Das sind die Streaming-Trends 2023

Von Wilfried Urbe, dpa

Cannes (dpa) – Die wichtigsten Fernseh-Macher der Welt treffen sich nächste Woche drei Tage an der Côte d’Azur. Auf der Branchenmesse MIPTV in Cannes entscheidet sich, was im Herbst über den Bildschirm läuft. Nie war das Thema Streaming so präsent wie dieses Mal. Dabei zeichnen sich fünf wichtige Trends – nicht nur für Deutschland – ab.

Immer mehr Anbieter auf dem Markt: Streaming ist aus dem Medienalltag nicht mehr wegzudenken. Kein Wunder, dass die Zahl der Anbieter immer weiter steigt: Inzwischen gibt es über 50 – als Bezahlmodell oder auch werbefinanziert. Erst Ende des Jahres ist Paramount+ gestartet. In diesem Jahr kommt in Deutschland möglicherweise noch HBO Max dazu. Auch das schwedische Unternehmen Viaplay, das etwa schon in den USA und den Niederlanden aktiv ist, könnte noch dieses Jahr dazustoßen.

Werbefinanzierung wird wichtiger: Abonnieren und dann schauen, was man will? Das ist inzwischen nur noch einer von mehreren Wegen, um zeitunabhängig an die gewünschten Filme oder Serien zu kommen. Der Grund: Nur allein durch Abos lassen sich noch bei keinem Anbieter die kostspieligen Inhalte finanzieren. Die Alternative sind kostenlose oder deutlich vergünstigte Abos, bei denen Werbeclips eingeblendet werden. Freevee von Amazon etwa kostet nichts. Netflix indessen offeriert eine preisgünstigere Version seit Ende letzten Jahres, Disney+ wird bald folgen und Paramount+ voraussichtlich ebenfalls.

FAST-Channels boomen: Während die Werbung Einzug hält, haben die Medienmacher das gute alte lineare TV-Modell fürs Internet wiederentdeckt, mit Inhalten, die nur zu bestimmten Zeiten laufen: Die Plattform Joyn zum Beispiel nimmt auch Anbieter wie ARD oder ZDF in ihren Live-Stream. Ein weiteres von vielen Beispielen für FAST (Free Ad Supported Streaming) ist das US-Streamingportal Pluto TV.

Streamer haben das Geschäft mit den Daten entdeckt: Auch wenn Werbung den Kunden finanzielle Entlastung verheißt – zahlen müssen sie trotzdem. Und zwar mit den eigenen Daten. Denn hier liegt der wirklich lukrative Vorteil für die Streaminganbieter. Als beispielsweise Disney+ in den Vereinigten Staaten im Dezember sein Werbeangebot startete, waren direkt 46 Unternehmen am Datengeschäft beteiligt, darunter Amazon Web Services, Google und Microsoft.

Mehr Dokus:Hochwertige fiktionale Serien sind teuer. 200 Millionen Dollar hat zum Beispiel «The Gray Man» gekostet. Das können sich die Videoportale immer weniger leisten. Die Lösung: gut gemachte serielle Dokumentationen. Die Kosten können sich zwar immer noch auf zwei Millionen Euro pro Stunde belaufen, sind damit aber immer noch günstig im Vergleich zu Serien und können auf ähnlichen Sendeplätzen wie Fiction laufen. «MH370: Das verschwundene Flugzeug» etwa war im März auf Netflix in den deutschen Serien-Top-Ten vertreten.

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KI-Chatsysteme erobern Produktionshallen in der Industrie

Von Christoph Dernbach, dpa

Hannover (dpa) – Textroboter mit Funktionen Künstlicher Intelligenz sollen künftig auch die Fabrikhallen erobern. Dieser Trend zeichnet sich im Vorfeld der Hannover Messe ab. Doch während bislang beim aktuellen Rummel um die KI vor allem Systeme aus den USA Schlagzeilen machen, sind auf der Industrieschau in Hannover auch Initiativen mit maßgeblicher Beteiligung aus Deutschland zu sehen.

Im Vorfeld der Hannover Messe kündigten das Heidelberger KI-Start-up Aleph Alpha und der IT-Dienstleister Hewlett Packard Enterprise (HPE) einen virtuellen Assistenten mit Künstlicher Intelligenz für die Industrieproduktion an. Auch Siemens stellt seine Erfahrungen mit dem Einsatz von KI in der Industrie vor. Der deutsche Industrieriese kooperiert dafür mit dem US-Softwarekonzern Microsoft.

