Wüst dringt auf Einigkeit im Kampf gegen die vierte Corona-Welle

Die Coronazahlen klettern stetig. Die Klinken füllen sich. Ärzte schlagen bereits Alarm. NRW-Ministerpräsident Wüst will, dass Bund und Länder jetzt an einem Strang ziehen. Kurs: gemeinsame 2G- und 3G-Regeln. In NRW ergreift «der Neue» bereits erste Maßnahmen.

Düsseldorf (dpa/lnw) – Angesichts steigender Corona-Infektionsraten dringt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) auf einen nationalen «Fahrplan für die Wintermonate». Er würde sich eine Verständigung von Bund und Ländern über eine 2G-Regelung im Freizeitbereich wünschen sowie eine 3G-Regelung am Arbeitsplatz, sagte Wüst am Dienstag in Düsseldorf. «3G» steht für geimpft, genesen, getestet. Er sei für ein Bund-Länder-Treffen «so schnell wie möglich, am besten schon diese Woche», betonte der derzeitige Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK).

Zu den möglichst gemeinsam zu verabredenden Fragen gehöre etwa: Wie viele Auffrischungsimpfungen sollen bundesweit bis zum Jahresende geschafft werden? Wie könnte eine Testpflicht auch für Geimpfte in bestimmten sensiblen Bereichen aussehen? «Die vierte Welle ist eine Pandemie der Ungeimpften», sagte Wüst. Die Ländern benötigten schnell ein rechtliches Instrumentarium, um die Wintermonate zu bewältigen.

Eine bundesweite Einigung sei für NRW aber keine Voraussetzung zu handeln, stellte Wüst klar. Wenn die Verständigung nicht gelinge, werde NRW seine Planungen für 2G forcieren. Unterdessen werden die Rufe zahlreicher Oppositionspolitiker, Vertreter der Ärzteverbände und anderer Experten nach schärferen Schutzmaßnahmen immer lauter.

Bei Karnevals-Saalveranstaltungen will NRW landesweit als Mindestschutz eine sogenannte 3G-Plus-Regel verbindlich einführen. Das bedeute, dass nur Geimpfte, Genesene oder Personen mit bestimmten negativen Corona-Tests zugelassen werden, erläuterte Wüst. Möglich sei entweder ein maximal sechs Stunden alter Schnelltest oder ein höchstens 24 Stunden alter PCR-Test. «So schaffen wir ein Stück mehr Sicherheit auch da, wo man sich zu freiwilligen Regelungen nicht durchringen konnte»

Mit Blick auf den Karnevalsauftakt am 11. November hätten Düsseldorf und Köln als Karnevals-Hochburgen bereits entschieden, öffentliche Feiern auf Geimpfte und Genesene (2G) zu beschränken, sagte Wüst. Das begrüße er sehr.

Wüst sprach sich außerdem dafür aus, konsequent Auffrischungsimpfungen anzubieten – zunächst für die Älteren, letztlich aber für alle, deren letzte Impfung sechs Monate zurückliege. Gleichzeitig dürfe nicht aufgegeben werden, auch die noch zu überzeugen, die sich bislang zu keiner Impfung hätten durchringen können, mahnte der CDU-Politiker. Die hohen Impfquoten in Portugal und Dänemark seien Beispiele für solche Möglichkeiten. Ebenso wie sein Stellvertreter, Familienminister Joachim Stamp (FDP), sprach sich Wüst gegen eine Impfpflicht aus.

«Wir sind im Moment noch vor der Lage», beschrieb Wüst die Corona-Situation in NRW. Nach Daten des Robert Koch-Instituts steigt die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen aber auch hier weiter an. Am Dienstag lag die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz demnach bei 130,0 (Montag: 123,2). Im Bund lag sie mit 213,7 allerdings noch viel höher.

Per Erlass forderte die Landesregierung die Kommunen auf, feste Impfstellen einzurichten. In jeder Gemeinde solle es künftig ein Angebot neben der ärztlichen Versorgung geben, erläuterte Wüst. Eine Wiedereröffnung der großen, teuren Impfzentren werde nicht erwogen. Stattdessen gehe es jetzt darum, näher an die Menschen heranzurücken – etwa mit Impf-Bussen oder Angeboten in Turnhallen, U-Bahnstationen, leerstehenden Ladenlokalen oder an Universitäten.

Darüber hinaus forderte Wüst wieder kostenlose Corona-Schnelltests, mindestens für Geimpfte und Genesene. Auch hier sollten sich Bund und Länder verständigen, was sie konkret wollten, sagte der MPK-Vorsitzende. Die kostenlosen Tests für alle, wie es sie zuvor gegeben habe, kosteten immerhin eine Milliarde Euro pro Monat. Er sei aber bereit, das zu unterstützen, wenn der Bund mitziehe.

Die neuesten NRW-Zahlen geben Anlass zur Sorge, aber nicht zur Panik. In den Krankenhäusern des Landes werden derzeit 1675 Patientinnen und Patienten wegen einer Corona-Infektion behandelt – nach Angaben der Landesregierung 126 mehr als am Vortag. Die Zahl der Covid-19-Patienten, die auf den Intensivstationen lagen, stieg von 422 (Montag) auf nun 437. Davon mussten 242 Menschen beatmet werden. Landesweit gab es noch 515 freie Intensivbetten mit Beatmung.

Herzinfarkte, schwere Verletzungen oder Krebserkrankungen könnten teilweise nicht mehr ausreichend behandelt werden, schrieben der Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA) und die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) in einem am Dienstag veröffentlichten offenen Brief an die Gesundheitsminister in Bund und Ländern.

Eine moralische Abwägung, ob Operationen für Geimpfte und Genesene verschoben werden sollten, um Intensivbetten für nicht Geimpfte verfügbar zu haben, verbietet sich aus Wüsts Sicht. «Jeder, der in Deutschland eine medizinische Versorgung bekommt, bekommt sie ohne Ansehen der Person», unterstrich der Christdemokrat. «Mehr ist dazu nicht zu sagen»

Nach Zahlen des Landeszentrums Gesundheit Nordrhein-Westfalen sind im bevölkerungsreichsten Bundesland 74,1 Prozent der Menschen geimpft, 70,6 Prozent haben eine vollständige Immunisierung gegen das Coronavirus.

 

 

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