Ökokonto – Forstamt Gerolstein Alt- und Totholzprogramm

Gerolstein. „Was bedeutet der rote Punkt am Stamm uralter Eichen?“ erkundigten sich Gerolsteiner Naturfreunde bei  Streifzügen durch den heimischen Wald. Die sorgenvolle Anfragen: „Geht es den hölzernen Riesen an den Kragen?“ erreichten Gebietsförster Jürgen Sohns. Als mitverantwortlicher Projektbetreuer des „Alt- und Totholz-Programm“ des Forstamts Gerolstein stand er gerne zum  Thema „Öko-Konto“ Rede und Antwort.

„Die so markierten  Bäume stehen unter einem besonderen Schutz!“, so Jürgen Sohns. „Diese Zeichen, die roten Punkte, werden durch kleine Metallschilder ergänzt, die in etwa 3 Meter Höhe an den Baumstämmen angebracht werden. Es sind Kennzeichnungen, versehen mit einer fortlaufenden Nummerierung, die den ausgesuchten Bäumen dank eines landespflegerischen Projektes eine unbeschadete Zukunft garantieren“, erklärte er. In Absprache zwischen Forstverwaltung, der Unteren Naturschutzbehörde der Kreisverwaltung (ehemals Landespflegebehörde) und den Waldbesitzern wählt das Forstamt die Erhaltung und Sicherung von „Alt- und Totholzstrukturen“ als Kompensationsmaßnahmen aus.

Mit anderen Worten: „Mehr als 350 Bäume im Staatswald Mürlenbach, in den Gemeindewäldern Birresborn, Neroth und Pelm wurden bereits aus der forstlichen Nutzung genommen und bewusst ihrer natürlichen Entwicklung bis zum Absterben und vollständigen Verrottung überlassen. Noch lange nicht jeder Baum kommt dafür infrage. Zur Auswahl stehen Eichen, Buchen und Edellaubhölzer, wie z. B. Kirschen, Bergahorn, Ulmen, Eschen.

Strenge Kriterien müssen erfüllt werden. Das Alter der Bäume ist nicht in erster Linie ausschlaggebend, wohl aber die Dimension. Vorgeschrieben ist ein Brusthöhendurchmesser (abgekürzt BHD; das ist der  Durchmesser in 1,30m Höhe) von 55 – 60 cm. Bei seltenen Laubhölzern, wie z.B. Kirschen und Elsbeeren kann der BHD auch darunter liegen.

Auch ist auf die Verkehrssicherungspflicht und Unfallverhütungsvorschriften zu achten, damit Gefahrenpotentiale möglichst vermieden werden oder die zukünftige Bewirtschaftung der angrenzenden Waldbestände nicht eingeschränkt wird. Die Frage, in welchen Arbeitsschritten vorgegangen wird, beantwortete Herr Sohns gerne. „Bei den sogenannten ‚Außenaufnahmen des Objektes’ wird der Baum nach bestimmten Kriterien ausgewählt. Die Baumart wird festgestellt, der Umfang wird ermittelt, mithilfe eines GPS-Gerätes die Standortdaten (Längen- und Breitengrade) festgehalten, ein Foto vom Baum angefertigt, die Daten in Tabellen eingepflegt und die Bäume in einer Luftbildkarte eingetragen. Danach wird ein Maßnahmenplan bezüglich der Pflege der alten Bäume erstellt und durchgeführt. (Diese Pflegemaßnahmen bestehen z.B. im Aushieb von Bedrängern.)

Erfüllt eine ökologische Maßnahme den Kriterienkatalog der unteren Naturschutzbehörde (im Wald, z.B. Aufhieb von Talsohlen zur Entwicklung naturnaher Bachauewälder, Schaffung von Alt- und  Totholzstrukturen), wird diese anerkannt und auf  dem sogenannten „Öko-Konto“ verbucht. Im sogenannten Ökokonto können Maßnahmen und Projekte, die der Natur in verschiedenen Bereichen förderlich sind, als vorgezogenen Kompensationsmassnahme zum Ausgleich späterer Eingriffe in die Natur (z.B. Wege- und Straßenbau, Ausweisung von Bau- und Gewerbegebieten) eingebucht werden.

Steht nun z.B. ein konkretes Vorhaben an (Industriegebiet, Straßenbau u.a.) für das gemäß Naturschutzgesetz Ausgleichsmaßnahmen fällig sind, können auf diesem Öko-Konto auf Vorrat verbuchte Aktionen abgebucht und damit finanziert werden. Voraussetzung ist ein räumlicher und vor allem funktionaler Zusammenhang zum entsprechenden Bauprojekt. Ein entscheidender Vorteil des Öko-Kontos ist die gemarkungs-grenzübergreifende Nutzungsmöglichkeit.

Entdeckt man im Wald also diese Objekte in Form von alten, absterbenden oder bereits abgestorbenen Bäumen zeugen sie nicht von „nachlässiger Waldbewirtschaftung“ sondern sind ein Beweis, dass der hohe ökologische Wert dieses Biotopholzes erkannt und gefördert wird.

Die Altholzbestände bilden die Lebensgrundlage für 30 heimische Vogelarten, von denen 29 bereits in ihrem Bestand als gefährdet anzusehen sind. Höhlenbrüter – wie  der Specht z.B. – sind besonders eng an alte Bäume gebunden. Ähnliches gilt für Fledermäuse, bei denen 16 von 20 in Rheinland-Pfalz nachgewiesenen Arten  auf Baumhöhlen als Sommer- und Winterquartier angewiesen sind. Haselmaus, Sieben- und Gartenschläfer ziehen hier ihre Jungen auf. Das Alt- und Totholzprogramm beheimatet etwa 1.000 Käferarten, von denen 60% gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht sind. Heimische Wildbienen nutzen es als Nistplatz.  Hier kann man auch selten gewordene Großpilzarten entdecken.

Deshalb ist es wünschenswert, dass in anderen waldbesitzenden Gemeinden des Forstamtes Gerolstein das Alt- und Totholzprogramm fortgesetzt wird. Nicht nur als erforderliche Ausgleichsmaßnahmen für Straßenbauprojekte, Industriegebiete u.a., für die das Öko-Konto eingerichtet wurde, sondern vor allem im Interesse von Flora und Fauna, die in diesem unvergleichlichen, fast mystisch anmutenden Baumriesen und  Zauberwäldern“ geschützt wird.

Denn: „Wir haben den Wald nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von unseren Enkeln geliehen!“.

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