Peter Plein – Richter und Kriegsblinder aus Mürlenbach

Als sich der Gymnasiast und Kriegsfreiwillige Peter Plein zu Beginn des 1. Weltkriegs in Uniform fotografieren ließ, ahnte er nicht, dass er bald niemals wieder sich oder andere sehen konnte: Im September 1915 verlor er an der Dolomitenfront durch eine Mine das Augenlicht. Trotz seiner Erblindung schaffte er Abitur, Studium, Promotion und beendete seine Berufslaufbahn als Richter am Bundessozialgericht. Sozial wohl noch relevanter war sein Einsatz zugunsten anderer Kriegsblinder. Jahrzehntelang war der blinde Richter aus der Eifel die überragende Persönlichkeit der deutschen Kriegsblinden.

Pleins Lebensweg begann in Mürlenbach, wo er 1896 als Sohn des aus Speicher stammenden Kaufmanns Matthias Plein und dessen Ehefrau Maria Gerard zur Welt kam. Grundlegende Angaben zu den weiteren Lebensstationen sind dem Heimatforscher Ernst Becker zu verdanken, der sich um die Erforschung der Biografie Pleins sehr verdient gemacht hat. Plein wechselte 1910 von einem belgischen Internat auf das Gymnasium in Prüm, ehe er 1914 noch kurzzeitig Schüler des FWG Trier wurde. Auf seine niederschmetternde Kriegsverwundung folgten lange Lazarett- und Klinikaufenthalte sowie Blindenunterricht, der es Plein ermöglichte, im Februar 1917 das Abitur zu machen. Im April 1917 bezog er die Blindenstudienanstalt Marburg; diese neue Einrichtung ging auf den jüdischen Augenheilkundler Alfred Bielschowsky zurück. Plein studierte in Marburg und Berlin Jura und Volkswirtschaft.

Eine solche Leistung traute man Erblindeten kaum zu; die Berufsberatung riet Plein, Bürstenmacher zu werden. Plein schloss das Jurastudium 1920 mit dem Referendarexamen (Note „gut“) ab. Ein Jahr später promovierte er über „Willensmängel bei der Beamtenanstellung“; Opponentin bei seiner Doktorprüfung war Margarete Berent, die u.a. als Vorsitzende des Deutschen Juristinnenvereins bekannt wurde. Mit dem Assessor-Examen 1924 hatte Dr. jur. Plein alle Voraussetzungen für eine Einstellung als Richter erreicht. Bis 1945 war er an Amtsgerichten in Berlin und Schlesien tätig. Mit beeindruckender Willensstärke setzte er sich für die Kriegsblinden ein. 1929 wurde er zum Vorsitzenden des Bundes erblindeter Krieger e.V. gewählt. Im Einsatz für die Kriegsblinden, aber auch sonst, war für ihn die Hilfe durch seine Frau Erna, die er 1925 heiratete, unentbehrlich. Erna von Rosen (1880 –1951), eine Tochter des Generalleutnants Otto Freiherr von Rosen (1839 –1920), hatte selbst in der Kriegsblinden-Betreuung gearbeitet. Nach dem Tod ihres Vaters bewirtschaftete sie das schlesische Familiengut in Neudorf am Gröditzberg, wo die Pleins bis 1945 lebten.

Mit der Kanzlerschaft Hitlers wurde der NS-Einfluss in den Kriegsblindenorganisationen übermächtig. Bereits 1933 wurden jüdische Kriegsblinde ausgeschlossen. Der Jurist Dr. Plein hoffte, in Hitler – der ja im 1. Weltkrieg zeitweise selbst erblindet war – einen Fürsprecher der Kriegsversehrten zu finden. Pleins Haltung zum Nationalsozialismus ist noch nicht erforscht, bekannt ist allerdings, dass er 1936 auf Druck von NS-Funktionären den Vereinsvorsitz abgab (B. Hoffmann, 2012).

Das Weltkriegsende war grauenvoll: Vor den Augen von Erna Plein wurde deren 87-jährige Mutter von russischen Soldaten lebendig verbrannt, Haus und Hof geplündert und das Ehepaar Plein zur Zwangsarbeit in Stalins Sowjetunion deportiert. Nach mehr als glücklicher Rückkehr setzten sich beide von Mürlenbach aus wieder für die Kriegsblinden ein, deren Zahl sich fast vervierfacht hatte. 1947 gründete Plein den Bund erblindeter Körperversehrter von Rheinland-Pfalz e.V. und rief die Kriegsblinden-Handwerkerfürsorge ins Leben. Als sich die Kriegsblinden 1949 zum „Bund der Kriegsblinden Deutschlands“ (BKD) zusammenschlossen, wählten sie Dr. Plein zum Vorsitzenden. Im Oktober 1949 traf sich Plein mit Bundespräsident Heuss und besprach mit ihm die oft herzzerreißende Notlage der Kriegsblinden. Heuss und Plein waren sich einig, dass es für die Blinden am hilfreichsten wäre, sie in den Arbeitsprozess „wo immer und wie immer es geht, einzuschalten“. In Hunderten von Beiträgen in der BKD-Zeitschrift „Der Kriegsblinde“ beleuchtete Plein alle möglichen Aspekte des Schicksals der Kriegsblinden. Neben den wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Fragen legte er Wert auf deren größtmögliche kulturelle Teilhabe. Plein gehörte zu den Initiatoren des renommierten Hörspielpreises der Kriegsblinden, der vom BKD ab 1952 für das beste deutschsprachige Hörspiel verliehen wurde.

Erster Preisträger war Günter Eich, der die Auszeichnung persönlich von Plein entgegennahm. 1953 wurde der Sozialrechtsexperte Dr. Plein Landgerichtsrat in Koblenz, 1954 Richter am Bundessozialgericht. Dieses höchstrichterliche Amt bewältigte er nur mit Anspannung aller Kräfte und dank der Hilfe seiner zweiten Frau Gerda Berkenbrink, die er 1954 geheiratet hatte; Erna Plein war 1951 verstorben. Im Ruhestand ab 1961 widmete sich der vielfach Geehrte besonders der Geschichte der Bertradaburg. Sein letzter Lebensschwerpunkt wurde die Gründung und Leitung des Vereins der Ehemaligen des Prümer Regino-Gymnasiums. Peter Plein starb im August 1970; das schöne Sandsteingrabmal für ihn und Erna von Rosen befindet sich auf dem Friedhof in Mürlenbach.

Verfasser: Gregor Brand

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