Aleph Alpha und HPE führen auf dem Messegelände vom kommenden Montag an in einer Live-Demo vor, wie sich Fabrikpersonal in natürlicher Sprache und mithilfe von Bildern mit dem Roboter austauschen kann. «Der KI-Assistent agiert dabei quasi wie ein hoch spezialisierter Servicetechniker, der das Fabrikpersonal unterstützt, sehr komplexe Aufgaben zu lösen», sagte HPE-Sprecher Patrik Edlund.

Austausch mit KI-Assistenten auch über Bilder

Beim Dialog mit der Maschine muss sich das Fabrikpersonal nicht an eine vorgegebene Systematik halten oder nur bestimmte Schlüsselbegriffe verwenden, sondern kann ganz natürlich mit dem System sprechen. Der KI-Assistent antwortet ebenfalls in natürlicher Sprache. Der Dialog mit dem KI-Assistenten kann in verschiedenen Sprachen erfolgen, auch wenn das Handbuch beispielsweise nur auf Deutsch oder Englisch vorliegt.

Der Austausch mit dem KI-Assistenten kann nicht nur mit gesprochenem Text stattfinden, sondern auch über Bilder. So könnte eine Fachkraft zum Beispiel die Standposition des Roboters fotografieren und fragen, ob diese Position sicher sei. «Bei akuten Problemfällen kann der KI-Assistent entscheidende Hinweise liefern, um Schäden oder Produktionsausfälle zu verhindern», versprechen die beiden Anbieter.

Auf der Hannover Messe sind aber nicht nur Anbieter aus Deutschland präsent, sondern auch KI-Schwergewichte aus den USA. So werden an dem Stand des deutschen Industrieriesen Siemens die Ergebnisse einer Kooperation mit dem US-Softwareriesen Microsoft gezeigt. Auch hier steht der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in den industriellen Produktionsprozessen im Fokus.

Erzeugung von Codes von gängigen Programmiersprachen

Im Gegensatz zum Dialog mit der Maschine bei Aleph Alpha und HPE in natürlicher Sprache geht es bei dem Projekt von Siemens und Microsoft auch um den Programmcode. ChatGPT vom Microsoft-Partner OpenAI kann nämlich nicht nur geschliffen formulieren wie ein Mensch, sondern auch den Code von gängigen Programmiersprachen erzeugen. Am Siemens-Stand in Hannover kann man nun sehen, wie das KI-System die Programmierung des Codes für speicherprogrammierbare Steuerungen beschleunigen kann.

«Leistungsstarke, fortschrittliche künstliche Intelligenz entwickelt sich zu einer der wichtigsten Technologien für die digitale Transformation», sagte Cedrik Neike, Mitglied des Vorstands der Siemens AG und CEO Digital Industries. «Siemens und Microsoft arbeiten gemeinsam an der Bereitstellung von Tools wie ChatGPT, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Unternehmen jeder Größe die Möglichkeit zu geben, auf neue Weise zusammenzuarbeiten und innovativ zu sein.»

In der deutsch-amerikanischen Kooperation wird außerdem eine Herausforderung adressiert, die in vielen Industriebetrieben nicht einfach zu lösen ist – nämlich das Erkennen und Vermeiden von Produktfehlern. Dabei sollen die Maschinen mit Hilfe der KI sehen lernen. In Hannover werden Siemens und Microsoft zeigen, wie von Kameras aufgenommene Bilder und Videos durch maschinelles Lernen analysiert und für die Überwachung und Optimierung der Fertigung verwendet werden können.

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Ein ziemlich irischer Präsident: Biden auf der Grünen Insel

Von Christiane Jacke und Christoph Meyer, dpa

Dublin/Dundalk (dpa) – US-Präsident Joe Biden hat seine Irland-Reise mit politischen Gesprächen fortgesetzt. Bei strahlendem Wetter traf er in der Hauptstadt Dublin zunächst Präsident Michael D. Higgins und später Premierminister Leo Varadkar. Dabei sollten sowohl der Krieg in der Ukraine als auch der Friedensprozess in Nordirland eine Rolle spielen.

Für Biden ist der mehrtägige Besuch in der Heimat seiner Vorfahren weitgehend ein Wohlfühltrip mit vielen netten Bildern. Und doch holten ihn auch die zunehmend beunruhigenden Nachrichten über gestohlene US-Geheimdokumente ein.

