Philipp Karl München

In verblüffender Fülle brachte die Dudeldorfer Familie München (später: München) im 18. Jahrhundert Persönlichkeiten von besonderer Befähigung hervor. Neben dem Juristen Philipp Karl, der die Hauptfigur dieses Portraits bildet, könnte man – keineswegs abschließend – noch nennen: seinen Bruder Johann Jakob (1768–1858), der 40 Jahre lang Pfarrer in Speicher war und als legendärer „Speicherer Här“ einer der bekanntesten Eifelpriester des 19. Jahrhunderts wurde, oder deren Vetter, den Pfarrer und Philosophieprofessor Dominik Konstantin München (1763–1818) sowie dessen Bruder Pfarrer Dr. Wendelin München (1765–1837). In den folgenden Generationen zählten Angehörige dieser Familie zur Elite des luxemburgischen Bürgertums, darunter Philipp Karls Enkel Alphonse Munchen (1850–1917), der vor dem 1. Weltkrieg Bürgermeister der Stadt Luxemburg war.

Dieses „Phänomen München“ hat tiefe genealogische Wurzeln. Der Jurist München und seine Theologen-Vettern entstammten als Enkel des Friedensrichters J. N. München und dessen Ehefrau Katharina Brand Familien der lokalen Oberschicht, die seit Generationen Gerichtsschreiber, Zunftmeister und Schultheißen gestellt hatten. Die Vorfahren der Dudeldorfer Brand-Familien hatten zeitweise auf der Brandenmühle bei Spangdahlem gelebt, aber es kann durchaus sein, dass es sich ursprünglich sowohl bei den München als auch bei den Brand um Angehörige des Burgmannen-Geschlechts von Buseck handelte, deren Zweige Münch von Buseck und Brand von Buseck seit dem 15. Jahrhundert im Raum Kyllburg/Schönecken nachzuweisen sind. Eine solche Herkunft von der Familie von Buseck vermutete jedenfalls der Historiker Louis Wirion in seiner grundlegenden Abhandlung „La famille Munchen“.

Der 1777 in Dudeldorf geborene Philipp Karl München war eines von neun Kindern des Notars Johann München und dessen Ehefrau Margarethe Tyllion, der Tochter eines Notars aus Vianden. Johann München hatte im Siebenjährigen Krieg als Soldat gekämpft, später wurde er Bürgermeister seines Heimatorts. Philipp Karl erbte anscheinend das juristische Interesse von Vater und Vorfahren. In friedlicheren Zeiten hätte er wohl als Jurastudent die Universität besucht, aber die revolutionären Wirren nach 1789 veranlassten ihn, nach dem Besuch der Kollegien in Trier, Luxemburg und Hillesheim nach Dudeldorf zurückzukehren und sich umfassende Rechtskenntnisse im Selbststudium anzueignen. 1798 wurde er im nunmehr französischen Heimatort „Secretaire Commissaire“, zwei Jahre später erhielt er die Lizenz, sich als Anwalt zu betätigen. Bis 1814 trat München anwaltlich an den Bezirksgerichten in Bitburg und Echternach auf, wobei er sich in dieser Zeit so hohes Ansehen erwarb, dass ihm die Stelle eines Gerichtspräsidenten in Quakenbrück angetragen wurde. Der Eifler lehnte das ehrenvolle Angebot ab und blieb in der Heimat, wo er 1814 oberster Verwaltungsbeamter – vergleichbar einem Landrat – des Arrondissements Luxemburg wurde. 

Das Jahr 1815 brachte für den Eifler Juristen einen erneuten Wechsel der Staatsangehörigkeit mit sich. Dudeldorf war zur Zeit von Münchens Geburt Teil der Österreichischen Niederlande gewesen, 1815 wurde Luxemburg – Philipp Karl wohnte inzwischen in der Stadt Luxemburg – zwar selbständiges Großherzogtum, aber vom König der Vereinigten Niederlande regiert. Die rechtlichen und politischen Verhältnisse im Bereich der heutigen Beneluxstaaten waren damals ausgesprochen verwickelt und der Jurist München dürfte einer der wenigen gewesen sein, der sie in all ihren Aspekten durchschaute. Als es 1830 in Belgien zur Revolution gegen den König und gleichzeitigen Großherzog Wilhelm kam und die Grenzen neu gezogen wurden, gehörte München zu denjenigen, die für die Selbständigkeit Luxemburgs eintraten. 1831 wurde der scharfsinnige Eifler als Richter an das Obergericht berufen, von 1840 bis zu seinem Tod 1858 war er Präsident dieses höchsten luxemburgischen Gerichts. Zeitgenossen hoben neben seiner Integrität die unerschütterliche Intelligenz besonders hervor, die noch dem Achtzigjährigen eigen war.

Von den sieben Kindern, die aus der Ehe mit der Neuerburger Notarstochter Eleonore Well hervorgingen, starben zwei Söhne bei Duellen. Der Sohn Charles Munchen (1813–1882) machte sich als Politiker einen Namen, die Tochter Madeleine heiratete einen Sohn des Generalgouverneurs Willmar. Der Eifler Philipp Karl München und etliche seiner Nachfahren haben die luxemburgische Geschichte bedeutend mitgestaltet.

Verfasser: Gregor Brand

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