Vitelliusbad Wittlich – Warum muss das Freibad abgerissen werden?

Fördergelder aus Mainz für neues Hallenbad gibt’s nur, wenn das Freibad abgerissen wird?

Wittlich. Die letzte Hitzewelle mit Außentemperaturen von 40°C hatte unsere Region fest im Griff. Viele Bürger suchten in diesen Tagen Abkühlung im Wittlicher Freibad, das mit seinem großen 50 m Becken, Rutsche, Sprunganlage, Kleinkinderbecken und vielen weiteren Attraktionen sowie dem Blick auf die Weinberge zu den schönsten Freibädern in Rheinland-Pfalz zählt. An warmen Sommertagen kommen regelmäßig weit über 2.000 Bürger in das Wittlicher Freibad, alleine im Monat Juni gab es ca. 24.000 Besucher.

Vogelperspektive Kombi- und Freibad Wittlich

Wenn es bei den Planungen der Stadt bleibt, war dieser Sommer wahrscheinlich der letzte Sommer in diesem Freibad. Im kommenden Jahr sollen Hallen- und Freibad abgerissen werden und nach einer Bauphase von ca. drei Jahren entsteht ein neues sogenanntes „Kombibad“, also ein ganzjährig genutztes Hallenbad mit einem kleinen Außenbereich für den Sommer mit deutlich reduzierter Wasserfläche und weniger Attraktionen. Beispielsweise würde es keine Sprunganlage, besonderer Anziehungspunkt für viele Jugendliche, mehr geben.

Befragt man die Besucher des Freibads in diesen Tagen nach ihrer Meinung zum geplanten Schwimmbadumbau, so stellt man überraschenderweise fest, dass kaum jemand der geplante Abriss des Freibads bewusst ist. Viele Besucher wissen gar nichts von den Umbauplänen der Stadt. Andere denken, es stünde nur ein Neubau des Hallenbades an.

Nur verhältnismäßig wenige Besucher wissen tatsächlich, dass das erst von 20 Jahre großzügig gestaltete Freibad bald der Vergangenheit angehören könnte. Diskutiert man mit den Besuchern die Pläne der Stadt, erntet man häufig ungläubiges Kopfschütteln und Unverständnis. Viele Wittlicher Bürger stellen sich die Frage, ob es wirklich erforderlich und sinnvoll ist, ein funktionierendes Freibad, das noch mindestens 20 Jahre genutzt werden kann, abzureißen und die Bevölkerung, Schulen, Vereine und sonstige Nutzer wie die Bereitschaftspolizei über ca. drei Jahre komplett auf ein Schwimmbad verzichten zu lassen. Die Stadt sagt „ja“.

Schon zu Beginn der Planungen im Jahr 2016 habe das Land Rheinland-Pfalz als möglicher Zuschussgeber verlangt, dass das Freibad in die Planungen mit einbezogen würde und die Wasserfläche um 35 Prozent reduziert werden müsse. Hintergrund dieser Forderung nach Reduktion der Wasserfläche ist das Ziel der Verringerung der laufenden Kosten des Badebetriebs.

In der Bevölkerung mehren sich jedoch die Zweifel an den Plänen und Argumenten der Stadt. Andreas Schumacher, regelmäßiger Schwimmbadbesucher und Geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Herstellers von Trockengemüse aus Wittlich, hält das Argument der Kosteneinsparung für falsch. Vielmehr das Gegenteil sei der Fall; die aktuellen Planungen und der unnötige Abriss und Neubau des Freibades führe zwangsläufig zu einer deutlichen Erhöhung der jährlichen Unterhaltskosten. Der Blick in das Bäderstrategiekonzept der Unternehmensberatung Altenburg, das im Frühjahr 2018 vorgestellt wurde und das Grundlage der Planungen der Stadt Wittlich ist, scheinen ihm Recht zu geben.

