Forschung. Da diese Erkrankungen in den alternden Gesellschaften des 21. Jahrhunderts immer häufiger vorkommen, ist die Entwicklung neuer Arzneimittel von höchster gesellschaftlicher Relevanz. Bei der Suche nach effizienten Wirkstoffen wandte sich das Team um Prof. Teusch gezielt Naturstoffen zu. Mit ersten Erfolgen: So konnte beispielsweise Julia Sperlich, deren Promotion von Teusch betreut wurde, nachweisen, dass der von einer karibischen Weichkoralle gebildete Naturstoff Pseudopterosin Entzündungsbotenstoffe blockiert, die Tumorzellen fördern.

Ähnlich erfolgreich war zuvor schon eine Studie der Teusch-Schülerin Maria Bräutigam gewesen, die mit einem aus der Korbblütlerpflanze Einjähriger Beifuß gewonnenen Naturstoff experimentiert hatte. Teusch ist optimistisch, dass derartige Entdeckungen in diesem noch nicht annähernd ausgeloteten Bereich dazu beitragen können, neue effektive Arzneimittel zu entwickeln. Die Leistungen der jungen Wissenschafterinnen ebenso wie ihr eigener Lebensweg bestärken Teusch in ihrem Engagement zur Förderung des weiblichen Anteils in diesen und anderen Forschungsfeldern. Ehrenamtlich begleitet und unterstützt sie hochbegabte Schülerinnen aus Nicht-Akademiker-Haushalten im nach wie vor männlich dominierten mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereich. In Kontakt mit der Lebenswelt der Jüngeren bleibt sie auch durch ihre Tochter Marielle, für die Sport und Fitness unverzichtbare Lebenselemente sind.

Seit April 2019 ist Nicole Teusch Professorin an der Universität Osnabrück und leitet dort die Abteilung Biomedizinische Grundlagen am Institut für Gesundheitsforschung und Bildung. Zudem ist sie seit gleicher Zeit Honorarprofessorin an der Universität von Bath in Großbritannien. Die Arbeit von Prof. Teusch als Hochschullehrerin wurde wiederholt ausgezeichnet, und ihr sachverständiger Rat ist in etlichen Gremien gefragt. Nachdem sie schon 2015 den Lehrpreis der TH Köln erhalten hatte, erreichte sie 2017 bei der von der UNICUM Stiftung durchgeführten Wahl zum „Professor des Jahres“ den dritten Platz – ein sensationelles Ergebnis, da insgesamt rund 2000 Professorinnen und Professoren nominiert waren. Alles spricht dafür, dass man in Zukunft noch viel von der Wissenschaftlerin Nicole Teusch hören wird.

Verfasser: Gregor Brand

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