«Balsam für die Seele»: Wenn Eulen im Hospiz zu Besuch sind

Von Birgit Reichert, dpa

Koblenz (dpa) – Horst Demsky ist schwach und kann nicht mehr aufstehen. Deshalb kommen die Eulen im Hospiz St. Martin in Koblenz zum Besuch an sein Bett. Ruhig sitzen sie auf Falkner-Handschuhen auf der Bettdecke, Demksy streichelt ihnen über das Gefieder. «Schatzi, fein», sagt er mit leiser Stimme zu ihnen. Und nach einer Weile: «Ich habe auch zwei Papageien gehabt.» Immer wieder lächelt er, während Falknerin Katharina Häfner ihm die Vögel vorstellt: Schleiereule Emma und Weißgesichtseule Merlin – mit den leuchtend orangenen Augen.

Es sind erkennbar Minuten der Freude, die die tierische Visite bei Demsky auslöst. Genau das ist es, warum Häfner tiergestützte Therapie mit Eulen anbietet. Mit ihrem Team «Falkner der Herzen», das in Bisterscheid in der Nordpfalz zu Hause ist, besucht sie bundesweit unter anderem Hospize und palliative Kinderhospize ehrenamtlich. In Hospizen werden unheilbar Kranke in ihrer letzten Lebensphase begleitet und versorgt. «Wir bringen den Menschen dort noch einmal eine Freude und vielleicht ein bisschen Glück mit», sagt Häfner (29).

«Ein ganz besonderes Ereignis»

Bei Demsky ist es geglückt. «Das war eine schöne Überraschung», findet er. Der Eulen-Besuch, der inzwischen dritte im Hospiz, sei «ein ganz besonderes Ereignis», sagt die stellvertretende Hospizleiterin Ingrid Ferdinand. Man erlebe bei den schwerstkranken Menschen, welche Begeisterung die Tiere hervorriefen. «Man sagt immer: Im Hospiz ist alles so traurig. Einer unserer Grundsätze ist, dass wir den Tag, den wir haben, so gut leben wie es möglich ist. Und das ist so ein Highlight.»

Auch für Angehörige. In einem anderen der zehn Zimmer liegt Swen Pinkatschek. Hirntumor. An seinem Bett sitzt seine Frau. Sie freut sich, als ihr Sohn Claas mit der kleinen Eule Merlin und Falknerin Häfner mit der Schleiereule ins Zimmer kommen. «Das ist das erste Mal, dass Eulen uns so nahe sind», sagt Tamara Pinkatschek. Claas, der an dem Tag seinen siebten Geburtstag hat, setzt die Eule aufs Bett und zeigt: «Papa, du musst immer hier so streicheln, das mag sie.» Der besondere Moment wird mit vielen Fotos festgehalten.

«Die Menschen fangen mehr an zu reden»

«Eulen bringen ganz viel Ruhe. Eulen machen leise», sagt Falknerin Häfner, die gebürtig aus Eutin in Schleswig-Holstein stammt. Das sei vielleicht etwas, das ein bisschen anders sei als bei ähnlichen Einsätzen mit anderen Therapie-Tieren wie Hunden oder Alpakas. Aus ihren Erfahrungen mit den Eulen erzählt sie: «Die Menschen fangen mehr an zu reden.» Und so ein Besuch bringe viele Erinnerungen zurück. «Man öffnet im Kopf eine Tür.»

Beispielsweise beim Besuch von Menschen mit Demenz oder Alzheimer. Häfner erzählt: «Man fragt: Wie heißt du? Und dann sagt die Person “Dirk Müller”. Und daneben steht das Pflegepersonal und sagt: “Er weiß seinen Namen eigentlich seit fünf Jahren nicht mehr”.»

Begeistert von den Eulen ist auch Hospiz-Bewohner Jose Lay. Er sei seit seiner Kindheit «Eulen-Fan», erzählt er auf der Terrasse im Koblenzer Hospiz. «Abends bei meinem Zuhause habe ich auch Eulen gehört.» In seinem Zimmer hat er eine Sammlung von Eulen-Figuren unter anderem aus Keramik. «Eulen sind sehr intelligente und sehr schöne Tiere». Bei dem Besuch hat er nur Augen für die Eulen, streichelt auch einen großen Uhu. «Ich war noch nie so nah dran. Es ist ein schönes Erlebnis.»

«Sie bekommen ganz viel Liebe und Zuneigung»

«Kuscheln, streicheln und küssen – das geht alles», sagt Falknerin Häfner zum Umgang mit den Therapie-Vögeln. «Sie sind das gewohnt.» Die Tiere seien von klein auf mit der Hand aufgezogen. «Wir bekommen sie, wenn sie zehn bis 14 Tage alt sind. Sie leben bei uns in der Küche und liegen abends mit uns auf dem Sofa im Wohnzimmer und sie bekommen ganz viel Liebe und Zuneigung.» Und sie wüssten: «Wenn ich auf einem Handschuh sitze, dann ist das Arbeitszeit.»

In der Falknerei in Bisterscheid gebe es insgesamt 45 Vögel, die meisten davon seien Eulen. Häfner ist seit sechs Jahren im Team, ihr Mann Achim Häfner mache das schon seit mehr als 20 Jahren. Sie besuchten auch Altenheime, Schulen, Kindergärten und Behinderteneinrichtungen, die für Besuche bezahlten. In Berlin gebe es besonders viele Einrichtungen, die sie buchten, erzählt Katharina Häfner. «Da sind wir zweimal im Jahr jeweils zwei bis drei Wochen.»

«Das ist Balsam für die Seele»

Für sie sei ein Besuch wie in Koblenz «eine Erfüllung und eine totale Herzenssache»: «Wenn ich da einen Menschen habe, den ich tief im Herzen erreicht habe, dann habe ich es für genau diesen gemacht. Dann war es für genau den richtig», sagt sie.

Das stationäre Hospiz in Koblenz will den Eulen-Besuch in Zukunft wiederholen. Die «Gäste» im Hospiz hätten Erkrankungen, die austherapiert seien. «Wir gehen über ins Palliative», sagt Ferdinand. Aus einem Erlebnis wie dem Eulen-Besuch schöpften auch Betreuer und Pflegekräfte Kraft. «Das ist Balsam für die Seele. Für beide Seiten.»

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WHO: Behandlung bei Unfruchtbarkeit erschwinglicher machen

Genf/Berlin (dpa) – Jeder sechste Mensch auf der Welt ist nach einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von Unfruchtbarkeit betroffen. Dabei gebe es praktisch keine Unterschiede zwischen reichen und armen Ländern, berichtete die WHO am Montag.

«Die schiere Zahl der Betroffenen zeigt, dass der Zugang zu Fertilitätsbehandlungen ausgeweitet werden muss und dass dieses Thema in der Gesundheitsforschung und -politik nicht länger verdrängt werden darf, damit sichere, wirksame und erschwingliche Wege zur Elternschaft für alle, die dies wünschen, zur Verfügung stehen», sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Weiterlesen

Missbrauch: Pakistaner im Visier der Sunak-Regierung

Von Benedikt von Imhoff, dpa

Rochdale (dpa) – Im Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung von Mädchen und Frauen konzentriert sich die konservative britische Regierung künftig stärker auf den ethnischen Hintergrund der Verdächtigen. «Zu lange hat uns die politische Korrektheit davon abgehalten, abscheuliche Kriminelle auszusortieren, die Kinder und junge Frauen ausbeuten», sagte Premierminister Rishi Sunak.

Innenministerin Suella Braverman nahm ausdrücklich aus Pakistan stammende Männer als Täter ins Visier. Das stieß auf Kritik: «Der Fokus der Regierung auf britisch-pakistanische Männer ist nichts anderes als staatlicher Rassismus», sagte der Soziologe Ali Meghji von der Universität Cambridge.

Die Frage nach dem ethnischen Hintergrund ist in Großbritannien an sich nicht außergewöhnlich – und wird in Umfragen, aber auch auf Internetseiten von Behörden routinemäßig gestellt. Nun sollen von der Polizei erhobene Daten auch von einer neuen Taskforce genutzt werden, die den Kampf gegen die «grooming gangs», wie organisierte Missbrauchstäter genannt werden, aufnehmen soll. «Wir werden vor nichts zurückschrecken, um diese gefährlichen Banden auszurotten», sagte der Premier, der indische Wurzeln hat.

Innenministerin wirft Labour Versäumnisse vor

Demonstrativ besuchten Sunak und Braverman am Montag die Stadt Rochdale. Der Ort bei Manchester ist in Großbritannien – wie das nordenglische Rotherham – ein Synonym für organisierten Missbrauch. Zwischen 2008 und 2010 hatten mehrere aus Pakistan stammende Männer dort Dutzende meist weiße Mädchen missbraucht und zur Prostitution gezwungen. Dass die Täter lange unbehelligt blieben, liegt nach Ansicht von Konservativen an der Angst vor Diskriminierungsvorwürfen. Der Grund, dass Hinweise von Sozialarbeitern, Kommunalpolitikern oder sogar der Polizei ignoriert wurden, «war kulturelle Empfindlichkeit und politische Korrektheit», sagte nun auch Sunak.

Vor allem Braverman, deren Vorfahren aus Indien und Mauritius stammen, nahm kein Blatt vor den Mund. Es gebe ein «Übergewicht bestimmter ethnischer Gruppen – und ich sage: britisch-pakistanische Männer -, deren kulturelle Werte völlig im Widerspruch zu britischen Werten stehen», hatte die konservative Hardlinerin am Sonntag gesagt. Diese Männer würden Frauen «auf eine erniedrigende und illegitime Weise» sehen. Vor allem in Regionen, in denen die sozialdemokratische Oppositionspartei Labour regiert, werde die Bedeutung des ethnischen Hintergrunds ignoriert, behauptete die Ministerin. 2024 wird in Großbritannien gewählt, in den Umfragen liegen ihre Tories hinten.

Sunaks Regierung fährt schrillen Anti-Migrations-Kurs

Kritiker warfen Braverman vor, ihre Wortwahl stachele zu Hass gegen Minderheiten an. Es ist nicht das erste Mal, dass die Innenministerin für ihre Sprache angegangen wird. Erst vor wenigen Wochen twitterte Ex-Fußballstar Gary Lineker, die Rhetorik der Regierung sei der im Deutschland der 1930er Jahre «nicht unähnlich». Das richtete sich kaum verhüllt gegen Braverman, die die steigende Zahl irregulärer Migranten als «Invasion» bezeichnet hatte.

Auch jetzt ist die Kritik erheblich. Soziologe Meghji verwies auf die Pläne der Regierung, unerwünscht eingereiste Menschen ohne Berücksichtigung ihrer Umstände so schnell wie möglich abzuschieben. «Sie werden den Mythos von braunen Sexualstraftätern nutzen, um Unterstützung für ihre Anti-Migrations- und Anti-Flüchtlingspolitik zu gewinnen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Die Kinderschutzorganisation National Society for the Prevention of Cruelty to Children (NSPCC) warnte zudem, aufgrund der Fokussierung auf einen bestimmten Tätertypus gebe es ein erhöhtes Risiko «blinder Flecken». Es sei wichtig zu bedenken, dass Sexualstraftäter «nicht nur einen Hintergrund» haben, sagte NSPCC-Chef Peter Wanless.

Geht der neue Fokus an der Realität vorbei?

Oppositionsführer und Labour-Chef Keir Starmer sagte zwar, der ethnische Hintergrund von Verdächtigen dürfe kein Hindernis für Ermittlungen sein. Allerdings betonte er, dies spiele bei der «überwältigenden Mehrheit» der Fälle von sexuellem Missbrauch keine Rolle. Auch Meghji sagte: «Regierungsdaten zeigen, dass sogenannte grooming gangs hauptsächlich von weißen Männern angeführt werden.»

In den vom Innenministerium in Auftrag gegebenen Studien steht zudem, dass es sich bei den meisten Sexualstraftätern, die wegen organisierten Kindesmissbrauchs verurteilt werden, um weiße Männer handelt. Es gebe keine Beweise, dass «grooming gangs» eher aus Asiaten oder Schwarzen bestehen. Ein Regierungssprecher sagte am Montag dazu, bisher habe es einfach nicht ausreichend Daten gegeben, um klare Schlüsse zu ziehen.

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Jogginghosen-Verbot in Schule sorgt für Diskussionen

Von Jann Philip Gronenberg, dpa

Berlin (dpa) – Nach einem neuerlichen Jogginghosen-Verbot an einer Schule in Wermelskirchen bei Remscheid ist die Debatte um angemessene Kleidung in der Schule neu entfacht. Ein Verbot befürwortet die Deutsche-Knigge-Gesellschaft. Modedesigner Thomas Rath setzt sich für die Jogginghose in Klassenräumen ein. Ein Überblick.

Die Leitung einer Sekundarschule in Wermelskirchen hatte zuletzt begonnen, die schon länger geltende Kleiderordnung der Schule umzusetzen und Schüler in Jogginghosen nach Hause geschickt. «Trotz Kritik in den Medien» wolle man die Kleiderordnung aufrechterhalten, hieß es von der Schule am Mittwoch. «Wir möchten unsere Schüler:innen dazu animieren, Kleidung zu tragen, die nicht zum «Chillen» verleitet.» Für die Vorbereitung auf das Berufsleben sei einer Abkehr von der Jogginghose wichtig, teilte die Schule weiter mit. Zustimmung für das Jogginghosen-Verbot erhält die Schule nun von der Deutschen-Knigge-Gesellschaft.

Was hätte Knigge zur Jogginghose gesagt?

Die Deutsche-Knigge-Gesellschaft möchte die in Aufklärung und Humanismus verwurzelten Ideen des 1796 verstorbenen Adolph Freiherrn Knigge verbreiten. Sie setzt sich für vollendeten Stil, sichere Kenntnis der aktuellen Umgangsformen, moralische Selbstverantwortung, sittlich einwandfreies Verhalten sowie einen situativ angemessenen toleranten und lockeren Umgang miteinander ein.

Jogginghosen seien Funktionskleidungsstücke, die zum Sport oder zum Entspannen getragen werden, sagte eine Sprecherin am Donnerstagabend der Deutschen Presse-Agentur. «Sportler tragen auf dem Sportplatz ihr Trikot als Arbeitsuniform und nach getaner Arbeit die Jogginghose in ihrer Freizeit. Schulzeit ist Arbeitszeit, daher hat die Jogginghose dort keinen Platz.»

Arbeitskleidung, Uniformen und Dresscodes seien sozial gewachsen. «Mit der Kleidung wird eine bestimmte Aufgabe, Autorität oder Zugehörigkeit ausgedrückt. Aus diesem Erfahrungsschatz heraus lässt sich die Jogginghose im Alltag nicht beziehungsweise nicht zu einer wertvollen Aufgabe zuordnen und stößt auf Widerstände.» Dass die Jogginghose nicht gesellschaftlich akzeptiert sei, zeige sich bereits durch die Diskussionen um das Kleidungsstück.

«Die Jahre des Modediktats sind, Gott sei Dank, vorbei»

Ganz anders sieht es Modeschöpfer Thomas Rath. Der 56-Jährige, der «selber ein großer Fan der Jogginghose» ist, sieht das Kleidungsstück deutlich gesellschaftsfähiger: «Die Akzeptanz der Jogginghose hat stark zugenommen, aber nicht nur unter dem Aspekt des Homeoffice sondern auch durch den großem Einfluss der Streetwear in unserem Alltag, welcher wichtig ist und uns jung hält.»

Ein Jogginghosen-Verbot lehnt Rath, der unter anderem als Juror bei «Germany’s Next Topmodel» zu sehen war, ab. «Die Jahre des Modediktats sind, Gott sei Dank, vorbei und wir können uns individuell kleiden», sagte Rath der Deutschen Presse-Agentur. Auch eine Jogginghose könne gepflegt aussehen. «Viele Promi-Damen haben sogar eine Jogginghose stilsicher auf dem roten Teppich präsentiert.» Dazu zählten jedoch nicht «die fiesen bequemen Flodderhosen». Schlussendlich plädiert Rath für Umbrüche in der Mode: «Wir alle möchten nicht aussehen wie unsere Großeltern.»

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Designer Rath: Jogginghosen halten jung

Berlin (dpa) – Modeschöpfer Thomas Rath ist gegen ein Jogginghosen-Verbot an Schulen. «Mode und die Art, wie wir uns kleiden, untermalt unsere Persönlichkeit und ist ein Spiegelbild unserer Emotionen», sagte Rath der Deutschen Presse-Agentur gestern. Eine Kleiderordnung für ein gepflegtes Aussehen befürworte er, allerdings könne auch eine Jogginghose gepflegt aussehen. Weiterlesen

Verhütungsmittel werden ab 1. April in Luxemburg kostenlos

Luxemburg (dpa) – Antibabypille, Verhütungsring, Spirale oder Pille danach: In Luxemburg sind fast alle Verhütungsmittel ab dem 1. April kostenlos. Auch die Kosten für eine Sterilisation bei Frauen und Männern werden erstattet, wie das Gesundheitsministerium in Luxemburg mitteilte. Mit der Neuerung werde ein Vorhaben des Koalitionsvertrags umgesetzt, teilte Gesundheitsministerin Paulette Lenert mit. Die Kostenfreiheit gelte unabhängig vom Alter.

Die Neuerung werde «es jeder und jedem ermöglichen, die für ihre oder seine Situation angemessenen Mittel zur Familienplanung zu erhalten», sagte Lenert. Wann man also ab dem 1. April mit einem Rezept zum Beispiel für die Pille in die Apotheke gehe, bekomme man das Verhütungsmittel gratis, erläuterte eine Ministeriumssprecherin am Freitag. Weiterlesen

Adieu Analoguhr? Wie Zeigeruhren weniger werden

Von Gregor Tholl, dpa

Berlin (dpa) – Abschied von der Analoguhr? Telefonzellen sind Vergangenheit, viele Litfaßsäulen wurden abgebaut. Verschwinden nun auch die guten alten Zeigeruhren aus dem Stadtbild und unserem Leben? Manche haben den Eindruck, dass öffentliche Uhren weniger werden, die Zeit sozusagen privatisiert wird. Warum auch große Zeigeruhren, wenn alle ein Handy mit exakten Digitaluhren bei sich haben? Doch stimmt der Eindruck überhaupt? Was sagen Zeitforscher und Firmen, die mit Uhren zu tun haben? Es scheint an der Zeit, eine Zeitgeist-Geschichte über Uhren – und die Zeit an sich – zu zeitigen.

«Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät?»: Das von Fred Strittmatter komponierte Lied zur Zeichentrickserie über Paulchen Panther, die vor 50 Jahren ins deutsche Fernsehen kam, verstehen heutige Kinder oft kaum. An einer Uhr drehen? Wieso drehen? Das Zifferblatt ist im Computerzeitalter den Kleinen oft fremd.

Gibt es eine «Uhrendämmerung»?

Anders als es das Fernsehen früher tat, arbeiten auch TV-Nachrichten wie die «Tagesschau» inzwischen längst mit einer digitalen Uhrzeitanzeige. Die «heute»-Sendung des ZDF führte dies vergleichsweise spät ein – erst im Sommer 2021.

