Neue Attraktion am Flugplatz Bitburg & Trier

Flugplatz Bitburg. Es weht ein Wind mit 25 Knoten. Normale Hobbypiloten lassen ihre Maschine jetzt lieber im Hangar. Zu heftig der Wind. Nicht so für Gyrocopter. Sagt jedenfalls der Pilot, Thorsten Anker (38): "Der Wind geht durch den Gyrocopter einfach hindurch, weil er kaum Angriffsfläche bietet.

Sein Wort in Gottes Ohr, denke ich, während mein Blick das seltsame Fluggerät vor uns mustert. Es sieht aus wie ein Eisbob mit Propeller. Oder als hätte Daniel Düsentrieb es in Entenhausen entworfen. Weder Flugzeug noch Hubschrauber, er soll aber fliegen – und sicher wieder landen! "Letztlich ist es eine Windmühle", erklärt der Pilot die Funktionsweise des Zweisitzers. Sehr beruhigend. Und damit wollen wir gleich abheben.

Thorsten Anker reicht mir einen Overall. Oben wird es kälter, und zwar pro Hundert Meter Flughöhe um ein Grad. Schließlich fliegen wir offen, ohne schützendes Chassis. Vorm Herausfallen schützen allein die Sicherheitsgurte. "Und nicht wundern, wenn ich oben mal den Motor abstelle", erklärt Thorsten Anker per Funk, während wir bereits losknattern, "der Gyrocopter fliegt auch ohne Motorkraft eine Weile weiter!"

Bevor ich mich wirklich wundern kann, sind wir bereits in der Luft. Schwupp, einfach so. Ohne Rütteln und Schütteln steigen wir auf. Und erst als ich mich über die dünne Kunststoffwand beuge und die Felder und Äcker der Eifel erblicke, die nur noch ein Mosaik bilden, wird mir klar, dass wir wirklich fliegen. Immer kleiner erscheint die Welt da unten, und immer weiter öffnet sich der Blick. Der Pilot streckt seine linken Arm aus: "Schau, da hinten, da ist Echternach." Was für eine phantastische Sicht. Der Pilot neigt den Gyrocopter – "technisch gesehen wie beim Fahrrad" – in die Kurve: "Dahinten, die Mosel und Trier". Der Dom, Römerbrücke alles gut zu erkennen.

Wir stehen im Wind

Nahezu lautlos stehen wir jetzt auf 2800 Fuß Höhe im Wind. Tatsächlich, Anker hat den Motor ausgeschaltet. Ohne dass wir sinken. Keine Tragflächen links und rechts für einen Gleitflug, kein Fallschirm an Bord. Wie kann das funktionieren?
Das Prinzip ist sehr einfach und wurde bereits 1923, also noch vor dem Helikopter, entwickelt. Eigentlich wundert man sich nur, wieso Gyrocopter, auch Tragschrauber genannt, erst seit ein paar Jahren in Deutschland zugelassen sind. Ein 100 PS starker Ottomotor treibt den Heckpropeller des Gyrocopter an. Das sorgt für den nötigen Vorwärtsschub. In der Startphase wird damit auch der zweiflügelige Rotor betrieben. Sobald genug Fahrt da ist, wird der aber ausgekuppelt und dreht sich allein durch Gegenwind. Daher das Prinzip "Windmühle". Ab etwa 300 Umdrehungen wirkt der Rotor wie eine Scheibe, die den Tragschrauber vom Sinken abhält. Dafür braucht es mindestens Wind mit 30 km/h, der auf die Flügel des Rotor trifft; die entstehen entweder als Fahrtwind oder, so wie jetzt, allein durch den normalen Wind. Der Helikopter fliegt, weil sich der Rotor dreht. Beim Gyrocopter dreht sich der Rotor, weil der Copter fliegt.

Von der Stelle kommt man so aber natürlich nicht. Anker schmeißt den Motor wieder an. Allein der Heckpropeller treibt den Tragschrauber vorwärts – mit bis zu 180 Stundenkilometern. Normale Reisegeschwindigkeit, so Anker, sind 130 km/h.

Punktgenaue Landungen

Jetzt ist es 14 Uhr; theoretisch könnten wir noch vor Einbruch der Dunkelheit München erreichen; in der Nacht dürfen Gyrokopter nicht fliegen. Würde unser Treibstoff reichen? Das hängt stark von den Windverhältnissen ab: Mit genügend Rückenwind liegt die Reichweite bei 600 Kilometern. Nonstop Bitburg – München wäre bei einem Verbrauch von 14 Liter Super auf hundert Kilometer möglich. Notfalls kann man ja unterwegs auftanken. "Ich kann den Gyro auf einer Fläche von etwa zehn mal zehn Metern punktgenau aufsetzen", verspricht Thorsten Anker. Na ja, das reicht doch für den Parkplatz einer Tankstelle. Landungen außerhalb von Flughäfen sind allerdings nur in Notfällen erlaubt: Druck auf der Blase etwa oder plötzlicher Schwindel.

Fliegen im Gyrocopter
Flugschule Incentive Aviation
E-Mail: info@incentive-aviation.com
Internet:  www.incentive-aviation.com

Ansonsten muss ein Flugplatz angesteuert werden. Etwa 400 davon gibt es in Deutschland. Praktisch steht einer Reise quer durch Deutschland also nichts im Wege, oder auch ans Mittelmeer, immer der Sonne nach. Da ist es auch nicht so kalt. Ungeahnte Möglichkeiten tun sich auf: Besonders auf dem Land sind Start (mindestens 30 Meter "Anlaufstrecke") und Landung kein Problem.
Als James Bond in "Man lebt nur zweimal" mit dem Tragschrauber "Little Nelly" 1966 feindlichen Kampfhubschraubern hinterher jagte, hätte sich niemand träumen lassen, dass so ein Gerät ab 70.000 Euro bald für jedermann zur Verfügung stehen würde. Der Pilotenschein dazu kann man bereits für etwa 5000 Euro machen. Ein Hubschrauber kostet in Anschaffung und Betrieb das Zehnfache eines Tragschraubers. Und das macht den Gyrokopter auch für den professionellen Einsatz interessant. Bereits die Brandenburger Polizei setzte den Gyrocopter zur Verkehrsüberwachung ein. Jetzt ist eine neue „Behördenversion“ im Bau. Ausgestattet mit modernster Kameratechnik sind KFZ Kennzeichen aus 400 Meter Entfernung zu identifizieren. Erstmalig präsentierte Anker den neuen Behördengyrocopter auf der Sicherheitsmesse in Dubai. Wir landen wieder in Bitburg. Was für ein Erlebnis! Es hat richtig Spaß gemacht.
www.rotortec-government.com

 

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