Studie bringt Bewegung in Streit um Ganztags-Grundschulen

Berlin/Stuttgart (dpa) – Neue Berechnungen des Deutschen Jugendinstituts bringen Bewegung in den zuletzt festgefahrenen Finanzstreit um die Ganztagsbetreuung von Grundschülern.

Bisher gingen Bund und Länder davon aus, dass zur Erfüllung des geplanten Rechtsanspruchs im Jahr 2030 etwa eine Million zusätzliche Plätze geschaffen werden müssen. In einem internen Arbeitspapier des Jugendinstituts, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, rechnen die Experten aber nun mit deutlich weniger Plätzen.

«Im Mittel ist von rund 600.000 zusätzlich benötigten Ganztagsplätzen im Schuljahr 2029/2030 im Grundschulalter auszugehen», heißt es in dem Papier. Das würde bedeuten, dass auch die bisher angenommenen Kosten für den Ausbau deutlich sinken würden.

Kompromiss im Vermittlungsausschuss?

Das dürfte bei der für Freitag geplanten Suche nach einem Kompromiss zwischen Bund und Ländern eine wichtige Rolle spielen. Ende Juni hatten die Länder das Gesetz im Bundesrat gestoppt, weil der Bund ihrer Meinung nach zu wenig Geld für den Ausbau geben wollte. Sie riefen den Vermittlungsausschuss an, doch über die Sommerpause passierte nur wenig. Nun drängt die Zeit, weil der Bundestag am Dienstag kommender Woche seine letzte Sitzung vor der Bundestagswahl hat, in der das Gesetz neu beschlossen werden könnte. Jetzt soll eine informelle Arbeitsgruppe an diesem Freitag eine Lösung suchen und dem Vermittlungsausschuss am Montag vorlegen.

Das Jugendinstitut lässt in seine aktualisierten Berechnungen drei Faktoren einfließen: Die demografische Entwicklung der Zahl der Kinder im Grundschulalter, die schon vorhandenen Ganztagsangebote und den Anteil der Eltern, die sich einen Ganztagsplatz für ihr Kind wünschen. So gehen die Experten nun davon aus, dass die Zahl der Kinder bis Ende 2026 deutlich steigen wird, doch drei Jahre später wieder etwas sinken wird. Zudem hätten die Länder die Zahl der vorhandenen Plätze deutlich gesteigert.

Für die 600.000 zusätzlichen Ganztagsplätze bis 2030 sei mit Investitionskosten von 4,55 Milliarden Euro zu rechnen, erläutert das Jugendinstitut. Zuvor waren Bund und Länder von 7,5 Milliarden Euro ausgegangen. Der Bund wollte laut geplantem Gesetz 3,5 Milliarden Euro davon übernehmen, das wären 46,7 Prozent. Die Länder verlangen aber, dass der Bund 70 Prozent der Investitionskosten übernimmt. Die jährlichen Betriebskosten beziffern die Experten im Endausbau auf rund 2,6 Milliarden Euro. Von den bisher angenommenen 4,5 Milliarden Euro wollte der Bund gut ein Fünftel tragen. Die Länder wollen hier aber eine langfristig angelegte 50:50-Verteilung.

Vor allem Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte hier zuletzt Druck gemacht. Sein Staatsministerium sieht in den neuen Berechnungen noch keinen echten Fortschritt. «Eine realistische und belastbare Bedarfsprognose muss den Gesamtbedarf in allen betrachteten Betreuungsformen berücksichtigen, die der Rechtsanspruch umfasst», sagte eine Sprecherin. «Das ist in der aktualisierten Juli-Fassung so nicht der Fall»

Mit Gesamtbedarf sind alle Betreuungsformen gemeint, neben Horte und Ganztagsschulen auch Angebote in der Übermittagsbetreuung oder Kindertagespflege. «Zentral bleibt die Forderung der Länder an den Bund die Betriebskosten dynamisiert und hälftig zu finanzieren»

 

 

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