DreiländerRegion gegen belgischen Atomreaktor Tihange – erste öffentliche Verhandlung vor dem Staatsrat in Brüssel

Brüssel. Vertreter der Städteregion Aachen hatten am vergangenen Dienstag, 06.11.2018 an der ersten öffentlichen Verhandlung gegen den Betrieb des Atomreaktors Tihange 2 vor dem Staatsrat in Brüssel teilgenommen. In einem bislang beispiellosen Verfahren trägt die StädteRegion Aachen in diesem Klageverfahren vor, dass es keine gültige Genehmigung für die Wiederinbetriebnahme des Reaktors gibt. Der Reaktor Tihange 2, der wegen tausender Einschlüsse von Wasserstoffflocken im Druckbehälter als „Rissereaktor“ bekannt wurde, war im Dezember 2015 nach einer langen Stilllegungsphase wieder ans Netz gegangen. Hiergegen hat die StädteRegion am 5. Februar 2016 vor dem Staatsrat Klage eingereicht. Zuvor hatte sich der Städteregionstag in seiner Sitzung am 10. Dezember 2015 mit der Angelegenheit befasst und den Städteregionsrat legitimiert, die Möglichkeiten einer juristischen Auseinandersetzung zu prüfen.

Beklagte in diesem Verfahren sind die belgische Atomaufsicht FANK unter Beteiligung des Betreibers Electrabel, die ihrerseits versuchen, die Klage wegen einer ihrer Meinung nach gegebenen Überschreitung der Klagefrist abzuweisen. „Anstelle einer juristischen Prüfung, ob Tihange 2 überhaupt wieder hätte ans Netz gehen dürfen, wurde ausschließlich über die Frage diskutiert, wann ein Sachverhalt als hinreichend bekannt anzunehmen ist“, resümieren die Vertreter  der Klägerseite. Nach deren Rechtsauffassung und die der Anwälte kann es nur die Lesart geben, dass die Frist frühestens mit dem Tag begonnen hat, an dem die Fraktionsvorsitzenden die Resolution eingereicht haben. Das war am 7. Dezember 2017. “Nach meiner Überzeugung jedoch erst mit dem Tag, an dem der verfassungsrechtlich allein zuständige Städteregionstag die Klageentscheidung getroffen hat. Und damit wäre die Klage fristgerecht eingereicht“, erklärt der Vertreter der Klägerseite. Ob es noch in diesem Jahr zu einer Entscheidung des Staatsrates kommt, ist derzeit noch nicht absehbar.

Nach der formal-juristischen Auseinandersetzung vor dem Staatsrat hofft man seitens der Städteregion Aachen, auf eine intensive inhaltliche Prüfung der Sicherheit des Reaktors im Rahmen der zweiten Klage vor dem Gericht der ersten Instanz. „Im Rahmen dieser Betroffenheitsklage, bei der neben der StädteRegion insbesondere natürliche Personen, Unternehmen und die Stadt Maastricht klagen, haben wir das Gericht gebeten, weitere Argumente zuzulassen. Diese würden dann als neue Fakten in das laufende Verfahren eingebracht. Hierbei handelt es sich um das bedrohliche Abbröckeln von Beton in den Sicherheitsbunkern und fehlende Baupläne von Gebäuden, in denen Notfallsysteme untergebracht sind“, erläutert die Klägerseite. Das Gericht wird bis Mitte November entscheiden, ob es die neue Eingabe zulässt. Dann allerdings mit der Folge einer Verlängerung des Verfahrens, weil den Beteiligten erneut Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden muss. Sollte die Eingabe weiterer Argumente nicht möglich sein, würde schon am 23. November eine Verhandlung vor dem Gericht der ersten Instanz stattfinden.

„Das Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften in Wien und die Vereinigung internationaler Experten INRAG haben festgestellt, dass die vorhandenen Sicherheitsreserven möglicherweise nicht ausreichend sind und dass wir im Falle einer Super-Gaus vergleichbar mit Fukushima betroffen wären. Vor diesem Hintergrund werden wir uns auch weiterhin zum Schutz der Bevölkerung gegen den Betrieb des Reaktors Tihange 2 engagiert einbringen!“, so der Vertreter der Städteregion.

In beiden Verfahren sind die Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz den Klagen beigetreten. Außerdem haben sich weit über 100 Kommunen aus den Niederlanden, Luxemburg und Deutschland den Aktivitäten der StädteRegion Aachen gegen Tihange 2 angeschlossen.

 

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