Peter Pitzen

Orthopäde aus Jünkerath

Auch wenn die katholische Eifel lange eher bekannt war für ihre Fülle an Theologen und Klerikern, so haben die Recherchen zu den historisch bedeutsamen Kindern der Eifel inzwischen gezeigt, dass auch erstaunlich viele herausragende Mediziner ihre Wurzeln in dieser Region haben. In diese Reihe bedeutender Ärzte gehört auch der 1886 in Jünkerath geborene Medizinprofessor und Orthopäde Peter Pitzen. Die ausführlichsten Informationen zu seinem Lebensweg enthält die 2006 an der Universität Gießen vorgelegte Dissertation des gebürtigen Irakers Dr. Nadim Victor Khalisi zum Lebenswerk Pitzens. Diese Doktorarbeit bildet die Hauptgrundlage für den hier vorliegenden Beitrag.

Peter Pitzen, Sohn der Eheleute Mathias Pitzen und Anna Maria Klinkhammer, stammte aus einfachen dörflichen Verhältnissen. Sein Vater war Bauer und Bäckermeister, seine Mutter eine Bauerntochter aus dem Nachbarort Dahlem. Nach siebenjährigem Volksschulbesuch begann Peter im Jahr 1900 eine Bäckerlehre im väterlichen Betrieb und erhielt zusätzlich Unterricht beim Ortspfarrer. Die Unterrichtsstunden ermöglichten ihm, nach Abschluss der Bäckerlehre in die Untersekunda des Gymnasiums in Euskirchen aufgenommen zu werden. Nach dem Abitur 1907 schrieb er sich in Straßburg zum Medizinstudium ein, wechselte für ein Semester nach Bonn und kehrte dann nach Straßburg zurück, wo er nach bestandener Vorprüfung auch seinen Wehrdienst als Einjährig-Freiwilliger absolvierte. Nach einem Semester in München schloss er das Medizinstudium 1912 in Bonn mit einem als sehr gut bewerteten Staatsexamen ab. Im August 1913 promovierte Pitzen in Bonn mit einer Arbeit „Zur Diagnose und Therapie der traumatischen Pankreascysten“ zum Dr. med. und wurde unmittelbar darauf Arzt beim Bonner Husarenregiment 23. Von einer kurzen Unterbrechung beim Brüderkrankenhaus Trier abgesehen, bestimmten danach fünf Jahre lang die Aufgaben als Militärarzt das Leben des Jungmediziners. Mit Weltkriegsbeginn im August 1914 wurde er einberufen; bis wenige Wochen vor Kriegsende war er in Lazaretten der Westfront tätig, wobei er bei den Kämpfen mehrfach selbst verwundet wurde. Während dieser Kriegsjahre entwickelte er ein Verfahren zur Narkose-Erleichterung; im weiteren Lebensverlauf kamen weitere medizinisch-technische Erfindungen hinzu.

Zwei Monate nach Kriegsende erhielt der mit dem Ehrenkreuz I. Klasse ausgezeichnete operationserfahrene Arzt eine Anstellung als Assistenzarzt an der orthopädischen Klinik und Poliklinik von Professor Fritz Lange (1862-1954) in München. Das bedeutete bereits eine hohe Wertschätzung seiner Qualitäten, denn der Orthopäde Lange zählte zu den herausragenden Kapazitäten seines Gebiets. Unter der Leitung Langes bildete sich Pitzen zum Spezialisten für Orthopädie aus. Nach erfolgreicher Habilitation 1924 arbeitete er ab 1925 als Oberarzt an der Poliklinik und lehrte als Dozent und (ab 1928) als außerordentlicher Professor an der LMU München, immer in enger Zusammenarbeit mit seinem Vorbild Lange.

1930 nahm Pitzen einen Ruf auf den neu errichteten Lehrstuhl für Orthopädie an der Universität Gießen an. Beim Aufbau und der Organisation der im November 1931 eröffneten orthopädischen Universitäts-Klinik in Gießen hatte sein Wort maßgebliches Gewicht. Seinem Einsatz war es zu danken, dass sich der Ruf der jungen Klinik in wenigen Jahren mit dem anderer Kliniken messen konnte. Professor Pitzen war in diesen Aufbaujahren, wie auch zuvor und danach, in großem Umfang wissenschaftlich tätig und veröffentlichte wegweisende Beiträge zu orthopädischen Problemen. 1936 erschien sein Lehrbuch „Orthopädische Krankheiten“, das schnell zu einem Standardwerk wurde. Pitzens Ansehen spiegelte sich in seiner 1938 erfolgten Wahl zum Präsidenten der Deutschen Orthopädischen Gesellschaft (DOG). Seine Haltung zum NS-Staat ist nicht eindeutig zu bestimmen. Zwar schloss er sich vor dem Krieg einigen NS-Organisationen (z. B. dem NS-Lehrerbund) an, wurde aber erst 1941 Mitglied der NSDAP. 1938 eröffnete er als Präsident der DOG deren Tagung mit einem „Gruß an den Führer und Reichskanzler“, aber längere NS-Texte oder gar Mitwirkung an Medizinverbrechen gab es nach den Recherchen von Dr. Khalisi nicht. 1939 wechselte Pitzen auf eine Professur an der Universität Münster, 1944 wurde er Ärztlicher Direktor der Klinischen Anstalten in Münster; das Amt behielt er auch in der Besatzungszeit. In privater Hinsicht umgänglich und humorvoll, war Prof. Pitzen im Arbeitsleben äußerst fordernd: „Er war streng und die Forderungen an seine Assistenten waren maximal und unerbittlich. Strenge Disziplin, ein Höchstmaß an Fleiß und Genauigkeit, Liebe zum Detail, Zurückstellung der eigenen Person, Einsatzbereitschaft und die kritische Suche nach dem Optimalen war das, was er seinen Schüler vorlebte und von Ihnen erwartete.“ (N. V. Khalisi). Aus dem Kreis seiner Schüler gingen mehrere namhafte Mediziner hervor, z. B. Prof. Dr. Helmut Rössler (Bonn) oder der prominent gewordene Professor Julius Hackethal. Nach seiner Emeritierung 1955 verbrachte Pitzen den Ruhestand in Grünwald bei München zusammen mit seiner Frau Maria (geb. Ott), einer Kinderärztin, die er 1929 geheiratet hatte; die Ehe blieb ohne kinderlos. Drei Jahre nach dem Tod seiner Frau verstarb Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Pitzen am 2. Marz 1977 im Alter von 90 Jahren .

Verfasser: Gregor Brand

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