Ulrich von Manderscheid

Kämpfer um die Herrschaft im Erzbistum Trier

Das an Kriegen und Konflikten reiche Kurfürstentum Trier erlebte zwischen 1430 und 1440 eine unruhige Zeit mit ungewisser politischer Lage. Grund dafür war aber nicht, wie sonst meistens, ein feindlicher Eingriff äußerer Mächte, sondern der Machtwille eines Mannes aus einem aufstrebenden Eifler Adelsgeschlecht. Nach dem Tod des Trierer Kurfürsten und Erzbischofs Otto von Ziegenhain im Februar 1430 wollte Ulrich von Manderscheid, getragen vom Mehrheitswillen der erzbischöflichen Ritterschaft, dessen Nachfolger werden. Gegen den Widerstand von Papst, Konzil und Kaiser versuchte er fast ein Jahrzehnt lang, dieses Ziel zu erreichen.

Ulrich war ein Sohn von Dietrich I. von Manderscheid und dessen Gattin Elisabeth, einer Tochter Tilmanns von Steinkallenfels. Sein Geburtsjahr ist unbekannt; er war wohl eines der jüngeren Kinder aus dieser 1381 geschlossenen Ehe. 1415 schrieb sich Ulrich an der Universität Köln ein, zusammen mit dem aus Winringen bei Prüm stammenden späteren Kirchenrechtler Nikolaus Doeser. Ende der 1420er Jahre war Ulrich Domdechant in Köln und Archidiakon von St. Mauritius in Tholey.

Zwei Wochen nach dem Tod von Erzbischof Otto fand am 27. Februar 1430 die Wahl seines Nachfolgers durch das Trierer Domkapitel statt. Eine große Mehrheit entschied sich für Jakob von Sierck, eine Minderheit unter Führung des Propstes Friedrich von Cröv dagegen für Ulrich von Manderscheid. Welche Motive jeweils für die Wahl ausschlaggebend waren, lässt sich nicht mehr feststellen. Beide Kandidaten waren bereit, die über 30 Bedingungen, die die Domkapitulare formuliert hatten, zu erfüllen. Da die Wahl nicht einstimmig erfolgt war und Ulrich sich dem Votum nicht fügen wollte, traten beide Kontrahenten kurz danach die Reise nach Rom an, um sich vom Papst als Erzbischof bestätigen zu lassen. Zum Verdruss der Beiden verweigerte Papst Martin V. sowohl Jakob als auch Ulrich die Bestätigung und ernannte stattdessen am 22. Mai 1430 Raban von Helmstatt, den betagten Bischof von Speyer, zum Trierer Erzbischof. Dieser Papstentscheidung wollten sich weder der Manderscheider noch das Domkapitel beugen. Ulrich gelang es durch Gewährung finanzieller Vergünstigungen, Jakob von Sierck zum Verzicht auf das Amt zu bewegen und sich bei einer zweiten Wahl des Domkapitels im Juli 1430 in Koblenz einstimmig zum Erzbischof wählen zu lassen. Er war nun zwar gewählter Erzbischof (Erzbischofselekt), aber es fehlte weiterhin die päpstliche Anerkennung. Papst Martin seinerseits war nicht gewillt, nachzugeben – im Gegenteil: Er ließ Ulrich exkommunizieren und verhängte über die ganze Erzdiözese das Interdikt. Der Machtkampf erregte weit über das Erzbistum hinaus Aufsehen, was nicht verwunderlich war, da es um die Herrschaft in einem wichtigen Reichsgebiet ging. Als 1431 in Basel ein neues Konzil zusammentrat, wandten sich Ulrich und Raban dorthin, um bei dieser so wichtigen Versammlung politische und juristische Anerkennung zu erhalten. Des Manderscheiders fähigster Unterstützer, Rechtsberater und „Ulrichs führender Politiker“ (Erich Meuthen) war kein Geringerer als der junge Nikolaus von Kues, damals Dekan von St. Florin in Koblenz, dessen Familie insgesamt den Manderscheidern freundschaftlich verbunden war. Rechtsbeistand erhielt Ulrich zudem von zwei hervorragenden Eifler Juristen: von Johannes Hofmann aus Lieser und dem bereits erwähnten Nikolaus Doeser. Während Cusanus öffentlich als Prokurator auf dem Konzil für Ulrich plädierte, unterstützte ihn Hofmann als Consiliator mit einem Rechtsgutachten. Trotz dieser Unterstützung und eines imposanten persönlichen Konzilsauftritts von Ulrich sprach sich die Konzilskommission im Mai 1434 gegen Ulrich und für Raban aus.

Während der Jahre, als auf dem Konzil rechtlich und diplomatisch um eine Lösung des Trierer Schismas gerungen wurde, war Ulrich im Erzbistum nicht untätig geblieben. Unterstützt von seinem Bruder Dietrich II. und anderen Eifler Adligen versuchte er, mit militärischer Gewalt Fakten zu schaffen. Sein Ziel war es vor allem, die Stadt Trier – sie hielt zu Raban – unter seine Kontrolle zu bringen. Im Januar 1433 unternahmen Ulrichs Leute einen handstreichartigen Überfall auf Trier, aber er scheiterte ebenso wie ein neuer Versuch im August 1433, dem eine Belagerung und mehrtägige Artillerie-Beschießung Triers vom Petrisberg aus vorausging. Trotz solcher Rückschläge amtierte Ulrich faktisch jahrelang wie ein Erzbischof; als sein Offizial amtierte Nikolaus Doeser. Als Kaiser Sigismund im August 1434 die Reichsacht über Ulrich verhängte, ließ er sich sogar davon nicht beirren. Nach Ausschöpfung aller Mittel unternahm Ulrich, dessen Exkommunikation an Weihnachten 1437 aufgehoben worden war, 1438 einen letzten Versuch und brach zu einer erneuten Italienreise zu Papst Eugen IV. auf. Unterwegs ereilte ihn jedoch, vermutlich im September, in der Nähe von Zürich der Tod; dort wurde er auch, nach Angaben von Trithemius, begraben. Einen Nachhall des erbitterten Trierer Bischofsstreits kann man noch in einer Abhandlung des Trierer Domkapitulars Dr. J. C. Lager aus dem Jahr 1894 erkennen, der Ulrich als „vollendeten Tyrannen der schlimmsten Sorte“ verunglimpfte, wohingegen andere den hartnäckigen Manderscheider als frommen, beliebten und wohlgesinnten Mann charakterisierten.

Verfasser: Gregor Brand

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