Spenden für Listenplätze: „Krumme“ Praxis der Parteienfinanzierung bei der Kommunalwahl 2009?

Wahlkämpfe sind teuer. Rasch sinkende Mitgliederzahlen bereiten vor allem den Schatzmeistern der Parteien Kopfzerbrechen, denn mit den Mitgliedsbeiträgen bricht für sie eine wichtige Einnahmequelle weg. Die Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung sind gesetzlich begrenzt. Die Spenden aus Industrie und Wirtschaft fließen zwar weiterhin. Sie kommen seit langem vor allem CDU/CSU und FDP, den sogenannten „wirtschaftsfreundlichen“ Parteien, zugute. Die SPD bezieht Einnahmen in nicht unerheblicher Höhe aus ihren zahlreichen (und heftig umstrittenen!) Medienbeteiligungen. Dennoch leiden die Parteien an „gefühlter Geldnot“.

Auf der Suche nach weiteren Einnahmemöglichkeiten greifen die Parteien daher auf eine von der Öffentlichkeit weithin unbeachtete Praxis zurück: Was den Parteien an anderer Stelle (angeblich) fehlt, holen sie sich über „Spenden“, welche ihre Kandidaten vor Wahlen zu entrichten haben, wieder rein.

Das Ganze funktioniert so: Die Mitglieder einer Partei beschließen vor einer Wahl auf einer Mitgliederversammlung oder auf einem Parteitag eine Wahl- bzw. Kandidatenliste. Verdiente Parteigänger erhalten die vorderen Listenplätze, weil diese „aussichtsreicher“ beziehungsweise, bei sogenannten „starren“ Listen, sogar „sicher“ sind. Die hinteren Listenplätze, die von vornherein aussichtslos sind, werden meist mit „Füllkandidaten“ besetzt.

Wer auf einer starren Liste einen „sicheren“ Listenplatz erhält, ist mit dem Beschluss der Mitgliederversammlung bzw. des Parteitages ins Parlament gewählt, ohne dass die Wähler am Wahltag noch darauf Einfluss nehmen könnten. Sie können die Politiker, welche die Parteien ihnen vorsetzen, nur noch „abnicken“. Bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag oder zum Europäischen Parlament ist das zum Beispiel so. Auf kommunaler Ebene können die Wähler bei der Wahl Einfluss auf die Reihenfolge der Liste nehmen, etwa indem sie einzelne Kandidaten streichen. Die Erfahrung zeigt, dass im großen und ganzen aber doch die Kandidaten auf den vorderen Listenplätzen in die Räte gewählt werden. Dass die Wähler die Reihenfolge einer Liste grundlegend modifizieren, ist eher selten.

Zurück zum Thema: Einige Tage, nachdem die Wahlliste aufgestellt und beschlossen worden ist, verschickt die Partei Briefe an die aufgestellten Kandidaten, in dem diese dazu gebeten (aufgefordert) werden, einen bestimmten Geldbetrag „für ihren Listenplatz“ [!] an die Partei zu „spenden“. Die Kandidaten auf „sicheren“ bzw. „aussichtsreichen“ Listenplätze müssen mehr blechen – selbst auf kommunaler Ebene zum Teil einige Tausend Euro! Bei „Füllkandidaten“ begnügen sich die Parteien in der Regel mit kleineren, eher symbolischen Beträgen (z. B. 50 Euro). Außerdem werden die Kandidaten in dem Brief darauf hingewiesen, dass sie den Betrag nach Erhalt einer Quittung als „gemeinnützige Spende“ von der Steuer absetzen können.

Die hier geschilderte Praxis der mehr oder weniger erzwungenen Kandidatenspenden ist äußerst bedenklich: Sie widerspricht der verfassungsrechtlich garantierten Gleichheit der Wählbarkeit. Studenten oder Hartz-IV-Empfänger können von einer Kandidatur abgehalten werden, wohlhabende Kandidaten können sich hingegen einen guten Listenplatz sichern und somit ihr Mandat „erkaufen“. Auf die Tatsache, dass bei der Praxis der Kandidatenspenden die „Grenze zum Mandatskauf sehr fein“ verlaufe, hat z. B. der Verfassungsrechtler Ulrich Karpen, der von 1991 bis 2001 für die CDU in der Hamburger Bürgerschaft saß, hingewiesen.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Kandidaten, die sich zuvor über eine faktisch erzwungene Spende an die eigene Partei gebunden haben, überhaupt noch frei und unabhängig in ihren Entscheidungen sein können: Wer einmal „spendet“ und sich so dem Willen der Partei fügt, muss es auch ein zweites Mal tun – oder er wird nicht wieder aufgestellt. Aus rein finanzieller Sicht zahlt sich das Kassieren von Kandidatenspenden für die Parteien übrigens doppelt aus: Für jeden Spendeneuro, den die Parteien erhalten, bekommen sie 38 Cent vom Staat – besser gesagt: vom Steuerzahler – dazu. Der Umstand, dass die Kandidaten ihre Abgabe als „gemeinnützige Spende“ von der Steuer absetzen können, wirft zudem die Frage auf, inwieweit es „gemeinnützig“ ist, wenn Politiker ihren eigenen Wahlkampf bezahlen.
Es kann davon ausgegangen werden, dass die hier geschilderte Praxis, die „mit dem Geist eines demokratischen Wahlrechts schwerlich vereinbar ist“ (Prof. Hans Peter Bull, Staatsrechtler und ehem. SPD-Innenminister in Schleswig-Holstein), in Deutschland flächendeckend angewandt wird – auch im Landkreis Vulkaneifel. Viele Kommunalpolitiker werden sich gar nicht darüber im Klaren sein, dass es hochproblematisch ist, wenn sie für ihre Kandidatur eine als Spende getarnte Gebühr an ihre Partei abführen. Daher soll hier auch nicht irgendein Kommunalpolitiker persönlich an den Pranger gestellt werden.

Gleichwohl wissen die Vorsitzenden und vor allem die Schatzmeister der Parteien sehr genau, was sie da machen und wie sie die engen rechtlichen Vorgaben zur Parteienfinanzierung sozusagen legal umgehen können. (Eine Pflichtgebühr für Wahlkandidaten sieht das System eben nicht vor!)

Es führt deshalb kein Weg daran vorbei, dass alle Parteien in unserem Landkreis offenlegen, ob und in welcher Höhe vor der letzten Kommunalwahl Kandidatenspenden eingezogen worden sind. Dies ist umso wichtiger, als der Verdacht, dass bestimmte Kommunalpolitiker sich ihren Listenplatz erkauft haben könnten, der Politik- und Parteienverdrossenheit Vorschub leisten würde.

S. Lorse, Gerolstein

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