Kritik: Krisenstab verteidigt Einsatz im Katastrophengebiet

Bad Neuenahr-Ahrweiler (dpa/lrs) – Im Katastrophengebiet an der Ahr hat die vierte Woche nach der Sturzflut vom 14. Juli begonnen. Nach wie vor sind Tausende Menschen auf Hilfe angewiesen. Der Krisenstab verteidigte den Einsatz gegen Kritik.

«Eine Unmenge von Material, Versorgungsgütern und Gerätschaften» sei «möglichst bedarfsgerecht und zielorientiert» in die Flutregion gebracht worden, sagte der Leiter des Krisenstabes, Thomas Linnertz, am Donnerstag in Bad Neuenahr-Ahrweiler. «Wir haben seit Einsatzbeginn grob geschätzt etwa 20.000 Helfer aus dem ganzen Bundesgebiet hier gehabt.»

Die Einsatzleitung bemühe sich kontinuierlich darum, möglicherweise entstehende Reibungsverluste abzustellen, sagte Linnertz. Er habe Verständnis dafür, «dass es manchmal aus dem Blickwinkel eines Helfers vor Ort auch Kritik an der Arbeit gibt». Die Regeln dafür seien allerdings durch eine Dienstvorschrift vorgegeben, die bundesweit für alle Hilfsorganisationen maßgeblich sei.

Linnertz sagte, dass die Zerstörung von Straßen und Telefonnetzen die Hilfeleistung in den ersten Tagen beeinflusst habe. Es sei nicht so einfach gewesen, «immer adäquate Lagebilder zu bekommen». Nach wie vor seien fast täglich 4000 professionelle Helfer aus dem Bundesgebiet an der Ahr im Einsatz. Täglich würden rund 20.000 Menschen mit warmen Mahlzeiten versorgt. Zudem würden jeden Tag 100.000 Liter Diesel an Hilfsfahrzeuge «vertankt», an 30 Infopunkten gebe es ständig Ansprechpartner ebenso wie Trinkwasser oder Internet-Zugänge.

Bis zu 10.000 warme Mahlzeiten kochen Helfer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) derzeit täglich für Betroffene der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal. Dazu sei in der Gemeinde Grafschaft ein großes Verpflegungszentrum in Betrieb genommen worden, teilte eine Sprecherin des DRK mit. Das Essen werde von dort an rund 15 Ausgabestellen im Kreis Ahrweiler ausgefahren und verteilt.

Mit dem Kochen der Mahlzeiten würden 110 Helferinnen und Helfer um 2.00 Uhr nachts beginnen. «Sie kochen drei Durchgänge, um morgens das Essen abzufüllen», sagte die Sprecherin. Zudem würden weitere bis zu 10.000 Lunchpakete gepackt, die mit dem Essen verteilt würden. Das Ausfahren der Mahlzeiten übernehmen demnach 70 weitere Helfer. Feste Standorte zur Ausgabe gebe es zum Beispiel in verschiedenen Stadtteilen von Bad Neuenahr-Ahrweiler. Das DRK hat im Ahrtal auch drei mobile Arztpraxen im Einsatz.

Weiterhin ungebrochen ist die Unterstützung aus ganz Deutschland und darüber hinaus. Die Hilfsaktion «Flutwein» für Weingüter und Restaurants im Katastrophengebiet sammelte bis Donnerstag mehr als 2,5 Millionen Euro. Die Kampagne ist eine Initiative des Ahrwein-Vereins mit örtlichen Gastronomen. Die Spender können als ein Dankeschön von der Flutkatastrophe gezeichneten Wein bekommen. «Die Winzerinnen und Winzer haben die Weinflaschen so gelassen, wie sie gefunden wurden – originalverschlammt», erklärte der Verein Ahrwein. Jede einzelne Flasche sei somit ein Unikat und limitiert.

«Das gibt Mut für den Wiederaufbau», sagte Winzer Peter Kriechel am Donnerstag. «Wir haben nie mit dieser Resonanz gerechnet.» Das Miteinander von Gastronomie und Weinbau im neuen Verein «Ahr – A wineregion needs Help for Rebuilding» stehe auch im Zusammenhang mit der Erfahrung der Corona-Zeit, als die Gastronomie in der Zeit der Restaurant-Schließungen von Weinbaubetrieben unterstützt worden sei.

Die Aktion «Flutwein» ist eine von mehreren Initiativen für die von der Sturzflut am 14. Juli schwer getroffene Weinbauregion. Eine weitere Aktion ist die «solidAHRität», für die am Donnerstag in Bodenheim am Rhein gespendeter Wein in Kisten verpackt wurde. Winzer und Weinhändler aus Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Südtirol, Griechenland, Österreich und Südafrika haben nach Angaben des Deutschen Weininstituts rund 200.000 Flaschen Wein gespendet, die jetzt von ehrenamtlichen Helfern in Überraschungspakete mit jeweils sechs Flaschen gepackt werden.

Die Schäden in den Weinbaubetrieben an der Ahr werden auf 110 Millionen Euro geschätzt, bei den Winzergenossenschaften an der Ahr auf rund 50 Millionen Euro. Inzwischen gebe es auch einen Überblick zu den von der Sturzflut zerstörten Weinbergsflächen, vor allem in niederen Lagen, sagte Kriechel. «Auf etwa 50 Hektar steht kein Stock mehr.» Das sind fast zehn Prozent der gesamten Rebfläche im Weinanbaugebiet Ahr.

 

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen