Geldautomaten immer öfters mit Festsprengstoff attackiert

Von Jens Albes, dpa 

Mainz/Koblenz (dpa/lrs) – Geldautomaten-Knacker steigen auch in Rheinland-Pfalz zunehmend von Gasgemisch auf Festsprengstoff um. Hintergrund für den bundesweiten Trend ist laut Polizei, dass viele dieser Automaten inzwischen explosives Gas neutralisieren und Explosionen verhindern können. Festsprengstoff kann jedoch immense Schäden verursachen – ganz zu schweigen von der Gefahr für Leib und Leben der Anwohner. In Rheinland-Pfalz betrug der Anteil von Attacken auf Geldautomaten mit diesem Explosivmittel nach Angaben des Landeskriminalamts (LKA) 2018 noch lediglich acht Prozent. 2019 sei er auf 14, 2020 auf 37 und in diesem Jahr auf 75 Prozent gestiegen.

In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Sprengungen von Geldautomaten bundesweit insgesamt zugenommen. Im Vergleich zum Banküberfall sind diese Attacken aus Tätersicht weniger riskant: Gesprengt wird meist nachts ohne Zeugen in der Nähe. Außerdem sind die Strafen für klassische Raubüberfälle in Banken höher.

In Rheinland-Pfalz hat es erst in der Nacht zum Freitag (3.12.) einen neuen Fall gegeben: Auf dem Unicampus in Mainz wurde laut Polizei gegen 3.00 Uhr ein frei stehender Geldautomat gesprengt und erheblich beschädigt. Zeugen zufolge flohen mehrere Menschen in einem dunklen Auto. Zur Sprengmethode und möglichen Beute machte die Polizei wegen der laufenden Ermittlungen zunächst noch keine Angaben.

Mehr Klarheit herrscht hier bei einem Prozess, der am Freitag (3.12.) vor dem Landgericht Koblenz begonnen hat. Der Angeklagte soll laut Staatsanwaltschaft mit einem bereits zu viereinhalb Jahren Haft verurteilten Mittäter im März 2019 in Bad Neuenahr-Ahrweiler einen Geldautomaten in einer Bank gesprengt haben. Beide hätten mit einem Brecheisen das Bedienmodul herausgehebelt, in dem Hohlraum darunter damals noch ein Gasgemisch eingeleitet und es mit einem Elektroschocker über eine Zündleitung explodieren lassen. Der Anklage zufolge erbeutete das Duo fast 100.000 Euro, verlor aber 22.250 Euro auf der Flucht mit einem später in die Ahr geschmissenen Motorroller. Beim Prozessauftakt am Freitag äußerte sich der 30-jährige Angeklagte laut einer Gerichtssprecherin vorerst nicht zu den Vorwürfen.

Zum Abschluss der Innenministerkonferenz (IMK) von Bund und Ländern forderte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) am Freitag in Stuttgart die Banken auf, mehr für die Sicherheit ihrer Geldautomaten zu tun. Schließlich gingen von diesen Taten Gefahren für Bankkunden und Anwohner aus, die im schlechtesten Fall durch die Sprengung erheblich verletzt werden könnten. Sein rheinland-pfälzischer Amtskollege Roger Lewentz (SPD) begrüßte nach eigenen Worten «die Prüfbitte der IMK an das Bundesinnenministerium, sich für eine rechtliche Verpflichtung von Herstellern und Betreibern von Geldautomaten» für mehr Sicherheit einzusetzen.

2020 war mit 35 versuchten und erfolgreichen Automatensprengungen in Rheinland-Pfalz das bisherige Rekordjahr. 2021 kam es bislang laut LKA zu 21 derartigen Straftaten. Oft übersteige der Sachschaden die Beutesumme. Nach jüngsten Zahlen des Innenministeriums in Mainz erbeuteten Geldautomaten-Knacker 2020 insgesamt gut 2,1 Millionen Euro im Land. «Der Gesamtschaden inklusive der Gebäudeschäden liegt bei mehr als 4,4 Millionen Euro», hieß es weiter. 2019 wurde zudem laut dem LKA ein eigener Mitarbeiter bei der kriminaltechnischen Untersuchung von sichergestelltem Festsprengstoff leicht verletzt.

Die Aufklärungsquote bei Sprengungen von Geldautomaten erreichte nach Angaben des LKA im vergangenen Jahr im Bundesland 54 Prozent – und in diesem Jahr bislang einen deutlich niedrigeren Wert. Allerdings laufen noch Ermittlungen.

Oft kommen Geldautomaten-Knacker mit schnellen Wagen in der Dunkelheit, sprengen sich das Bargeld frei und brausen davon – auch ohne Licht. Nicht selten sind es laut Europol Täter aus den Niederlanden. Auch im aktuellen Prozess vor dem Landgericht Koblenz soll der Angeklagte einer Bande in dem Nachbarland angehört haben.

Nach Angaben der Deutschen Kreditwirtschaft haben die Banken in der Bundesrepublik schon einiges getan, um ihre Automaten sicherer zu machen. Das reiche von der Schließung besonders gefährdeter Automaten in der Nacht über die Aufschaltung von Einbruchsmeldungen bis eben zum Einsatz von Anti-Gas- und Vernebelungssystemen.

Auch das LKA in Mainz empfiehlt beispielsweise Videoüberwachung sowie weniger Bargeld in den Automaten. Die Präventionsstellen der Polizei beraten Banken und Sparkassen. «Durch die Umsetzung eines individuellen und gestaffelten Sicherungskonzeptes können viele Taten und Tatgelegenheiten deutlich erschwert, unterbunden beziehungsweise Taten auch besser aufgeklärt werden», erklärte die Polizeibehörde.

 

 

 

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