«Es ist eine Ehre, nach Hause zu kommen in die Heimat meiner Vorfahren», sagte Biden in Dublin. Am Mittwoch hatte er in Dundalk im Nordosten Irlands, von wo Vorfahren vom ihm stammen, in der Innenstadt Hände geschüttelt, Selfies mit Einwohnern gemacht und in einem Pub gesprochen. Einen großen Teil der Reise wendet er auf für persönliche Begegnungen und Spurensuche zu seiner Familiengeschichte. Dass sich der US-Präsident für Irland derart viel Zeit nimmt, nicht aber für Großbritannien, stößt bei manchen Briten auf Unverständnis.

Familie Biden im Schlepptau

Diverse Vorfahren des katholischen US-Präsidenten stammen aus Irland – einige stammen aus dem County Louth im Nordosten, wo Biden am Mittwoch seinen ersten längeren Stopp einlegte. Gemeinsam mit seinem Sohn Hunter und seiner Schwester Valerie ließ sich der 80-Jährige dort zunächst die Burg Carlingford Castle an der Ostküste zeigen. Ganz in der Nähe hatten Vorfahren von ihm, die Finnegans, Mitte des 19. Jahrhunderts Abschied von ihrer alten Heimat genommen. Die Burg sei vermutlich eines der letzten Dinge gewesen, das die Familie gesehen habe, als sie nach Amerika aufbrach, sagte Biden. Eine seiner Enkelinnen heißt mit Vornamen Finnegan.

Er verstehe zwar schon, warum seine Vorfahren das Land verlassen hätten inmitten der damaligen Hungersnot, sagte der Demokrat später an einem improvisierten Pult in einem Pub im nahegelegenen Dundalk. «Aber wenn man hier ist, fragt man sich, warum jemand überhaupt jemals weggehen wollen würde.» Biden schwärmte: «Es fühlt sich an wie zu Hause.» Und: «Es ist gut, wieder hier zu sein.»

Biden hatte zuvor Nordirland besucht – in dem britischen Landesteil blieb er aber nur kurz. In Belfast traf er den britischen Premier Rishi Sunak und hielt eine Rede zum 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommens. Direkt im Anschluss reiste er jedoch sofort weiter zu einem ausgiebigen Besuch in Irland.

Briten vernachlässigt?

In der britischen Presse sorgte der starke Fokus des US-Präsidenten auf Irland für Irritationen. Nachdem eine Regierungsvertreterin Biden schon zu Beginn seiner Reise gegen Vorwürfe verteidigen musste, er sei «anti-britisch», stürzten sich die britischen Boulevardmedien auf einen Versprecher des US-Präsidenten, bei dem er die Rugby-Nationalmannschaft Neuseelands «All Blacks» mit einer paramilitärischen britischen Einheit im irischen Unabhängigkeitskrieg – den «Black and Tans» – verwechselt hatte. Auch das wurde ihm als Parteilichkeit ausgelegt.

Sunak sah sich gezwungen zu betonen, dass Großbritannien eine sehr enge Beziehung mit den USA habe. Ein Journalist der «Daily Mail» klagte, Biden habe nur 15 Stunden im Vereinigten Königreich verbracht und «die Hälfte davon hat er geschlafen».

In Irland dagegen wurde Biden mit viel Enthusiasmus empfangen. Schaulustige säumten mit irischen und amerikanischen Fähnchen die Straßen. Einwohner der Orte, die Biden besuchte, hatten gebacken, dekoriert, ihre Läden auf Vordermann gebracht – alles in der Hoffnung auf einen kurzen Stopp des Präsidenten und einen Plausch mit ihm.

In Dundalk machte Biden eine längere Visite und schlenderte mit seiner Entourage durch die Innenstadt. Er gab sich dabei nahbar, schüttelte Hände, machte Selfies. In einem Imbiss plauderte und scherzte er mit Mitarbeitern, danach dann der Abstecher in den Pub. Seine Sprecherin Karine Jean-Pierre sagte am Donnerstag, der Präsident habe «die Zeit seines Lebens» gehabt.

Familiäre Anekdoten statt Ausführungen zum Datenleck

Biden ist nicht der erste US-Präsident mit irischen Wurzeln. Der berühmteste war wohl John F. Kennedy. Auch Bidens Vorvorgänger Barack Obama hat teilweise irische Vorfahren. Insgesamt stammten etwa die Hälfte aller US-Präsidenten teilweise von irischen Einwanderern ab – und im Übrigen auch ungefähr zehn Prozent der US-Bürger. Doch kaum ein Amtsinhaber im Weißen Haus zuvor hat seine Verbindungen zur Grünen Insel so zelebriert wie Biden. Der Demokrat verweist oft auf seine irische Herkunft und zitiert regelmäßig irische Dichter.

