Wiederaufbauhilfe startet: Anträge ab Montag

Mainz (dpa/lrs) – Die von der Flutkatastrophe Mitte Juli betroffenen Privatleute, Unternehmen, Landwirte, Winzer, Gemeinden und Vereine in Rheinland-Pfalz können ab Montag Geld für den Wiederaufbau beantragen. «65.000 Menschen in Rheinland-Pfalz sind von der Flut betroffen. Mehr als 40.000 allein im Ahrtal», sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Freitag bei der Vorstellung des Verwaltungsverfahrens, auf das sich die Landesregierung zur Auszahlung der Hilfen geeinigt hat. Geltend gemacht werden können demnach beispielsweise zerstörte oder beschädigte Gebäude, Hausrat und Maschinen, aber auch Miet- und Einnahmeausfälle.

Privatleute

Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) schätzt, dass allein für die Erstattung zerstörten Hausrats 20.000 bis 30.000 Anträge eingehen werden. Dazu kommen dann noch einmal schätzungsweise 8000 weitere Verfahren für beschädigte oder zerstörte Gebäude. Das elektronische Antragsverfahren soll möglichst unkompliziert und zügig abgewickelt werden. So sollen Privatleute für Schäden an ihrem Hausrat Pauschalen erhalten, Ein-Personenhaushalte beispielsweise 13.000 Euro. Leben mehr Personen in dem Haushalt, gibt es gestaffelt auch mehr Geld. Auch Abschlagszahlungen sind möglich. Ahnen hofft, dass diese Anträge binnen einer Woche abgewickelt werden können.

Privatleute erhalten zudem Hilfen für die Beseitigung der Schäden an ihren Häusern. Gefördert wird auch ein Neubau als Ersatz für ein zerstörtes Gebäude – gegebenenfalls auch an anderer Stelle, wenn beispielsweise der Wiederaufbau am alten Ort wegen Hochwassergefahr nicht mehr sinnvoll erscheint. Zuschüsse gibt es laut Ahnen in der Regel in Höhe von 80 Prozent der Kosten für die «Wiederherstellung nach heutigem technischen Standard». Dreyer betonte: «Der Wiederaufbau soll modernsten energetischen Standards entsprechen»

Gebäudeschäden muss sich ein Antragsteller oder eine Antragstellerin von der jeweiligen Gemeinde bestätigen lassen, außerdem ist das Gutachten eines oder einer Sachverständigen nötig. Die Kosten dafür werden ebenfalls gefördert. Die Finanzministerin wollte sich nicht darauf festlegen lassen, wie lange die Bearbeitung dieser Anträge dauern wird. Das hänge von der «Komplexität des jeweiligen Einzelfalls ab» – etwa bei der Errichtung eines Hauses an einer anderen Stelle.

Abwicklung und Informationen

Zuständig für die Abwicklung der Wiederaufbauhilfe ist die landeseigene Investitions- und Strukturbank (ISB). Dort können die Anträge gestellt werden, zusätzlich gibt es Online-Informationen und ein Servicetelefon. Auch an sogenannten Infopoints in dem Katastrophengebiet können Betroffene Online-Anträge ausfüllen. Zudem sollen bei Bürgerkonferenzen Fragen geklärt werden.

Unternehmen

Auch viele Betriebe haben unter den Folgen der Flutkatastrophe zu leiden. Wirtschaftsministerin Daniele Schmitt (FDP) sagte den 3000 betroffenen Mittelständlern, Handwerkern und Selbstständigen sowie den 270 landwirtschaftlichen und 200 Weinbaubetrieben «praxisnahe und schlanke Abläufe» bei der Wiederaufbauhilfe zu. Die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer sollen den Betrieben bei der vorgeschriebenen Identitätsprüfung helfen. Erstattet werden sollen in der Regel 80 Prozent der Kosten für die Beseitigung der Schäden an Gebäuden und Maschinen, in Härtefällen bis zu 100.

Vorgeschrieben ist eine Bescheinigung der örtlichen Gemeinde, dass der Betrieb bei der Flut vom 14./15. Juli beschädigt wurde oder wegen zerstörter Infrastruktur nicht mehr zu erreichen ist, sowie ein Gutachten zur Schadenshöhe. Um die Bearbeitung zu beschleunigen, muss laut Landesregierung zunächst nicht das komplette Dokument eingereicht werden, sondern eine Bescheinigung des Gutachters oder der Gutachterin. Bei Gewerbebetrieben ist die ISB zuständig, bei Landwirtschaft und Weinbau das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel.

Infrastruktur

Klimaschutzministerin Anne Spiegel (Grüne) wies darauf hin, dass bei der Flutkatastrophe auch Hunderte Kilometer an Wasserleitungen und Kanäle zerstört wurden. «Abwasser ging und geht teilweise immer noch ungeklärt in die Ahr», sagte sie. Auch 115 Kilometer Bahnschienen seien beschädigt oder teilweise zerstört worden. Der Wiederaufbau in dem Gebiet müsse sich an den Erfordernissen des Klima- und des Hochwasserschutzes orientieren. 

 Kommunen

Aus dem Fördertopf sollen bis zu 100 Prozent der Wiederaufbaukosten der öffentlichen Infrastruktur wie Rathäuser, Straßen, Schulen, Kindergärten, Spielplätze und Feuerwehrhäuser bezahlt werden, wie Innenminister Roger Lewentz (SPD) erklärte. Besonders betroffene Gemeindeverwaltungen sollen personell gestärkt werden. Zuschüsse erhalten laut Lewentz auch private Träger sozialer Infrastruktur wie gemeinnützige Vereine. 

Fördertopf

Der Landtag hatte am Donnerstag in einem verkürzten Verfahren wichtige finanzielle und rechtliche Grundlagen für den Wiederaufbau geschaffen. Einstimmig verabschiedeten die Abgeordneten aller sechs Fraktionen ein Gesetz zur Einrichtung eines Sondervermögens und ein Gesetz zur Erleichterung des Wiederaufbaus. Die Mittel für den Wiederaufbau stammen aus dem von Bund und Ländern vereinbarten Hilfsfonds in einer Gesamtsumme von 30 Milliarden Euro, von denen laut Ahnen etwas mehr als die Hälfte an Rheinland-Pfalz geht. Die rund 15 Milliarden Euro seien eine gewaltige Summe, «und die ist auch notwendig», sagte die Finanzministerin.

 

 

 

 

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