Hendrik Wüst will an die Macht: Vom «Haudrauf» zum Mann der Mitte Von Bettina Grönewald, dpa

Einst politisches Raubein, jetzt Laschets «Kronprinz» – Hendrik Wüst hat sich schon in vielen unterschiedlichen Facetten gezeigt und eine politische Achterbahnfahrt hingelegt. Jetzt will der zwischendurch Gestrauchelte den Gipfel in NRW erklimmen. 

Düsseldorf (dpa) – Hendrik Wüst greift nach dem höchsten Regierungsamt in Nordrhein-Westfalen: Als von CDU und FDP gewünschter Nachfolger von Ministerpräsident Armin Laschet steht der 46-Jährige kurz vor dem vorläufigen Zenit seiner Karriere. Angesichts seines relativ jungen Alters weist die schon bemerkenswerte Berg- und Talfahrten auf.

Sein größtes Handicap: auch nach jahrelanger politischer Tätigkeit in NRW in unterschiedlichen Funktionen ist der Mann aus dem Münsterland selbst in seinem Heimatland weitgehend unbekannt, wie eine Umfrage jüngst ergab. Bis zur Landtagswahl im Mai hat er nur noch wenige Monate Zeit, um das zu ändern. Seine meist etwas abgehackt vorgetragenen Reden haben den Wirtschaftsliberalen bislang nicht zum großen Publikumsmagneten gemacht.

Der passionierte Jäger und Krimi-Fan hatte sich in den Anfängen seiner Karriere als CDU-Generalsekretär (2006-2010) des damaligen Landespartei- und Regierungschefs Jürgen Rüttgers mit robustem Ton und Wahlkampfstil das Image eines «Hau-Draufs» erarbeitet. Mit seiner raubeinig-forschen Art polarisierte er auch innerhalb der eigenen Partei.

Wüst provozierte damals Negativ-Schlagzeilen wegen seines allzu kaltschnäuzigen Umgangs mit Oppositionspolitikern – vor allem mit Breitseiten gegen Hannelore Kraft (SPD). Aber auch, als er überhöhte Versicherungszuschüsse vom Landtag zurückzahlen musste.

Im Februar 2010 trat er von seinem Amt als Generalsekretär zurück. Damit übernahm er die Verantwortung für eine Affäre, die bundesweit unter dem Titel «Rent-a-Rüttgers» bekannt geworden war und die Regierungspartei dem Vorwurf der Käuflichkeit ausgesetzt hatte. Beim jüngsten CDU-Landesparteitag, der ihn mit über 98 Prozent Zustimmung zu seinem Vorsitzenden wählte, deutete Wüst seine wilden Jahre an: «Viele haben mich groß werden, ja, auch straucheln sehen»

Der inzwischen eher bieder daherkommende, gereifte Wüst präsentiert sich jetzt versöhnlich, geschmeidig, sachbezogen, als Politiker der Mitte. Seit Laschet ihn im Juni 2017 als Verkehrsminister in sein schwarz-gelbes Kabinett berief, ist Wüst in keine Fettnäpfchen getreten. Der heutige Koalitionspartner FDP hat mit dem Wirtschaftsliberalen keine Probleme.

Sollte im Mai Schwarz-Grün eine Option in NRW werden, zeigt der überzeugte Radfahrer aber auch in diese Richtung Anknüpfungspunkte: Die Bewahrung der Schöpfung und die Transformation des Industrielands NRW zum klimaneutralen Wirtschaftsstandort – ohne Verlust von Industrie, Arbeitsplätzen und Wohlstand – gibt der verheiratete Vater einer kleinen Tochter fast gebetsmühlenartig als wichtigstes Ziel vor.

Auch, wenn der hoch gewachsene Politiker, der schon als Teenager in die CDU eingetreten war, in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt und vor allem bundespolitisch noch blass ist, hat er zumindest in seiner Heimat unter Beweis gestellt, dass er Menschen überzeugen kann: In seinem Wahlkreis Borken wurde er seit 2005 schon vier Mal direkt in den Düsseldorfer Landtag gewählt – damals als jüngster Landtagsabgeordneter der CDU.

«Das ist ein Macher», lobt Laschet seinen «Kronprinzen». In den vergangenen Monaten hatte es aber durchaus auch Stimmen für andere Nachfolge-Optionen gegeben. Im Gegensatz etwa zu den wesentlich bekannteren und in Umfragen deutlich positiver bewerteten Landesministern für Inneres und Soziales, Herbert Reul (69) und Karl-Josef Laumann (64), brachten Wüst zwei entscheidende Argumente ganz nach vorne: Der 46-Jährige steht noch für einen Generationswechsel, und er verfügt über das verfassungsrechtlich erforderliche Landtagsmandat, um direkt zum 12. Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens gewählt werden zu können.

Der als bodenständig, gut vernetzt, aber auch als machtbewusst geltende einstige Landesvorsitzende der Jungen Union (2000-2006) hat aber bereits deutlich gemacht, dass er sich nicht als Übergangskandidaten sieht, sondern auch Kurs auf eine neue Regierung unter seiner Führung nach der Landtagswahl nimmt. Am Wochenende kündigte er vor der NRW-CDU an: «Ich will durchstarten!»

 

 

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