Bedroht von Wasser, Schlamm und Schimmelpilz

Pfarrarchive von Hochwasser in der Eifel betroffen

Foto: Bistum

Trier – „Bei all der Dramatik und Not, bei all dem, was durch das Hochwasser zerstört wurde, ist es bewundernswert, wie besonnen und bedacht einige Pfarrsekretärinnen sich um die Sicherung des Schriftgutes und der Kirchenbücher bemüht haben“, betont Dr. Monica Sinderhauf. Sie ist die Leiterin des Trierer Bistumsarchivs und hat berufsbedingt eine ganz eigene Perspektive auf die Flutkatastrophe in der Eifel. Denn vom Wasser bedroht waren auch die Pfarrarchive, die Akten in den Pfarrbüros und die Kirchenbücher in den überfluteten Gebieten. Um sie zu retten, braucht es schnelles Handeln, Fachwissen – und bei durchnässtem Schriftgut eine Gefriertruhe.

Besonders hart getroffen habe es die Pfarrbüros in Bad Neuenahr und in Ahrbrück. „Wo die Infrastruktur in den Büros zerstört wurde, wurden auch die Aufbewahrungsorte der Akten zerstört: Schränke, Ordner und Register“, berichtet Sinderhauf. Dabei sei es für die Archivare in dieser Situation entscheidend, schnell an die vom Schlamm bedeckten Akten heranzukommen. „Wenn der Schlamm erst einmal getrocknet ist, haftet er wie Beton am Papier und geht mit ihm eine unzertrennliche Verbindung ein. Das Schriftgut ist dann faktisch verloren.“ Ein weiteres Problem: Wenn Papier zu lange im Wasser liegt, fördert das nicht nur die Auflösung der Substanz, sondern auch die Vermehrung von Schimmelpilzsporen, die sich sehr schnell in dem aktuell feucht-warmen Klima verbreiten, „und das schon nach wenigen Tagen“.

Schnelles Handeln ist entscheidend

Um eine Akte oder ein Kirchenbuch zu retten, müsse dieses so schnell wie möglich mit klarem Wasser gereinigt, dann in Folie verpackt und eingefroren werden. „Beim Einfrieren werden alle Prozesse gestoppt, im wahrsten Sinne des Wortes eingefroren“, erklärt Sinderhauf. „Beim späteren Gefriertrocknen geht das zu Eis kristallisierte Wasser direkt in den gasförmigen Zustand über, ohne dass auch nur ein Tropfen Flüssigkeit auftritt.“ Das auf diese Weise getrocknete Schriftgut könne dann konservatorisch und restauratorisch weiterbearbeitet werden – es wird weiter gereinigt, Amtsbücher neu gebunden. So die Theorie. In der Praxis fehlte aber im Ahrtal auf Grund der zerstörten Infrastruktur die Möglichkeit, mit sauberem Wasser den Schlamm abzuspülen.

Durch die schnelle Reaktion der Landesstelle für Bestandserhaltung in Rheinland-Pfalz war eine Spezialfirma mit der Sicherung von verschlammtem und durchnässtem Schriftgut in Bad Neuenahr beauftragt, von der auch das dortige so schwer betroffene Pfarrbüro profitierte. Die Landesstelle hat sich die Sicherung von Kulturgut aller staatlichen, kommunalen und kirchlichen Einrichtungen des Landes auf ihre Fahnen geschrieben und steht mit dem Bistumsarchiv Trier von Anfang an in Verbindung. Mit Unterstützung einer katastrophenerfahrenen Archivarin konnten so die Kirchenbücher und wichtigsten Dokumente der Pfarrgemeinde zur ersten Reinigung und zum Einfrieren gegeben werden.

Auch in Trier gibt es mit dem 1973 gegründeten Club Aktiv – Selbsthilfeverein von Menschen mit Behinderung – ein Angebot für Akten- und Bucherhaltung, die ebenfalls für viele geschädigte Einrichtungen der Eifel und in Luxemburg durchnässte Unterlagen zum Trocknen und Reinigen übernommen haben. Dort hat das Bistumsarchiv einen Teil des Pfarrarchivs aus Mettendorf zur Rettung gegeben. „Nass“, so kamen die Dokumente aus Mettendorf in der Werkshalle, berichtet Christa Schäfer. Sie leitet die Club Aktiv GmbH Akten- und Buch-Erhaltung. Seit einem ersten Einsatz – nach einem Wasserrohrbruch 1996 im Trierer Stadtarchiv – hat sich das Unternehmen zu einem der führenden in Deutschland entwickelt. Auch nach dem Brand in der Rendantur des Bistums Trier in Koblenz wurden hier die Unterlagen behandelt. Zunächst wurden die Papiere aus Mettendorf getrocknet um Schimmelbildung zu verhindern, jetzt wird gemeinsam mit dem Bistumsarchiv das weitere Vorgehen abgestimmt.

Pfarrarchiv als Gedächtnis einer Pfarrei

Warum betreibt man für Schriftgut einen solchen Aufwand? „Akten, Fotos oder Amtsbücher sind Unikate – die Dokumente sind Einzelstücke, die, wenn sie verloren gehen, nicht mehr ersetzt werden können“ betont Sinderhauf. „Dieses Schriftgut ist eine Gedächtnisstütze für nachfolgende Generationen. Werden durch solche Katastrophen Lücken gerissen, geht Wissen und Erinnerung verloren.“ Letztlich sei das Bistum bezogen auf die Kirchenarchive noch glimpflich davon gekommen. „Einige Pfarrämter lagen oberhalb des Hochwassers, in manchen wurden die archivwürdigen Unterlagen zu einem früheren Zeitpunkt nach Beratung durch das Bistumsarchivpersonal aus den Kellern in obere Stockwerke umgeräumt. Und andere Pfarrarchive, wie etwa in Trier-Ehrang, werden im Bistumsarchiv aufbewahrt.“ Auch in der Nacht des Hochwassers vom 14. auf den 15. Juli, seien Akten oft von umsichtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Pfarreien gerettet worden. „Gerade den Pfarrsekretärinnen gebührt da ein großes Lob, sie haben sehr schnell und sehr umsichtig reagiert.“ Sie denke da etwa an Ahrbrück, wo noch während das Wasser anstieg, die Kirchenbücher unter das Dach gerettet wurden.

Mit dem Abstand von einigen Wochen könne man eine erste Bilanz ziehen, was unmittelbare Schäden an den Pfarrarchiven und Pfarr-Registraturen betrifft, sagt Sinderhauf. Aber zu bedenken bleibe: In den hochwassergeschädigten Regionen, besonders im Ahrtal, sind die klimatischen Bedingungen für eine Lagerung von wertvollen Dokumenten zurzeit sehr ungünstig, mit warmem Wetter und gleichzeitig hoher Luftfeuchtigkeit. „Bei zu hoher Luftfeuchte und wenig Luftbewegung sind ideale Bedingungen gegeben, dass sich Schimmelpilz bildet. Deshalb muss darauf geachtet werden, dass die Lagerorte von Pfarrarchiven immer gut gelüftet und regelmäßig kontrolliert werden.“

Bei Fragen stehen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Bistumsarchivs in Trier jederzeit zur Verfügung (bistumsarchiv@bgv-trier.de oder Telefon: (0651) 966 27 0).

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