Presseschau – Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zum TV-Duell

Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zum TV-Duell
Es kam, wie es kommen musste: Das Rededuell zwischen CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef und -Kanzlerkandidat Martin Schulz hat hier und da zur öffentlichen Präzisierung der jeweiligen Positionen beigetragen. Von einer Wende im Rennen um die Kanzlerschaft aber keine Spur. Ob es um Flucht und Zuwanderung ging, um klare Kante gegen islamistische Einpeitscher, oder um das Beten am Sonntag – auffallend oft war Schulz mit Äußerungen zur Stelle wie „Da hat Frau Merkel Recht“. Das ist fair. Das bringt die Nähe der politischen Standpunkte beider Kandidaten auf den Punkt. Doch ein Herausforderer punktet damit kaum. So war dieses TV-Duell ein getreues Spiegelbild des Wahlkampfs: Da streicheln sich zwei Koalitionspartner. Wie hätte es auch anders sein sollen. (ots)

Rheinische Post: KOMMENTAR: Zwei Kandidaten – eine Meinung
Eines muss man nach dem TV-Duell sagen: Deutschland hat zwei überzeugte und vernunftgesteuerte Demokraten, die sich für das Amt des Regierungschefs bewerben. Das ist angesichts der Populisten und Autokraten, die anderswo regieren, nicht das Allerschlechteste. Tja, und sonst? Die Hoffnung der SPD, dass im Duell eine nicht nur graduelle, sondern klare Alternative zur populären Kanzlerin präsentiert würde, erfüllte sich nur teilweise. In der zentralen Frage der Flüchtlingspolitik konnte Schulz keinen Unterschied kenntlich machen. Merkel hatte im Sommer 2015 auf Bitten des österreichischen Kanzlers und abgestimmt mit dem SPD-Außenminister und dem französischen Präsidenten entschieden. Schulz‘ Vorwurf eines Alleingangs in Europa verfing nicht. Dass die Regierungschefin die Grenzen nicht sofort wieder schließen wollte, begründete Merkel ungewöhnlich deutlich mit dem Argument, man konnte nicht „mit Wasserwerfern gegen Tausende Flüchtlinge“ vorgehen. In der sensiblen Frage des Familiennachzugs für Flüchtlinge waren sich beide wiederum einig.

Dafür war Schulz in der Türkeifrage pointierter, entschiedener. Er forderte einen Stopp der Beitrittsgespräche. Damit dürfte er angesichts der Tiraden aus Ankara vielen Menschen aus dem Herzen gesprochen haben. Merkel war dagegen gefangen im Korsett der Amtsinhaberin, argumentierte vorsichtig, versteckte sich hinter der Einstimmigkeit in der EU. Verkehrte Welt. Vor zehn Jahren kämpfte die SPD noch für den Türkei-Beitritt, die CDU blockierte. Dass Schulz einen schiitischen Philosophen zitierte, der den Islam als Friedenskraft deklarierte, wirkte indes peinlich.

Entscheidungshilfe für die Unentschiedenen lieferte die Debatte kaum. Beide wollen Steuern für mittlere Einkommen senken, beide sprachen sich (bei der Kanzlerin überraschend!) gegen die Rente mit 70 aus. Der SPD-Herausforderer kritisierte das Engagement des SPD-Altkanzlers Gerhard Schröder beim russischen Ölkonzern Rosneft. Merkel nickte. Und so weiter. Die soziale Gerechtigkeit kam nur als Beiwerk vor, die große digitale Frage gar nicht. Mehr als nur ein Fauxpas der Moderatoren. (ots)

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum TV-Duell
War das TV-Duell gestern Abend nun tatsächlich Martin Schulz‘ letzte Chance? Wahrscheinlich ja. Hat er sie genutzt, so dass er doch noch Bundeskanzler werden kann? Wahrscheinlich nein. Es war das politische Fernsehereignis des Jahres mit gigantischen Einschaltquoten. Es war lebhaft, aber so richtig spannend war auch dieses TV-Duell nicht. Immerhin: Der Erkenntnisgewinn war größer als bei vorherigen Duellen, beispielsweise bei der Rente und in der Türkei-Frage. Das TV-Duell hat keinen klaren Sieger hervorgebracht. Realistisch betrachtet steht unterm Strich ein flottes Unentschieden, ein 2:2, mit leichten Vorteilen für den Herausforderer. Schulz griff an, wirkte dabei jedoch etwas künstlich und leistete sich in seiner Wortwahl einige peinliche Schnitzer. Merkel war häufig in der Defensive. Trotz der bekannten Kontroversen spürte man auch viele Gemeinsamkeiten. Diskutiert wurde trotzdem. Schulz versuchte bei der Flüchtlingspolitik und in der Türkei-Frage zu punkten. Er kämpfte zwar, wollte Merkel aufs Glatteis führen, hat es aber nicht geschafft, Sympathiepunkte zu sammeln. Der Herausforderer hat seine letzte Chance nicht nutzen können. Das liegt nicht nur an seiner eher unsympathischen Art, sondern auch an den schlechten Voraussetzungen. Niemand hat wohl ernsthaft geglaubt, Merkel würde so sehr patzen und ihren großen Umfragevorsprung in einer Sendung aufs Spiel setzen. Dafür ist sie nach zwölf Jahren als Kanzlerin zwar zu erfahren, wirkte aber bisweilen überraschend unsicher. Insgesamt war Schulz zu forsch, zu direkt, zu polternd, Merkel zu scheu, zu defensiv, zu schüchtern. Nach dem TV-Duell wird es die entscheidende Wende nicht geben. Vielmehr steht die Frage im Vordergrund, ob es eine schwarz-gelbe oder eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen geben wird. Reicht es am Ende für Union und FDP, wird Angela Merkel trotz aller Skepsis dazu nicht Nein sagen können. Sie neigt offenbar eher Jamaika zu, weil ihr die Koalition mit der FDP von 2009 bis 2013 noch in zu schlechter Erinnerung ist und sie FDP-Chef Christian Lindner nicht wirklich mag. Dann lieber auch gleich mit den Grünen. Das hätte den Vorteil, dass mit Katrin Göring-Eckardt eine weitere Frau mit am Tisch sitzt, die nicht auf Krawall aus ist. Für Merkel war das TV-Duell als Kandidatin wohl das letzte ihres Lebens. Für Schulz möglicherweise auch. Aber anders als er wird Merkel darüber erleichtert sein. Trotz ihres nicht immer erfolgreichen Abschneidens kann sie mit Genugtuung auf die Polit-Shows blicken. Allein schon mit den TV-Duellen hat sie einen Platz in den Geschichtsbüchern sicher. Viermal stand sie »im Ring«, vier Mal hat sie zumindest nicht klar gewonnen, und vier Mal wurde sie dennoch Kanzlerin. So wird es kommen. Welch eine Bilanz. (ots)

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