Nie ist sie von einer obersten Autorität verliehen worden und steht doch ganz vorn im Grundgesetz, viele schwafeln darüber, doch kaum einer kann sie inhaltlich präzisieren, nirgendwo ist sie einheitlich definiert und doch glaubt jeder zu wissen, was mit Menschenwürde gemeint ist. Jeder interpretiert sie nach seinem Gusto und ausgerechnet der Teil der Gesellschaft, der an sich selbst keine, dafür umso mehr Ansprüche an die Solidargemeinschaft richtet, beansprucht sie am vehementesten für sich.
Wer wird dem menschlichen Kollektiv Menschenwürde zuerkennen, wenn er dessen Verbrechen an der Erde und ihren Arten objektiv bewertet? Wer würde im aktuellen Fall der Mutter eines elfjährigen Sohnes und deren Partner, die das Kind nicht nur selbst mehrfach sexuell missbraucht und vergewaltigt, sondern es auch anderen Personen zur Vergewaltigung überlassern haben, nicht nur die Menschenwürde sondern auch die Eigenschaft als Mensch auf Dauer aberkennen? Und wer, wenn er von dieser Welt ist, wird dem ehemaligen serbischen General Mladic und seinen serbischen Horden, die im Jahre 1995 in Srebrenica 8373 unbewaffnete, wehrlose bosnische Männer und Jungmänner in einem Massaker umbrachten, Menschenwürde und Menscheneigenschaft zuerkennen? – Waren die Inquisitoren, die im Namen Gottes Menschen in religiöser Hybris folterten, henkten und lebendig verbrannten, Menschen? Nein, sie waren unwürdige Monster in Menschengestalt.
Man könnte beliebig fortfahren mit
- Terroristen die in religiöser Rechthaberei Menschen in die Luft sprengen,
- Autonomen und Hooligans, die Polizisten mit Pflastersteinen bewerfen und ganze Stadtteile, Straßen und Züge verwüsten,
- Pädophilen, Kinderschändern und Vergewaltigern, die Menschen seelisch zerstören,
- Staatschefs, an deren Händen Blut klebt
- Menschenhändlern, Schleppern und anderen kalten Zynikern usw.
Wo ist die Menschenwürde derer, die Sozialsysteme und Menschen ausbeuten – der Sozialbetrüger, Zuhälter, Drogenhändler, notorisch Kriminellen usw.?
Halt! – es wäre einseitig, sich darauf zu beschränken, die Würde derer infrage zu stellen die unserer Gesellschaft nicht gut tun: Die Bildungsfernen, Leistungsverweigerer, Süchtigen, Egoisten, Komasäufer, Schulabbrecher, Ausbildungsunfähigen, Gaffer und Randalierer usw. Höchstes Lob für die Würdigsten der Würdigen: Die Idealisten und Ehrenamtler, die braven Leute in Kranken- und Altenpflege, bei Feuerwehr, Polizei, Rettungsdiensten und Kirchen, die erziehungsfähigen Eltern, sozialkompetenten Unternehmer, ehrlichen Politiker, Lehrer und Erzieher, um nur wenige zu nennen. Wo kämen wir hin, ohne die vielen jungen und alten liebenswerten, gebildeten, empathiefähigen Menschen guten Willens, die intakten Elternhäuser die unser Leben lebenswert machen? – Großer Applaus für sie alle!
Doch Euphorie ist fehl am Platz: Wäre der Mensch das ihm in der Genesis nachgesagte elitäre Geschöpf, wäre er nicht so stupid, sich für die Krone der Schöpfung zu halten. Dann gäbe es auch keine Perversitäten wie Massentierhaltung, Kükenschreddern, Tierversuche für medizinische und erst recht nicht für kosmetische Zwecke. – Würde hat nur, wer hohe Ansprüche an sich selbst richtet. – Menschenwürde ist eigentlich ganz einfach: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg` auch keinem Anderen zu (Martin Luther).
Manfred Schmitz, Flußbach
Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen