Besuch in einer Dorfschmiede (1955)

Du, mit der Bälge fauchender Wut,
treibe die Flammen zu brodelnder Flut, Mann des Eisens!
Sieh, wie die schmelzenden, glühenden Schlangen
nach der gefesteten Form verlangen.
Greifende Zunge, Hammers Gewalt,
zwinge in Form sie,
in Leib und Gestalt!
Schmiede das Werkzeug!

Wohl kaum ein Handwerk ist ob seiner Achtung vor der Arbeit und dem fertigen Produkt so oft in Worten gerühmt worden wie das des Schmiedes. Vielleicht auch deshalb, weil Feuer und Eisen die Menschen immer fasziniert haben und das Produkt dieser Arbeit allen Menschen Hilfe und Erleichterung bei der Bewältigung der schweren Aufgaben in Feld, Wald und Flur bot.

„Ich Huffschmidt kan die Pferd beschlagn, dazu die Räder, Karrn und Wagn.“

So heißt es treffend in einem alten Schmiedelied, das wohl Hans Sachs zuzuschreiben ist. Und ein unbekannter Verfasser lobt das Handwerk:
„Mit Hochgesang will ich mein Handwerk preisen, hoch der Mann, der erfand, Brot zu ziehn aus Eisen.“

In der Tat hat der Anblick einer Dorfschmiede – „Ist das Dörflein noch so klein, ein Schmied wird stets darinnen sein“ – etwas Besonderes für sich. Früher gehörte die Schmiede in jedes Dorf wie das Baackes, die Kapelle oder der Dorfbrunnen, und das Klingen des Schmiedehammers war den Dorfbewohnern eine vertraute Melodie. „Lebendes Inventar“ des meist kleinen Fachwerkbautes war der rußgeschwärzte, lederbeschurzte Meister, der mit schwungvollem Arm den Hammer auf das rote Eisen niederschmetterte, dass jeder Funken im Halbdunkel der Werkstatt zu sehen war.

Auf gemauerter Esse glomm das Schmiedefeuer, immer wieder in Glut gehalten von dem alten Blasebalg. Neben Esse und Amboss standen und lagen die größtenteils selbst gefertigten Arbeitsgeräte der Zunft: Hämmer und Zangen aller Art, daneben an der Wand Hufeisen und Wagenreifen, auf dem Boden Pflug, Sielenketten, Stangen und Eisenteile.

Arbeitstechniken und Werkzeuge sind seit altersher dieselben geblieben. Umso reicher hat sich das Handwerk rund um Esse und Amboss auf den verschiedensten Gebieten des wirtschaftlichen Lebens entfaltet. In der Blütezeit finden wir den Hufschmied neben dem Nagel-, Waffen-, Messer- und Kesselschmied, dem Wagen- und Kupferschmied. Sie alle hatten wichtige Aufgaben bei der Bedarfsdeckung des täglichen Lebens in Haus, Hof und Stall. Gold-, Silber- und Kupferschmiede dienten der Kunst: Ob es sich um Fenster- und Türgitter, Geländer, Riegel oder Schlösser handelt, ihre Werke sind bis heute Zeugnisse hoher Schmiedekunst durch alle Epochen hinweg.

In der Eifeler Dorfschmiede ging es jedoch in erster Linie um die Herstellung und Reparatur von landwirtschaftlich genutzten Geräten: Gabel, Spaten und Schaufel, Nägel, Schrauben und Eisenteile für das Haus, Riegel für die Außentüren, Schieber und Schlösser. Der Pflug erhielt hier seine Schärfe zurück, die Schlachtmesser ihren neuen Glanz und die Zug- und Ackertiere ihre Beschläge.

Spezialschmieden gab es in der Osteifel, wo typische Werkzeuge und Gerätschaften für Schiefergruben und Dachdecker geschaffen wurden. Hierzu zählten handgeschmiedete Hämmer ebenso wie Scheren aus Flurstahl, Haubrücken, Nageleisen, Säge- und Treibkeile, Fäustel, Brecheisen, Steinkratzer und Pickel. Dass alle diese Geräte ohne maschinelle Hilfe bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gefertigt wurden, zeugt von hoher Fachlichkeit, eisernem Willen und großem Ehrgeiz  dieser spezialisierten Dorfschmieden.

Waffen für die Jagd und für den Kriegsfall stellten ebenfalls spezielle Schmieden her. Ihr Schwerpunkt war der Raum Daun/Kelberg und Wittlich/Trier.

Dorfschmieden waren aber auch der Treffpunkt der Männer. Hier wurde im Schein der rauchenden Esse und unter dem Gequalme der „Erdenpfeifen“ geplaudert, diskutiert und gestritten. Welt- und Dorfpolitik, Wetterprognosen und Ernteaussichten waren wohl die Themen der Männerrunde, die sich teilweise wintertags sehr häufig einfand. Manch eine gemeindliche Entscheidung soll in diesem Kreis getroffen worden sein, wohl auch nicht selten bei Branntwein und Eifelviez.

Seit vielen Jahrzehnten rauchen und glühen die Essen nicht mehr. Der große Einbruch der Maschinentechnik in die Arbeitswelt des Bauern stellten den Schmied vor neue Aufgaben. Heute ist er nur noch in größeren Zentren anzutreffen, in einem völlig veränderten Arbeitsumfeld und mit neuen Techniken und Methoden. Wie viele andere handwerkliche Berufe ist auch der Schmied aus dem Dorfleben verschwunden. Mit ihm der Klang des Hammers und das Zischen des erkaltenden Eisens.
 
Verfasser:  Joachim Schröder

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