Plektrud

Fränkische Große aus Eifler Adel

Im Jahr 800 wurde der Frankenkönig Karl der Große in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt. Hundert Jahre vor diesem welthistorischen Ereignis gehörte eine Frau zu den einflussreichsten Persönlichkeiten des Frankenreichs, deren Lebensweg für den Aufstieg der Karolinger von beträchtlicher Bedeutung war: Plektrud, die Ehefrau von Karls Urgroßvater Pippin dem Mittleren.

Plektrud stammte aus dem Eifel-Mosel-Raum. Da eindeutige Angaben zu Geburtsort und Herkunft fehlen, waren Geschichtsforscher seit jeher auf Indizien angewiesen, um die familiäre Einordnung dieser bedeutenden Frau aus der Merowingerzeit zu bestimmen. Überwiegend nimmt man an, dass sie als Tochter des Pfalzgrafen und Seneschalls Hugobert und dessen Gemahlin Irmina von Oeren aus einer der vornehmsten Familien des fränkischen Ostteils (Austrasien) hervorging. Plektrud war demnach sowohl eine Schwester der Äbtissin Adela von Pfalzel als auch von Bertrada der Älteren, die nicht nur als Urgroßmutter Karls des Großen bekannt ist, sondern auch als Erstgründerin der Abtei Prüm bleibende geschichtliche Wirksamkeit erzielte. Die Zugehörigkeit Plektruds zu dieser einflussreichen, bis in den Kölner Raum hin reich begüterten Familie des merowingischen Adels war von enormer Bedeutung für den dynastischen Aufstieg der Pippiniden und Karolinger. Als Plektrud um das Jahr 670 Gemahlin Pippins wurde, stand dieser hart bedrängt im Machtkampf um die faktische Regierungsmacht im Frankenreich. Die Verbindung mit der Hugobertiner-Sippe Plektruds verstärkte seine Machtbasis und trug dazu bei, dass er sich die Position eines Hausmeiers sichern konnte. Die hohe Stellung und der ungewöhnliche politische Einfluss Plektruds lassen sich daraus erschließen, dass sie nach ihrer Eheschließung „Mitausstellerin in allen Urkunden Pippins“ (Ingrid Heidrich) war. Aus dieser keineswegs selbstverständlichen Mitwirkung folgt, dass man viele bedeutsame Aktivitäten Pippins – z. B. Klostergründungen, die damals durchgängig auch der Erweiterung der familiären Macht dienten – auch Plektrud zurechnen muss. Aus der Ehe Plektruds mit Pippin gingen mindestens zwei Söhne hervor: Herzog Drogo (gest. 708) und der im Jahr 714 in Lüttich getötete Herzog Grimoald der Jüngere, der zeitweise zusammen mit seinem Vater das Amt eines neustrischen Hausmeiers am merowingischen Königshof bekleidete.

Darüber, wie sich die über 40-jährige Ehezeit an der Seite Pippins entwickelte, kann man nur Vermutungen anstellen. Dass Pippin, wie damals für Männer seiner gesellschaftlichen Position nicht unüblich, neben seiner Hauptfrau Plektrud auch noch mindestens zwei Nebenfrauen oder Konkubinen hatte, wird Plektrud weder überrascht noch empört haben. Entscheidender für sie war wohl, was aus ihren Nachkommen und den Sprösslingen dieser Nebenfrauen wurde. Als schärfsten Konkurrenten für die Macht ihrer Söhne sowie ihrer Enkel Theudoald und Arnulf sah Plektrud den später als Sieger über die Araber welthistorisch bedeutsam gewordenen Karl Martell (ca. 688–741) an; Karl war ein Sohn Pippins aus der Verbindung mit seiner Zweitfrau Chalpaida (Alpais). Gegen Ende seiner Lebenszeit schloss der schon länger erkrankte Pippin unter dem Einfluss Plektruds deren Stiefsohn Karl Martell von der Nachfolge aus, womit Karl und seine Anhängerschaft verständlicherweise nicht einverstanden waren. Als Pippin im Dezember 714 für immer die Augen schloss, ergriff seine Witwe zugunsten ihrer minderjährigen Enkel die Initiative. In den blutigen Nachfolgekämpfen nach Pippins Tod, in die neben den mächtigen Hausmeiern auch deren formelle Herrscher, die Merowingerkönige, verwickelt waren, ließ Plektrud Karl Martell gefangen setzen, verlor aber infolge der feindlichen Angriffe Teile der in ihrem Besitz befindlichen Schätze. Zudem konnte sich der waffengeübte Karl dank treuer Anhänger bald befreien. Aus dem für den Fortbestand des Frankenreichs gefährlichen Nachfolgekonflikt zwischen den Anhängern Plektruds und ihrer Enkel einerseits und deren zahlreichen Gegnern andererseits ging nach einigen Jahren Karl Martell siegreich hervor.

Die für damalige Verhältnisse schon recht betagte Plektrud, die diese Entwicklung wohl von ihrem Witwensitz in Köln aus verfolgte, konnte dem Siegeszug Karls und der Entmachtung der eigenen Nachkommen nichts Entscheidendes entgegensetzen. Gleichwohl gelang es ihr noch, in einem anderen Bereich bleibende Wirkung zu entfalten: Vermutlich in ihrem letzten Lebensjahrfünft (720–725) ließ Plektrud in Köln an dem Platz, wo zu Römerzeiten ein Tempel des göttlichen Dreigestirns Jupiter, Juno und Minerva gestanden hatte, einen eindrucksvollen romanischen Kirchenbau errichten. Diese Kirche – St. Maria im Kapitol – blieb fortan mit ihrem Namen und ihrer lokalen Verehrung besonders verbunden. Dort wurde Plektrud in einem Kalksteinsarkophag beigesetzt; die aus dem 12. Jahrhundert stammende Grabplatte zeigt ihr Abbild.

Über den Charakter Plektruds wurden manche kontroversen Spekulationen angestellt. Die Bandbreite reicht von ausgeprägtem Machtwillen und Familienstolz bis zu heiligmäßiger Frömmigkeit. Auch wenn nicht ihre direkten Nachfahren, sondern die ihres Stiefsohns Karl Martell zur Königs- und Kaiserherrschaft aufstiegen, bleibt Plektruds historische Bedeutsamkeit bestehen.

Verfasser: Gregor Brand

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