Poltern statt spritzen

Forstleute verzichten auf Pestizide und setzen stattdessen auf Holzlager

Kurzholz-LKW beim Aufbau eines Holzpolters aus käferbesiedelten Fichtensägeabschnitten

Daun. Rote Nadeln, tote Bäume. Den Forstleuten tut es in der Seele weh, wenn sie sehen, wie seit rund einem Jahr der Borkenkäfer nach und nach die wertvollen Fichtenbestände dahinrafft. Deshalb tun sie alles, um den Wald soweit es geht zu retten. Ein Mittel dabei sind Holzlager. Ein solches haben die Forstleute vom Forstamt Daun nun auf Wiesenflächen gleich neben der A1 bei Daun-Rengen errichtet, das „Trockenlager Domäne Rengen“, wie sie es genannt haben. 10.000 Festmeter Holz haben hier Platz. Zum Vergleich: Das sind fast 12.000 Bäume.

„Das Holz muss so schnell es geht aus dem Wald, sonst attackieren die Borkenkäfer noch weitere Bäume“, sagt Josef Wagner, der die Holzernte und den Transport am Forstamt koordiniert. Denn die Borkenkäfer, von denen der „Buchdrucker“ (Ips typographus) der Hauptschädling ist, sitzen unter der Borke und vermehren sich dort. Die jungen Käfer bohren sich anschließend aus und greifen neue Bäume an. Steckt der Käfer also unter der Borke, muss das Holz aus dem Wald, damit sich die junge Käfergeneration nicht weiter ausbreiten kann. Forstamtsleiter Horst Womelsdorf:

„Am besten ist es natürlich, wenn das Holz zeitnah aus dem Wald direkt in die Werke der Holzindustrie transportiert wird. Leider wird die Industrie in den letzten Monaten bundesweit mit Käferholz zugeworfen, haben zudem die Werke jetzt auch vielfach Betriebsferien. Die Holzwirtschaft lässt daher das Holz häufig länger im Wald, als der Buchdrucker bei der für ihn optimalen trocken-warmen Witterung für seine Entwicklung benötigt. Wenn die Holzindustrie das Holz nicht rechtzeitig aus dem Wald schafft, müssen wir, Forstleute und Waldbesitzer, eben dafür sorgen, dass der Käfer nicht mehr im Wald ausfliegen kann, auch wenn das zusätzlichen erheblichen organisatorischen, personellen und finanziellen Aufwand bedeutet.“

Die Abschnitte werden, differenziert nach Längen, Waldbesitzer und potenziellem Holzkäufer, in getrennten Holzlagern gepoltert. Fotos: Landesforsten RLP / Horst Womelsdorf

„Was wir hier machen ist wirklich eine Noternte, die vom Buchdrucker diktiert wird“, so Wagner. „Möglichst viele frisch befallene Bäume werden gefällt und aus dem Wald geholt, um die noch gesunden Bäume zu retten.“ „Dennoch“, so Womelsdorf, „ist es ein Wettlauf mit der Zeit und mit dem Käfer, und bei der Vielzahl an Befallsherden in unseren Wäldern bleibt der Buchdrucker leider häufig genug der Sieger.“ Zwar könne man die Holzpolter auch im Wald belassen und den Käfer mit Pestiziden töten, das sei aber keine wirkliche Alternative.

„Die Chemiekeule kommt für uns nur als letztes Mittel der Wahl infrage“, so die Förster. „Deshalb lagern wir das Holz weiter vom Wald entfernt als der Borkenkäfer fliegen kann.“

Borkenkäfer können vom Lagerplatz nicht zurück in den Wald fliegen

Borkenkäfer fliegen im Schnitt in einem Radius von 500 Metern noch gesunde Bäume an. Das Holzlager ist mehr als 500 Meter von den nächsten Fichtenbeständen entfernt. „Es ist gar nicht so leicht einen geeigneten Platz zu finden, der den Mindestabstand von 500 Metern zu den nächsten Fichtenwäldern gewährleistet und wo man so viel Holz lagern kann“, so Wagner.

1.500 Festmeter sind in einer Woche schon angefahren worden, kommende Woche kommt in etwa die gleiche Menge noch einmal dazu. Das Holz wird aus bis zu 20 km Entfernung in das „Trockenlager Domäne Rengen“ gefahren und kommt aus dem Staatswald der Reviere Salmwald und Demerath, ein Teil auch aus der Gemeinde Sarmersbach. Auf dem Lagerplatz an der A1 bleiben die Stämme voraussichtlich bis September. Nach den Betriebsferien, so die Hoffnung der Förster, werden die Sägewerke wieder für weiteres Käferholz aufnahmefähig und dann das Holzlager räumen.

„Dennoch“, so Womelsdorf, „ist zu befürchten, dass der neuerliche Extremsommer mit Hitzerekorden und gewaltigen Niederschlagsdefiziten nicht nur bei der Fichte zu einer Borkenkäferkalamität bisher unbekannten Ausmaßes führen wird, sondern dass er den Beginn eines neuen klimabedingten ‚Waldsterbens 2.0‘ markieren könnte, in dessen Verlauf auch andere Baumarten absterben werden. Für das im Überangebot in den nächsten Monaten zu erwartende Käferholz lässt sich aber schon jetzt prognostizieren, dass es wohl nicht vollständig zu verkaufen sein wird.“ Betreten sollte man das Holzlager im Übrigen auf keinen Fall. „Das ist lebensgefährlich“, warnt Wagner. „Kommen die Baumstämme ins Rollen, kann man sie nicht stoppen.“

Hintergrund:
Wärme und Trockenheit begünstigen die Verbreitung des Borkenkäfers. Im Dürrejahr 2018 wurden in Rheinland-Pfalz mehr als vier Mal so viele Bäume wie im Vorjahr aufgrund von Käferbefall gefällt: 600.000 Festmeter, also rund 670.000 Bäume. Bis Juni 2019 kamen landesweit noch einmal über 450.000 Festmeter dazu – und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Der Wald leidet jedoch nicht nur unter dem Borkenkäferbefall. Die Dürre verbunden mit den Extremtemperaturen macht allen Baumarten zu schaffen. So breiten sich beispielsweise Misteln an Kiefern immer weiter aus, Ahornbäume werden zunehmend vom Rußrindenpilz befallen und je nach Art attackiert der Prachtkäfer Eichen, Buchen oder Kiefern.

Doch es braucht noch nicht einmal ein Insekt oder einen Pilz: Nur aufgrund von Wassermangel sterben selbst alte Bäume ab – sie vertrocknen. Forstleute sprechen inzwischen vom klimakranken Wald. Sie versuchen den Wald zu retten, indem sie auf Mischwälder verschiedener, auch bisher bei uns eher unbekannter Baumarten setzen.

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