Traugott Müller

Bühnenbildner aus Düren

Mit der deutschen Theater- und Filmkunst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verbinden sich klangvolle Namen. Dabei stehen meist Regisseure oder Schauspielerinnen und Schauspieler im Vordergrund. Nicht zu unterschätzen ist allerdings die Arbeit anderer Theater-Akteure, deren Beitrag fundamental für das Gelingen des gesamten Werks war. Unter diesen kommt dem 1895 geborenen Dürener Traugott Müller eine besondere Rolle zu: Er gehört zu den großen Bühnenbildnern des vergangenen Jahrhunderts.

Der Vorname Traugott spiegelt seine Herkunft aus frommem evangelischem Milieu. Traugotts Vater Julius Otto Müller, 1853 in Monschau als Sohn des Pfarrers Wilhelm Daniel Müller geboren, war von 1887 bis zu seinem Tod 1915 Pfarrer in Düren, zudem Superintendent des Kirchenkreises Jülich, und zählte zu den Führungspersönlichkeiten der evangelischen Kirche im Rheinland. Nach dem Besuch des Real-Gymnasiums seiner Heimatstadt wurde Traugott, vielleicht wegen seiner handwerklichen Begabung, zunächst in eine Schlosserlehre geschickt. Als 17-Jähriger durfte er zur Kunstgewerbeschule Düsseldorf wechseln, was seiner schon damals ausgeprägten Faszination für Kunst, Musik und Theater besser entgegenkam. Nach dem Ende des Weltkriegs, an dem Müller als Soldat teilgenommen hatte, kehrte er nach Düsseldorf zurück, wo er seine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule abschloss und sich allmählich auf eine zukünftige Arbeit am Theater konzentrierte. Diese Ausrichtung seiner vielseitigen künstle-rischen Begabung wird durch frühe Bühnenbildkonzepte und Kostümentwürfe dokumentiert. Sie gehören ebenso wie weitere künstlerische Dokumente zu dem Teil des Müller-Nachlasses, der am Berliner Institut für Theaterwissenschaft aufbewahrt und wissenschaftlich aufbereitet wird. In Düsseldorf wurde Louise Dumont (1862-1932), die berühmte Schauspielerin und Gründerin des Düsseldorfer Schauspielhauses, auf den begabten jungen Mann aufmerksam und zog ihn für unterschiedliche Arbeiten am Theater heran. Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, trat Müller – seit 1923 verheiratet mit Lotte Frankenberger – zudem als Musiker, Clown, Statist oder auch als Kabarettist auf.

Finanziell blieb der künstlerische Boden in Düsseldorf allerdings unergiebig, so dass er 1924 in die brodelnde Theatermetropole Berlin zog. Dort bekam er schnell sein erstes großes Bühnenbild-Engagement: für „Segel am Horizont“ von Rudolf Leonhard unter der Regie Erwin Piscators. Seinen Durchbruch als Bühnenbildner schaffte Müller 1926 durch die Aufsehen erregende Piscator-Inszenierung von Schillers „Die Räuber“. In der Folgezeit arbeitete der Dürener, der sich damals eher als Bühnenarchitekt denn als Bühnenbildner verstand, vielfach mit Piscator zusammen. Nach Angaben des Theaterwissenschaftlers Hans Knudsen (1886-1971) lehnte Müller zwar Piscators kommunistische Überzeugungen ab, schätzte aber dessen Bereitwilligkeit, auf traditionelle Formen wie die Guckkastenbühne zu verzichten, was Müllers eigener Experimentierfreudigkeit entgegenkam.

Zusammen mit Piscator wurde Müller zum Schöpfer des „Gesamtkunstwerks Piscator-Bühne“ (Martha Pflug-Grunenberg). Müllers Produktivität beschränkte sich, wie sich auch aus einem Buch seines Verwandten Traugott R. Müller (Essen, 2002) entnehmen lässt, nicht auf Berlin oder die Zusammenarbeit mit Piscator. Seine Bühnenbild-Ideen waren inzwischen deutschlandweit gefragt, etwa am Thalia-Theater Hamburg (Brechts „Dreigroschenoper“, 1928) oder am Frankfurter Schauspielhaus (Lion Feuchtwangers „Die Petroleuminseln“, 1928).

Ab 1933 wurde das Staatstheater Berlin zum Hauptschauplatz müllerscher Bühnenbildkunst. Bis 1944 gestaltete er rund 50 Inszenierungen mit; die Aufführungen umfassten einen großen Teil der bekanntesten deutschen Schauspiele. 1933 engagierte ihn der Regisseur und Schauspieler Lothar Müthel für das Bühnenbild zu Schillers „Die Braut von Messina“; in den Folgejahren blieb die Zusammenarbeit mit Müthel eng. Weitere renommierte Regisseure, mit denen Müller kongenial zusammenarbeitete, waren Jürgen Fehling (1885-1968) und Gustaf Gründgens (1899-1963). Für das Theater brachte die NS-Herrschaft grundlegende Veränderungen. Künstler emigrierten, Werke durften nicht mehr aufgeführt werden. Auch bei der Bühnenbildkunst Müllers zeigten sich Veränderungen gegenüber der Zeit der Weimarer Republik. Vor allem raumkünstlerisch ging Müller nun neue Wege. Auf der Grundlage der klassischen Guckkastenbühne – die er in den 1920er Jahren noch abgelehnt hatte – schuf er einen monumentalen Bühnenraum, der durch asketische Gestaltung zum eindrucksvollen Ort des Geschehens wurde. Wichtiger als Realismus war Müller die Symbolkraft der Bilder; Lichtkontraste und wirkungsstarker Einsatz von Scheinwerfern halfen ihm bei der Konstruktion des erwünschten Bedeutungsraums. Mit Erfolg: „Aufgrund seiner kargen und zugleich kühnen Bühnenarchitektur gehört Müller zu den bedeutendsten Szenografen des deutschen Theaters im 20. Jahrhundert“ (Elmar Buck).

Unerwartet erlag Traugott Müller, der auch bei einigen Filmen Regie führte (z. B. „Friedemann Bach“, 1941) Ende Februar 1944 einem Herzinfarkt. Bei der Trauerfeier hielt Gründgens die Trauerrede. Er würdigte Müller als „Grundstein des geistigen Gebäudes“ des Berliner Staatstheaters – gewiss ein bemerkenswertes Lob. 

Verfasser: Gregor Brand

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