«Den Eindruck, dass es im öffentlichen Raum weniger Zeigeruhren als früher gibt, haben viele», sagt der Stadtforscher Dietrich Henckel, Vorstandsvorsitzender des Vereins Deutsche Gesellschaft für Zeitpolitik. Der 2022 gestorbene Zeitforscher Karlheinz Geißler habe in seinem Buch «Die Uhr kann gehen» sogar eine «Uhrendämmerung» diagnostiziert, sagt Henckel. «Die alltägliche Beobachtung über weniger Uhren scheint auch dadurch Bestätigung zu finden, dass weniger Leute klassische Armbanduhren tragen», sagt der emeritierte Professor der Technischen Universität (TU) Berlin.

Andererseits ist der Trend zu teuren Armbanduhren als Statussymbol in gewissen Kreisen ungebrochen. In Rap-Songs kommen Luxusuhren oft vor. Was reimt sich gut auf Rolex? Ganz klar: das kleine Wort Sex.

Es überlagerten sich heutzutage sehr unterschiedliche Entwicklungen, sagt Henckel. «Einerseits versuchen immer mehr Personen, sich nicht übermäßig vom Taktschlag der Uhren ihr Verhalten vorgeben zu lassen und eher auf eigene Rhythmen Rücksicht zu nehmen. Andererseits ist die Uhrzeit und ihr normativer Druck allgegenwärtig.»

Die Frage laute, so Henckel: «Wozu braucht es noch öffentliche Uhren, wenn jedes Handy, der Schrittzähler am Handgelenk und fast jeder öffentliche oder private Bildschirm dauernd die Uhrzeit anzeigt?»

Das Statistische Bundesamt hat errechnet, dass 2021 bundesweit rund 385 200 Uhren im Wert von 287 Millionen Euro produziert worden sind. Das seien 16,3 Prozent weniger als zehn Jahre zuvor. Darunter fallen Armbanduhren, Wanduhren, Kuckucksuhren oder der Wecker – mit Zeiger oder mit digitaler Anzeige. Die Statistiker bemerkten zudem, dass zwischen 2011 und 2021 mehr Wanduhren hergestellt worden seien.

Uhren sind Fixpunkte im Stadtbild

Das große Außenwerbungsunternehmen Ströer betreibt nach eigenen Angaben noch viele Uhren. Die Fluktuation bewege sich im Promillebereich. Demnach haben Uhren also nach wie vor ihren festen Platz in der Öffentlichkeit. «Mehrere tausend öffentliche Uhren sind Fixpunkte im Stadtbild und garantieren durch ihre Platzierung in den Innenstädten eine aufmerksamkeitsstarke Funktion», sagt ein Unternehmenssprecher. «Die Uhren bieten trotz Smartphones Passanten, Reisenden und Berufspendlern eine verlässliche Orientierung und haben häufig auch einen hohen emotionalen Stellenwert.»

Auch bei der Deutschen Bahn betont man, nach wie vor sehr viele Uhren zu unterhalten. «Etwa 17 000 betreibt die DB als Service für ihre Kundinnen und Kunden in den Bahnhöfen», sagt eine Sprecherin. «Zu diesen Bahnhofsuhren gehören einseitig sichtbare, doppelseitig sichtbare, historische und moderne.»

Auch bei der Bahn gibt es einen Vormarsch digitaler Uhrzeitanzeigen. «An mehr als 4400 vor allem kleineren Bahnhöfen sind 7500 Dynamische Schriftanzeiger (DSA) installiert, die über die nächste Fahrt oder Fahrplanabweichungen informieren.» Ihre Zahl ist in den vergangenen zehn Jahren stark gewachsen. «2013 war der DSA-Rollout in vollem Gange. Damals waren rund 20 Prozent weniger Uhren im Bestand.»

Stadt- und Zeitforscher Henckel sagt, die gemeinsame Ordnung unserer komplexen Gesellschaft sei nur mit einem hohen Maß an Pünktlichkeit und eben einer genauen Abstimmung von Uhrzeiten zu bewältigen. Man denke etwa an den Computer-Börsenhandel mit äußerst exakter Uhrzeit-Koordination, aber auch an den Zugverkehr und den Ärger, wenn die Deutsche Bahn unpünktlich sei und alles aus dem Takt gerate.