Für Biden ist der gefühlige Trip auch eine Abwechslung von allerlei nationalen und internationalen Problemen – allen voran die aktuelle Affäre um ein massives Datenleck mit US-Geheimdokumenten. Fragen dazu konnte der US-Präsident auf seinem Auslandstrip zwar nicht ganz aus dem Weg gehen. Doch nach einer knappen Antwort zu der Affäre am Donnerstag schwenkte er schnell wieder um zu familiären Anekdoten.

Am Freitag plant er noch einen Besuch ins County Mayo im Nordwesten Irlands, von wo ebenfalls Vorfahren von ihm stammen. Biden warnte schon in Dundalk vor, es werde nicht sein letzter Besuch sein. «Die schlechte Nachricht für Sie ist: Wir werden wiederkommen. Es wird nicht möglich sein, uns fernzuhalten.»

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Norwegen weist mehrere russische Geheimdienstmitarbeiter aus

Oslo (dpa) – Norwegen weist 15 Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes aus. Die an der Botschaft in Oslo akkreditierten Personen hätten Tätigkeiten ausgeübt, die mit ihrem diplomatischen Status unvereinbar seien, erklärte die norwegische Außenministerin Anniken Huitfeldt aihrem Ministerium zufolge.

«Wir wollen nicht zulassen, dass russische Geheimdienstoffiziere unter diplomatischem Deckmantel in Norwegen operieren.» Grundlage für die Entscheidung sei die Tatsache, dass die neue sicherheitspolitische Situation infolge des Ukraine-Kriegs zu einer erhöhten nachrichtendienstlichen Bedrohung durch Russland geführt habe. Weiterlesen

London: Kreml hat zunehmend Probleme, Krieg zu vermitteln

London (dpa) – Laut britischen Geheimdiensten hat die russische Führung zunehmend Probleme, den Ukraine-Krieg der eigenen Bevölkerung zu vermitteln. Russlands Präsident Wladimir Putin stelle die «spezielle Militäroperation» in den Kontext der sowjetischen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg, hieß es heute im Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums.

Russland begeht jedes Jahr am 9. Mai den «Tag des Sieges», an dem mit pompösen Militärparaden der Sieg der Sowjetunion über das nationalsozialistische Deutschland 1945 gefeiert wird, Gefallener gedacht und noch lebende Veteranen geehrt werden. Die Ehrung der Gefallenen früherer Generationen könnte laut London leicht dazu führen, dass das Ausmaß der jüngsten Verluste in der Ukraine, die der Kreml zu vertuschen versuche, offenkundig werde.

Diese Botschaft könnte zudem bei den vielen Russen, die unmittelbare Einblicke in die scheiternde Operation in der Ukraine haben, zunehmend auf Unbehagen stoßen. Als Zeichen für diese Entwicklung sehen die Briten auch die Absage mehrerer Militärparaden in russischen Grenzregionen nahe der Ukraine und auf der annektierten Halbinsel Krim am 9. Mai. Die Absagen hätten offiziellen Angaben zufolge auch mit Sicherheitsbedenken zu tun, hieß es aus London. Weiterlesen

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew (dpa) – Weit über die Ukraine hinaus hat ein Video, das mutmaßlich die Enthauptung eines ukrainischen Kriegsgefangenen durch russische Kämpfer zeigt, für Entsetzen gesorgt. Schockiert zeigten sich etwa Beobachter der Vereinten Nationen in der Ukraine und Tschechiens Präsident Petr Pavel.

«Die lange Geschichte der russischen Straflosigkeit muss endlich aufhören», forderte unterdessen der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Der Kreml in Moskau hingegen zweifelte die Echtheit des Videos an. Tatsächlich war dieses von unabhängiger Seite noch nicht abschließend verifiziert. Ein ehemaliger russischer Söldner will darin aber bereits «eindeutig» seine früheren Kameraden als Täter identifiziert haben.

