Schelte der Fußballfunktionäre für das Publikum

Die Löws, Bierhoffs und Co. sind blind vor Überheblichkeit, sind dermaßen „von der Rolle“, dass sie sogar glauben, das Fußballpublikum, von dem sie leben, bevormunden und maßregeln zu dürfen. – Als Gyndogan, der türkischstämmige Nationalspieler mit deutschem Pass beim Spiel gegen Saudi-Arabien am letzten Freitag eingewechselt wurde, forderte der deutsche Nationaltrainer mit herrischer Geste das Publikum demonstrativ auf, Beifall zu spenden. Doch das Publikum im Stadium zu Leverkusen bewies Charakter: Es pfiff Gyndogan aus! Der Grund ist allgemein bekannt: Die öffentliche Ergebenheits- und Sympathiebekundung der türkischstämmigen Spieler Gyndogan und Özil gegenüber ihrem Präsidenten Erdogan – eine an Dreistigkeit nicht mehr zu überbietende Provokation und Beleidigung der deutschen Nation. Doch kaum zurück aus Istanbul, wurden sie sogar von unserem Staatsoberhaupt empfangen. – Als deutscher Staatsbürger schäme ich mich für die Verbeugung des Bundespräsidenten vor Fußballspielern.

Wie verblendet Löw und Bierhoff sind, beweist ihre wütende, vorwurfsvolle Reaktion auf die Pfiffe des Publikums: Gyndogan und Özil hätten sich doch schließlich mehrfach öffentlich zu ihrem Verhalten geäußert, damit müsse es endlich genug sein – basta! Bierhoff brüllte sogar sein Basta ins Mikrofon. Die erschreckende Erkenntnis: Es ist mittlerweile gängige Kultur, dass Gesinnung nicht mehr hinterfragt wird; ein Lippenbekenntnis genügt, und schon ist alles wieder in Ordnung. – Hätten unsere Staatsführer ein Gefühl für nationale Würde, dann müssten Löw und Bierhof – gegen alle juristischen Erbsenzähler – sofort von ihren Posten entfernt werden. Doch keiner unserer Politiker rührt sich – warum wohl nicht? Der Fußball ist großes Geld und Teil des politisch-wirtschaftlich verwobenen Systems. Für „kleinkarierte“ Begriffe wie Ehre und Würde haben die „Macher“ nur ein müdes Lächeln übrig. – Schande über Deutschland, dass die entrüsteten Pfiffe des Publikums in Leverkusen ohne jede Reaktion bleiben und in Hilflosigkeit erstarren werden. Man könnte auch sagen: So pervers kann Demokratie sein.

The show must go on: In ein paar Tagen wird alles vergessen sein. Die Massen werden nicht widerstehen können und wie Drogenabhängige vor den Bildschirmen hängen und gierig auf Erfolge der Nationalelf bei der WM in Russland lauern. Ob Gyndogan mitspielt oder Özil mit trotzigem Gesicht die Nationalhymne verweigert – der Götze Fußball wird die Hirne nach kurzer Zeit vernebeln und bald wird die Affäre mit dem türkischen Despoten im Kurzeitgedächtnis der Massen verschwinden. Dabei könnten wir – wenn wir wirklich wollten – die Systeme DFB und FIFA ins Leere laufen lassen, indem wir sie auf jede nur mögliche Weise boykottierten. Dazu gehörte allerdings eine Menge Charakter und souveräner Widerstand gegen die Konsumgesellschaft und – last but not least – unser politisches System. – Eine allzu elitäre Erwartung!

Manfred Schmitz, Flußbach

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