Oswald Mathias Ungers

Architekt aus Kaisersesch

Neben Ludwig Mies van der Rohe (1886 – 1967) war der am 12. Juli 1926 in Kaisersesch geborene Oswald Mathias Ungers der zweite eifelstämmige Architekt, der im 20. Jahrhundert zu internationalem Ruhm und Einfluss aufstieg. Während Mies van der Rohe als prägender Baumeister der Moderne gilt, ist das Lebenswerk Ungers schwerer einzuordnen. Öfters fällt das Stichwort Postmoderne, vor allem aber wird Ungers verbunden mit dem Anspruch auf zweckfreie architektonische Reinheit und der prinzipienstrengen Reduktion des Bauens auf das Wesentliche. Seine Konzentration auf geometrische Grundformen, insbesondere das Quadrat, faszinierte und irritierte gleichermaßen: „Kein anderer Architekt wird so innig verehrt und so feurig gehasst wie Oswald Mathias Ungers“, stellte der Architekturkritiker Hanno Rauterberg anlässlich dessen 80. Geburtstags fest.

Zu den Gemeinsamkeiten von Mies van der Rohe und OMU – so sein berühmtes Namenskürzel – gehört die Herkunft aus bescheidenen katholischen Verhältnissen. Ungers, Sohn eines Postbeamten, besuchte nach der Volksschule das Realgymnasium in Mayen, ehe er 1943 zur Wehrmacht einberufen wurde. Nach Krieg und Kriegsgefangenschaft kehrte er zurück zum Gymnasium und machte 1947 Abitur. Zu seinen prägendsten Eindrücken der Nachkriegszeit gehörte ein mehrmonatiger Aufenthalt im Kloster
Maria Laach, wo ihn das Konzept der benediktinischen Askese ebenso beeindruckte wie die steinerne Würde der mittelalterlichen Klosterbauten. 1947 begann Ungers ein Architekturstudium an der TH Karlsruhe. Eine kluge Berufsentscheidung angesichts der unzähligen im Weltkrieg zerstörten Gebäude, könnte man meinen. Aber für Ungers, der schon als Kind von geometrischen Formen und Proportionen fasziniert war, war Architektur eine Berufung. Nach der Diplomprüfung bei Professor Egon Eiermann (1904 – 1970) eröffnete er in den 1950er Jahren Architekturbüros in Köln und Berlin. Mit dem 1958 erfolgten Bau eines architektonisch Aufsehen erregenden Hauses in Köln-Müngersdorf (Belvederestraße 60) für sich und seine Familie wurde der Name Ungers zu einem Begriff in der Bauwelt. Zur Ungers-Familie gehörte seine Frau Liselotte Gabler (1925 – 2010) sowie drei Kinder. Von diesen Kindern machte sich später Professor Simon Ungers (1957 – 2006) ebenfalls als Architekt einen Namen; die Tochter Sophia Ungers ist als Direktorin des Ungers-Archivs in besonderer Weise dem Erbe ihres Vaters verpflichtet. Dieses Archiv befindet sich in dem Müngersdorfer Haus, das schnell zum Anziehungspunkt für Architekturinteressierte geworden war. 1989 erweiterte Ungers das Gebäude um einen mit dunklem Eifler Basalt errichteten Bibliothekskubus, der für die vom Ehepaar Ungers aufgebaute Sammlung architektonischer Fachliteratur bestimmt war: Ende der 1950er Jahre hatten sie mit dem Aufbau dieser einzigartigen Architekturbibliothek begonnen, die nach 50 Jahren auf einen Bestand von über zehntausend Werken angewachsen war, darunter bautheoretische Grundlagenschriften seit der Renaissance. Die Auseinandersetzung mit den bewunderten Großmeistern der Architekturgeschichte bildete für Ungers ein Kernelement bei der Entwicklung seiner eigenen Bauphilosophie, die außer in seinen Bauten auch in vielen Veröffentlichungen zum Ausdruck kam.

Die Theorie-Orientheit von Ungers fand in dessen Lebensgang mit der 1963 erfolgten Berufung als ordentlicher Professor an die TU Berlin auch institutionell ihren Niederschlag. Ungers lehrte – von kürzeren USA-Aufenthalten unterbrochen – bis 1968 in Berlin, dann zog er mit seiner Familie in die USA, wo er in den folgenden Jahren Architektur-Professuren an renommierten Hochschulen innehatte: an der Cornell University, in Harvard und an der University of California. Während seiner amerikanischen Jahre wurde der brillante Baudenker zum einflussreichen Lehrmeister und Vorbild namhafter Architekten der folgenden Generation wie etwa des Niederländers Rem Koolhaas oder des Thüringers Hans Kollhoff. OMU beschäftigte sich während der US-Jahre vorwiegend mit der Entwicklung theoretischer Konzepte zur Stadtentwicklung. Zusammen mit Kollegen veröffentlichte er 1977 das Manifest „Die Stadt in der Stadt. Berlin: ein grünes Archipel“, in dem sie vielbeachtete Ideen präsentierten, die auch für die Zukunft anderer Städte Geltung beanspruchten.

Nachdem Ungers in den „baulosen Jahren“ (Peter Rumpf) seines USA-Aufenthalts von der Errichtung neuer Bauten abgesehen hatte, trat er nach der Rückkehr nach Deutschland mit Aufsehen erregenden Bauprojekten wieder prominent hervor. Ende der 1970er Jahre wurde Ungers, der später die Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Main erhielt, mit dem Umbau des dortigen Deutschen Architekturmuseums betraut. In den Folgejahrzehnten entstanden als repräsentative Ungers-Bauten etwa das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, der Neubau an der Hamburger Kunsthalle oder das Wallraff-Richartz-Museum in Köln. In Trier, wo er schon den Ungers-Bau am Viehmarkt erstellt hatte, entstand das letzte Werk von Ungers: der Eingangsbereich an den Kaiserthermen. Zu den Bauten, die das puristisch-asketische Ideal von Ungers am deutlichsten verkörpern, gehört die in seinem letzten Lebensjahrzehnt errichtete Villa Glashütte beim Westeifeldorf Utscheid. Der vielfach hochgeehrte Stararchitekt O. M. Ungers starb nach längerer Krankheit am 30. September 2007 in Köln.

Verfasser: Gregor Brand

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