Der bloße Ersatz des alten Hallenbades durch ein modernes Hallenbad würde – ähnlich wie beispielsweise bei dem Neubau des Hallenbades in Konz – wohl ca. 10 Mio. Euro kosten. Die Errichtung des geplanten Kombi-Bades unter Beseitigung des funktionsfähigen Freibads kostet nach Angaben der Stadt auf den Bürgerversammlungen das Doppelte, also ca. 20 Mio. €. Zugleich steigen aber aufgrund der großen Investition die jährlichen Betriebskosten stark an. Nach dem erwähnten Altenburg-Konzept verursachte der Betrieb des gesamten Vitelliusbades aktuell einen Verlust von ca. 600.000 – 700.000 € im Jahr. Nach der Errichtung des neuen Kombi-Bades würde selbst bei einer angestrebten Förderung des Neubaus von 50% durch das Land, jährlich ein Verlust von 950.000 bis 1.000.000 €/ Jahr entstehen. Sink die Förderquote, steigt der jährliche Verlust für die Stadt natürlich weiter an.

Neben dem Unverständnis über den Abriss des Freibades sind Besucher des Schwimmbades verärgert darüber, dass der Badebetrieb für ca. drei Jahre vollständig zum Erliegen kommen soll. Christian Fieseler, Kassenwart der Schwimmabteilung der WTV und Sportlehrer an der Berufsschule, erläutert, dass man nach einer Zwangspause von drei Jahren den Vereinsbetrieb wahrscheinlich wieder vollständig neu aufbauen müsse. Auch die Schulen stellt die geplante vollständige Schließung vor erhebliche Herausforderungen, einige Jahrgänge werden kaum Schwimmunterricht erhalten. Wie man erfährt, weiß auch das Personal des Badebetriebs bis heute nicht, was mit Ihnen in dem Zeitraum der Schließung geschehen soll. „Würde man das Freibad erhalten und so zumindest den Badebetrieb über fünf Monate im Jahr anbieten, könnten Vereine und Schulen den Zeitraum des Neubaus des Hallenbades halbwegs schadlos überbrücken“, so Fieseler. Diese Möglichkeit hat die Stadt bisher abgelehnt mit dem Argument, dass aktuell die Technik von Hallen- und Freibad miteinander verbunden ist und die Abtrennung der Freibadtechnik sowie die Errichtung eines separaten Technikraum ca. 1 bis 1,5 Mio. € kosten würde.

Hat die Stadt die Auswirkungen des Klimawandels bei Ihren Planungen berücksichtigt? Immer wieder kommt diese Frage bei den extremen Temperaturen in diesen Tagen auf. Glaubt man den Prognosen der Klimaforscher, werden heiße und trockene Sommer zukünftig die Regel in unseren Breitengraden sein. Die Hitze verstärkt das Bedürfnis eines attraktiven Freibades. Das spiegelt sich bereits jetzt in den Besucherzahlen des Freibades wider, während bis 2016 die Besucherzahl im Freibad auf ca. 62.000 gefallen ist, erreichte man 2018 über 80.000 Besucher. Auch in diesem Jahr besuchten bereits ca. 40.000 Besucher das Freibad, das Niveau von 2018 wird man also wohl wieder erreichen oder übertreffen. Würde das neue verkleinerte Schwimmbad diesen steigenden Besucherzahlen überhaupt gerecht? Wenn wie aktuell täglich mehr als 2.000 – 3.000 Besucher im Freibad sind, wird es im großen 50 m Becken mit seinen 8 Bahnen schon sehr eng. Für Unternehmer Andreas Schumacher sind die Planungen ein „Schildbürgerstreich“, „das neue Kombibad mit seinen drei 50 m Bahnen ist vielleicht angemessen für die ca. 15-Personen, die auf der Grafik des neuen Bades abgebildet sind, aber sicherlich nicht für die gut 2.500 Personen, die aktuell täglich das Wittlicher Freibad besuchen.“

