„Nehmen“? „Holen“? oder gar „Werden“?

Eine Reise durch das Moselfränkische. Vortrag von Frau Dr. Yvonne Treis in der Stadtbücherei Wittlich

Wittlich. Gut 100 Interessierte kamen am 27. November in die Stadtbücherei Wittlich, um Yvonne Treis‘ Vortrag zu hören. Dieses Interesse wundert doch sehr, schaut man sich die Publikationen von Frau Dr. Treis an. Die in Paris lebende Literaturwissenschaftlerin ist Spezialistin für äthiopische Sprachen und veröffentlicht in der Regel Bücher mit Titeln wie „A Grammar of Kambaata“. (Kambaata ist eine hochlandostkuschitische Sprache, die um das Hambarichcho-Bergmassiv gesprochen wird.) Doch die aus Sankt Aldegund gebürtige Philologin liebt ihren Beruf und Sprachen so sehr, dass sie ihre Freizeit der Erforschung ihrer Heimatsprache, dem Moselfränkischen widmet und ein Buch mit dem wunderbaren Titel „Ein Kaffee zum Mitholen, bitte! – Moselfränkisch lieben und verstehen lernen“ veröffentlichte.

Dieses Buch stellte sie nun in der Stadtbücherei Wittlich einem zum größten Teil aus Wittlich und Umgebung stammenden Publikum, also Moselfranken, vor, die mit viel Sachverstand dem Vortrag folgten. Auf der Strecke blieben natürlich Wittlicher mit Migrationshintergrund, auch wenn die Muttersprache Deutsch ist, denen die Mannigfaltigkeit des Vokabulars des Moselfränkischen immer wieder einen Grund zur Verwunderung bieten wird. Allein im zweistelligen Bereich liegen die unterschiedlichen Ausdrücke für eine an sich so triviale Sache wie „Zuckerrübenkraut“.

Auf gewisse im Hochdeutschen gängige Vokabeln verzichtet der Moselfranke hingegen völlig. Das Verb „Nehmen“ ist ihm fremd und wird grundsätzlich durch „Holen“ ersetzt. Im Zuge einer Gewichtsreduktion nimmt der Moselfranke nicht wie die übrigen Deutschen ab, nein, er holt ab. Auch „Werden“ benutzt man in Eifel und Hunsrück sowie an der Mosel nicht und ersetzt es durch „geben“. Ein Tisch wird nicht festlich gedeckt, sondern „gät gedääckt“, gibt also gedeckt. Diese Eigenart, also „werden“ durch „geben“ zu ersetzen, ist unter den knapp 7.00 Sprachen weltweit ziemlich einzigartig.

Den Komparativ mit „als“ zu kennzeichnen lehnt der Moselfranke ab. Peter ist so alt „wie“ Hans oder er ist älter „wie“ Hans. Das „wie“ reicht aus und wird verstanden. Differenziert wird auch nicht zwischen „sch“ und „ch“, denn der Moselfranke versteht aus dem Kontext, was mit „Kirsche“ gemeint ist. Läuten die Glocken darin, wird es sich um die „Kirche“ handeln und nicht um die Frucht. Auch „b“ und „p“ sowie „g“ und „k“ werden in der weich gesprochenen Sprache nicht unterschieden, so dass im nassen Herbst halt viele mit der „Krippe“ im Bett liegen müssen.

Dr. Treis wechselte zwischen Vortrag und dem Lesen von Passagen aus ihrem Buch gekonnt ab und vermied nach Möglichkeit die sprachwissenschaftliche Terminologie, so dass auch der Laie ihrem charmant präsentierten Vortrag folgen konnte. Ein sehr lehrreicher, aber auch heiterer Abend, der nicht nur echten Moselfranken Freude bereitete.

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