Leserbrief: Ich muß da wohl etwas “richtigstellen“ :

Ganz offenbar haben einige Leser der Eifel-Zeitung meinen Leserbrief von vergangener Woche nicht so ganz verstanden – schade, aber Anlaß für mich, nochmal “nachzusetzen“: Nein, ich habe absolut nichts dagegen, daß sich die SPD im Gerolsteiner Land für oder gegen einen Kandidaten ausspricht! Ich habe auch nichts gegen die Person, die unterstützt wird. Ich bin da völlig offen – und ehrlich gesagt – ich selbst habe mich noch nicht entschieden. Anlaß für meine Wortmeldung war vielmehr das parteiinterne Verfahren. Als Sigmar Gabriel den Vorsitz abgab, erklärte er öffentlich Martin Schulz zu seinem Nachfolger. Martin Schulz trat zurück und erklärte zeitgleich Andrea Nahles zur neuen Vorsitzenden. Diese Beispiele machen – so sieht es auf jeden Fall in Gerolstein aus – Schule in der SPD. Es ist das vornehmste Recht – oder gar die Pflicht – der Parteimitglieder, darüber zu entscheiden, ob es geeignete Kandidaten aus den eigenen Reihen gibt, auf eine Partei-Kandidatur verzichtet wird oder aber ein Bewerber aus einem anderen “Lager“ unterstützt wird.
Das ist innerparteiliche Demokratie – übrigens nicht nur bei der SPD.

Daß aber ausgerechnet die Partei, deren bisher erfolgreichster Vertreter – Willy Brandt – seinen Wahlerfolg auch darauf begründete “Mehr Demokratie wagen!“ zu wollen, die eigenen Mitglieder “kaltstellt“ und nach dem Motto “Wir da oben machen, was wir wollen !“ verfährt, das trifft mich in besonderer Weise. “Mehr Demokratie wagen !“ brachte der SPD den größten Wahl-Erfolg ihrer Geschichte ein : Stärkste Partei mit 45,8% vor CDU/CSU (44,9%) bei einer Bundestagswahl 1972 ! Und mit diesem Ergebnis war sie “echte Volkspartei“ ! Seit aber die SPD sich der Mühe entzieht, “mehr Demokratie“ in den eigenen Reihen gelten zu lassen, dafür mehr “Funktionärsmacht“ walten zu lassen, hat sie dermaßen an Glaubwürdigkeit und Vertrauen eingebüßt, daß ihr Status “Volkspartei“ weit mehr als nur in Gefahr ist : 20,5% Wählerzustimmung, aktuell in den Umfragen sogar nur 18% ! Genau deswegen richtet sich meine Kritik nicht an den Kandidaten, der (von einigen wenigen aus dem Vorstand und/oder der Fraktion) unterstütz wird, sondern an eine Partei, die seit Jahren von Erneuerung, vom Wiedergewinnen des Vertrauens, Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit spricht. Nur spricht, wie das Beispiel Gerolstein zeigt.

Die Mitgliederversammlung der drei Ortsvereine wäre genau der richtige Ort gewesen, über eine Kandidatur für das Amt des Verbandbürgermeisters zu entscheiden. Sie, die Mitglieder, hätten die Möglichkeit gehabt, einen geeigneten Bewerber aus den eigenen Reihen vorzuschlagen und zu nominieren. Da dies aber nach Tagesordnung nicht vorgesehen war, über die Wahl eines Verbandsbürgermeisters zu diskutieren (. . . die Vorsitzenden laden ein und schlagen die vorläufige Tagesordnung vor . . .), wurden alle SPD-Mitglieder der VG’n Gerolstein, Hillesheim und Obere Kyll ihres “Rechts beraubt“ – oder auch ihrer Pflicht entledigt – eigene Bewerber vorzuschlagen und ins Rennen zu schicken. Ob man so der Verpflichtung aus dem Parteiengesetz  “Die Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mit, indem sie insbesondere auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluß nehmen, die politische Bildung anregen und vertiefen, die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben fördern, zur Übernahme öffentlicher Verantwortung befähigte Bürger heranbilden, sich durch Aufstellung von Bewerbern an den Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden beteiligen, . . .“ gerecht werden kann, das ist die Frage, die ich mit meinem Leserbrief aufwerfen wollte. Hierauf keine Antwort zu geben, sondern einmal mehr so zu tun, als wollte ich einen Kandidaten diskreditieren, spricht auf besondere Weise für die Art von “Erneuerung“, die die SPD derzeit verfolgt. Ich hoffe, allen “Fragestellern“ der vergangenen Woche in ausreichendem Maße Rede und Antwort gestanden zu haben und bedanke mich für Ihre/eure Geduld.

Knut Wichmann sr.,Gerolstein

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