Widersprüchliches erlebten viele im Alltag bei den boomenden Lieferdiensten, räsoniert Henckel. «Versprochen werden pünktliche Lieferungen. Wenn das gelingt, ist es häufig mit dem Parken der Lieferfahrzeuge in zweiter Reihe verbunden, was die Zeitplanung völlig Unbeteiligter erheblich durcheinanderbringen kann. Oder die Sendungsverfolgung suggeriert, man könne die Lieferzeit abschätzen, um dann festzustellen, dass sie stundenweise angepasst wird.»

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Mehrheit der Deutschen für Abschaffung der Zeitumstellung

Berlin/Braunschweig (dpa) – Eine große Mehrheit der Deutschen ist einer aktuellen Umfrage zufolge für die Abschaffung der Zeitumstellung. 75 Prozent der Befragten sprachen sich in einem repräsentativen Meinungsbild des Forschungsinstituts Yougov für ein Ende des doppelten Uhrendrehens aus. Nur 18 Prozent wollen demnach fleißig weiter vor- und zurückstellen. Am Sonntag (26. März) werden wie in den meisten Ländern Europas die Uhren von 2.00 Uhr auf 3.00 Uhr auf die Sommerzeit vorgestellt. Weiterlesen

Indigene Stimme im Parlament: Australien plant Referendum

Canberra (dpa) – In Australien soll noch in diesem Jahr ein Referendum über eine Verfassungsänderung abgehalten werden, durch die die indigene Bevölkerung eine Stimme im Parlament erhalten soll. Der Plan für die Volksabstimmung unter dem Slogan «Voice to Parliament» ist schon länger bekannt – nun machte Premierminister Anthony Albanese bei einer emotionalen Pressekonferenz Details und die konkrete Fragestellung öffentlich.

«Diese wird lauten: Ein vorgeschlagenes Gesetz zur Änderung der Verfassung zur Anerkennung der ersten Völker Australiens durch die Schaffung einer Stimme der Aborigines und der Torres-Strait-Insulaner. Stimmen Sie dieser vorgeschlagenen Änderung zu?», verlas Albanese am Donnerstag. Bei seiner Rede sprach er teilweise mit tränenerstickter Stimme. Auch viele anwesende Vertreter der Ureinwohner weinten. «Viele warten schon sehr lange auf diesen Moment», sagte Albanese. Weiterlesen

Polizei-Beschwerden: Bürgerbeauftragte mit Jahresbericht

Mainz (dpa/lrs) – Insgesamt 80 Beschwerden über die Polizei haben die rheinland-pfälzische Bürgerbeauftragte von Juli 2021 bis Juni 2022 erreicht – 43 weniger als in der vorherigen Spanne. Wie sich diese Zahl im aktuellen Zeitraum entwickelt hat, teilt Barbara Schleicher-Rothmund an diesem Donnerstag (10.30 Uhr) bei der Vorstellung des Jahresberichts 2022 in Mainz mit. Außerdem wird sie über Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern berichten, die Probleme mit der Verwaltung hatten. Auch Polizeibeamte können sich mit Problemen direkt an sie wenden. Weiterlesen

München toleriert Konzert von Roger Waters und setzt Zeichen

München (dpa) – Die Stadt München wird das Konzert des wegen Antisemitismus-Vorwürfen in die Kritik geratenen Pink-Floyd-Mitbegründers Roger Waters am 21. Mai in der Olympiahalle nicht verbieten. Es sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich, den Vertrag mit dem Konzertveranstalter außerordentlich zu kündigen, heißt es in dem Beschluss, den der Stadtrat am Mittwoch gefasst hat.

Stattdessen werde die Stadt rund um das Konzert Zeichen für Völkerverständigung, internationale Solidarität und gegen Antisemitismus setzen, ebenso für das Existenzrecht Israels und die Souveränität der Ukraine. Weiterlesen

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