Dr. Bernhard J. Simon, Geschäftsführer des Wittlicher Unternehmens Simon-Fleisch und Mitglied der Vollversammlung IHK-Trier, sieht die Schwimmbadplanungen der Stadt ebenfalls sehr kritisch. „Für die regionalen Unternehmen und ihre Mitarbeiter ist es wichtig, dass eine gute öffentliche Infrastruktur in der Stadt Wittlich geboten wird. Dazu zählen nicht nur Schulen und Kindergärten, sondern eben auch attraktive Sport- und Freizeitmöglichkeiten. Die Mitarbeitergewinnung gestaltet sich heute für die in ländlichen Regionen angesiedelten Unternehmen zunehmend schwieriger. Junge Leistungsträger zieht es in die Großstädte, dort führt dieser Sog in die Städte dann bekanntlich zu Wohnungsmangel und der Explosion der Mieten auf die die Politik mit „Hilfskonstruktionen“ wie sog. Mietpreisbremsen reagiert. Dieser Entwicklung, so Simon, kann man nur wirksam begegnen, in dem man die ländlichen Regionen stärkt und beispielsweise ein Mittelzentrum wie Wittlich attraktive Standortbedingungen bietet.

„Wenn wir bei diesen sehr heißen Sommern, die zukünftig eher die Regel als die Ausnahme sein werden, über mindestens drei Jahre gar kein Schwimmbad haben um anschließend ein deutlich kleineres Freibad mit weniger Attraktionen für Kinder und Jugendliche und weniger Raum für Sportschwimmer zu erhalten, so schadet dies dem Standort Wittlich erheblich“, sagt der 39-jährige Familienvater.

Viele Bürger bezweifeln ohnehin, ob es wirklich bei einer Bauzeit für das Schwimmbad von nur drei Jahren verbleiben würde. Handwerksunternehmen sind immer schwerer verfügbar und können ihrerseits mangels Personal Terminzusagen oft nicht mehr einhalten. Wer einmal ein Haus gebaut oder umgebaut hat, der weiß, dass heutzutage schon im privaten Bereich kaum ein Bauprojekt noch in der geplanten Zeit fertig gestellt wird. Bei Großprojekten der öffentlichen Hand sind die Verzögerungen üblicherweise nicht kürzer, sondern noch deutlich länger – wie die Bürger an Projekten wie dem Flughafen Berlin oder dem Bahnhof Stuttgart jeden Tag sehen können.

Kommentar: „Hände weg vom Wittlicher Freibad“

Wittlich braucht ein neues Hallenbad, nicht mehr und nicht weniger. Das bestehende Freibad kann bei entsprechender Pflege noch Jahrzehnte genutzt werden. Die Bürger sind mit ihrem Freibad zufrieden und nutzen es intensiv. Dies zeigen nicht zuletzt die wieder deutlich gestiegenen Besucherzahlen im Freibad. Das sog. „Kombibad“ war sicherlich der für die Kommunen vorzugswürdige Schwimmbadtyp in Zeiten verregneter und kalter Sommer in vergangenen Jahrzehnten, da so auch bei schlechtem Wetter viele Besucher in das Schwimmbad gelockt wurden. Ob das „Kombibad“ aber in Zeiten des globalen Klimawandels mit heißen und trockenen Sommern noch unbedingt erforderlich ist, kann man bezweifeln.

Fördermittel des Landes sind gut und schön. Wenn jedoch die Förderung zu unsinnigen Maßnahmen wie dem Abriss von bestehender und funktionsfähiger Infrastruktur und im Ergebnis zu der Verschwendung von Steuergeldern führt, dann darf die Stadt dies nicht so hinnehmen. Die Stadt sollte daher die Planungen schnellstens ändern, sich auf einen Neubau des Hallenbades beschränken und versuchen, das Land als Zuschussgeber von diesem Konzept zu überzeugen. Das spart dem Steuerzahler mehrere Millionen Euro und ermöglicht den Bürgern, Vereinen und Schulen während der Bauphase des Hallenbades zumindest eine halbjährliche Schwimmbadnutzung. Die 1 bis 1,5 Mio. € für die Trennung der Technik von Hallen- und Freibad sind gut investiertes Geld. Im Gegenzug behielte die Stadt ja auch die Einnahmen aus dem Freibad während der Bauphase. Wenn in 20 oder mehr Jahren das Freibad dann tatsächlich saniert werden muss und die Erderwärmung weiter angestiegen ist, wird sich zeigen ob noch irgendjemand ernsthaft eine Reduzierung der Wasserfläche fordert. Jedenfalls sollte man jetzt nicht versuchen, mit Konzepten der Vergangenheit die Zukunft zu gestalten.

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