Buchbesprechung: Hermann Simon: Zwei Welten, ein Leben. Vom Eifelkind zum Global Player

Foto: Campus-Verlag

Diese Autobiografie eines weltweit bekannten Management-Experten ist für viele Leser aus vielen Gründen interessant, für Menschen in der Eifel aber ganz besonders: Dass einer von uns (der Schreiber dieser Buchbesprechung zählt sich auch dazu) derartige Wellen in der Welt da draußen schlägt, macht ähnlich stolz als wenn Bayern München die Champions League gewinnt.

Angefangen hat dieser Wellenschlag als Geplätscher in einem kleinen Dorf bei Wittlich. Hermann Simons Nacherzählung des Lebens dort in den ersten Jahren nach dem Krieg erinnert den Schreiber dieser Zeilen sehr an seine eigene Eifler Kindheit und die vieler anderer in dieser Altersklasse: der ewige Düsenjäger Lärm, der Sonntagskirchgang, die einklassige katholische Volksschule, das Eifler Platt, das Helfen bei der Kartoffelernte und dann der entscheidende Schritt: weg vom Dorf aufs Gymnasium, oft als der erste in der Familie überhaupt.

Wie Hermann Simon dann von da aus über ein Wirtschaftsstudium in Bonn zum Professor und dann zum Unternehmensgründer und zu einem der weltweit gesuchtesten Wirtschaftsberater wurde, ist ein Lehrstück für das Ineinandergreifen von Können, Glück und Zufall, wie es für viele große Karrieren typisch ist. Denn eigentlich wäre Hermann Simon, wie er im Kapitel „Jahre des Donners“ nacherzählt, am liebsten Starfighter-Pilot geworden. Wegen einer Farbsehschwäche wurde daraus aber nichts. Dann wählte er als Studienort die Uni Bonn, damals das Mekka der deutschen Wirtschaftswissenschaften. Und zufällig waren seine prägenden akademischen Lehrer auch noch drei lokale Superstars (Krelle, Korte und Albach; die Wirtschaftswissenschaftler unter den Lesern wissen, was ich meine). Mit dieser akademischen Potenz im Rücken konnte ein begabter Junge eigentlich nur selbst Professor werden.

Was dann auch sehr schnell geschah. Das liebevoll geschilderte Drumherum – Promotion, Habilitation, erste Auslandsaufenthalte und die dazugehörende Organisation des Familienlebens – lässt den Leser sehr schön das Wanderleben einer jungen Akademikerfamilie nachvollziehen, wie es auch für den Schreiber dieser Zeilen typisch gewesen ist. Als sozusagen fachnaher Berichterstatter war ich dabei besonders von der Konsequenz beindruckt, mit der Hermann Simon von Anfang an dem Elfenbeinturm-Gehabe vieler Kollegen misstraute und die praktische Anwendbarkeit von ökonomischer Forschung wichtig nahm. So dass er dann sogar eine gut bestallte ordentliche Universitätsprofessur aufgab, um sich mit voller Kraft seiner Beratungsfirma Simon-Kucher & Partners zu widmen (deren Vorstandsvorsitzender er bis 2009 gewesen ist).

Diese Firma berät Anbieter von Wirtschaftsgütern bei einer auf den ersten Blick wenig aufregenden Frage: Wie bestimme ich für mein Produkt den optimalen Preis? Warum kostet die Bahncard 50 eigentlich 224 Euro und 70 Cent? Das haben sich Mitarbeiter von Simon-Kucher ausgedacht. Die Hintergründe werden vom Chef selbst in dem Kapitel „Der Preise Spiel“ sehr anschaulich erklärt, wie auch, in einem weiteren Kapitel, die durchaus nicht immer nur aufwärts führenden Wege, auf denen Simon-Kucher zum weltweit führenden Preisberater mit heute über 1500 Mitarbeitern geworden ist. Sehr schön wird die dabei zuweilen herrschende Hektik von Hermann Simon in dem folgenden, ihm auf einer Weihnachtsfeier zugeschriebenen, von außerhalb von ihm selbst eingehenden Telefonanruf auf den Punkt gebracht: gebracht: „Fräulein Rodewald, stellen Sie doch bitte fest, wo ich mich gerade aufhalte, was ich hier soll und wie lange das ganze dauern wird.“

Ein eigenes Kapitel widmet sich auch der Entstehungsgeschichte einer Entdeckung, durch die Hermann Simon international wohl am bekanntesten geworden ist: Dass nämlich das deutsche Export- und Wirtschaftswunder weniger auf die großen DAX-Konzerne, sondern vor allem den deutschen Mittelstand zurückzuführen ist. Das sind die berühmten „Hidden Champions“, um die uns der Rest der Welt beneidet, darunter auch einige aus der Eifel (eine davon wird sogar auf S. 224 genannt; diese Firma ist seit 2017 Teil von Tesla). Dieser Anglizismus ist in den Augen des Rezensenten, der auch Vorsitzender des Vereins deutsche Sprache ist, ausnahmsweise entschuldbar, da so auch der letzte Zeitungsleser in Rio de Janeiro oder Peking lernt, was die deutsche Wirtschaft so erfolgreich macht.

Gespickt ist dieser Rückblick auf eine ungewöhnliche Forscher- und Unternehmerkarriere mit (für den Leser) aha-Erlebnissen vielfältiger Art. Wer weiß zum Beispiel, dass das in Büchel bei Wittlich stationierte deutsche Jagdbombergeschwader 33, wo Hermann Simon seinen Militärdienst ableistete, mit lupenreinen Atombomben bewaffnet war und ist: „Jeder Pilot bekam zwei vordefinierte Ziele zu gewiesen. Den Weg dorthin kannte er im Detail. Für manche dieser Ziele hätte die Reichweite des Starfighters nicht ausgereicht, um zur Heimatbasis zurückzukehren.“ Oder man nehme den 11. September 2001. Da hatte Hermann Simon in der Alten Oper in Frankfurt eine höchstkarätig besetzte Vortragsveranstaltung zu moderieren. Den Anfang machte Henry Kissinger. „Kissinger beginnt seiner Rede unter dem Titel „Years of Renewal“ mit der Aussage, dass es niemals einen äußeren Angriff auf „Mainland America“ gegeben habe („Mainland America has never been attacked by an external enemy“).“ Exakt acht Minuten später ist diese Behauptung von der Geschichte überholt.

Wer eine Rede von Henry Kissinger moderiert, darf in der Tat, so wie es auch der Titel dieses Buches sagt, als „Global Player“ gelten. Aber trotzdem ist Hermann Simon immer auch ein Eifelkind geblieben. Mit Leuten, die es noch können, spricht er vorzugsweise Eifler Platt, und auch die „Kinder der Eifel“ sind seine Idee gewesen. Nächste Jahr im August trifft man sich wieder in der Alten Mühle in Manderscheid. Ich freue mich schon drauf.

(Campus Verlag, ISBN 978-3-593-50916-7)

Autor Prof. Dr. Walter Krämer stammt ursprünglich aus Ormont/Landkreis Vulkaneifel. Er hat eine Professur an der Fakultät für Statistik der Technischen Universität Dortmund und „nebenbei“ ist er noch Präsident des Vereins für die deutsche Sprache e.V

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