In der Nacht zum Mittwoch war im Internet ein rund eineinhalbminütiges Video aufgetaucht. Es zeigt, wie ein uniformierter Mann von einem anderen enthauptet wird. Der Täter trägt dabei eine für russische Soldaten typische weiße Kennzeichnung an der Kleidung. Neben der Überprüfung der Echtheit steht derzeit auch eine unabhängige Analyse des Aufnahmezeitpunkts noch aus. Weiterlesen

«Multitudes» – Feist veröffentlicht ein neues Album

Von Julia Kilian, dpa

Berlin (dpa) – Manchmal hinterlassen gerade die Momente, die man nicht mit der Handykamera festhalten kann, einen besonderen Eindruck. Man behält sie dann vielleicht mehr im Innersten. Als Sängerin Feist vor zwei Jahren im Hamburger Kulturzentrum Kampnagel auftrat, war das Szenario ziemlich ungewöhnlich. Die Musikerin hatte nach etlichen Jahren neue Musik angekündigt – aber erstmal nur für kleinere Konzerte, ohne Album.

Auf Hockern saßen die Menschen also um die Sängerin herum. Man durfte weder Fotos machen noch ihren Auftritt filmen. Die Lieder kannte man nicht, sie waren ja neu. Und anschließend ließ sich die Musik nirgendwo finden. Alle Google-Suchen vergeblich.

Es blieb einem nicht viel mehr, als den Moment im eigenen Gedächtnis festzuhalten und die Unsicherheit auszuhalten, ob man wohl eines der Lieder nochmal zu hören bekommt. Jetzt erscheint am Freitag (14. April) das neue Album «Multitudes», das den gleichen Titel trägt wie die Konzertreihe und darauf aufbaut.

Die Kanadierin Leslie Feist ist schon vor rund zwei Jahrzehnten bekanntgeworden. Mit «Let It Die» legte sie 2004 ein Album vor, das bis heute zeitlos geblieben ist. Später tauchte ihr Song «1234» vom Album «The Reminder» im Werbespot eines Technikgiganten auf. Mit «Metals» und «Pleasure» wurde die Musik dann komplexer. Man konnte sie seltener einfach so wegdudeln, sondern musste hinhören.

Ein Album der großen Themen

Auch «Multitudes» fordert einen beim Hören heraus, macht es einem dann aber bald leicht. Das Album erzählt von den großen Themen, die einen im Leben beschäftigen, von Verlust und Neuanfang. Die 47-Jährige hat das selbst in den zurückliegenden Jahren erlebt, mit dem Tod ihres Vaters und ihrer Rolle als Mutter.

Zwischen dem Verlust ihres Vaters und der «Ankunft» ihrer Tochter habe es diesen messerscharfen Moment im Erwachsensein gegeben, der unglaublich herausfordernd gewesen sei, sagte Feist im Interview mit «Variety». Darin erzählte sie auch, sie habe in ihren 30ern gedacht, jetzt sei sie erwachsen – und dann geschehe etwas und plötzlich stehe alles im Zusammenhang mit Trauer, Last, Angst und Selbstverlust. «Es stellt sich ein neues Verständnis von Zeit als endlich ein, Zeit als wertvoll, Zeit im Sinne von: Wie verbringen wir sie miteinander?»

Die Stimme nimmt gefangen

Das neue Album beginnt mit «In Lightning» scheppernd, wechselt dann aber schon im ersten Lied zwischendrin zu klareren Passagen. Immer ist es Feists Stimme, die so besonders ist, dass man sich davon gefangen nehmen lassen kann. Besonders schön erlebt man das bei «Forever Before» oder «The Redwing». Das Album klingt klarer und eingängiger als die zurückliegende Platte «Pleasure».

Mit übereinandergelegtem Gesang erinnert «Calling All the Gods» an eine Hymne. Das Lied «Love Who We Are Meant To» ist ein sehr erwachsenes Liebeslied. Und «Become the Earth» klingt wie eine Geisterbeschwörung. Darin heißt es: «Some people are gone / and the people who stay / will eventually go / in a matter of days.» Eine Erinnerung daran, dass sich alles verändert im Leben und niemand bleibt. Das neue Album von Feist kann einen tief berühren, wenn man das möchte. Dafür braucht es übrigens auch kein Handyfoto.

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Projekte der Mainzer Provenienzforschung werden vorgestellt

Mainz (dpa/lrs) – Vier Projekte zur NS-Raubkunst und postkolonialen Provenienzforschung stehen am Samstag im Mittelpunkt einer Veranstaltung in Mainz. Unter dem Motto «Geraubt, getauscht, gehandelt» können interessierte Bürger nach einer Podiumsdiskussion Fragen stellen und die Objekte und Quellen begutachten, wie Dorothee Glawe vom Landesmuseum mitteilte. Organisatoren der Veranstaltung am fünften internationalen Tag der Provenienzforschung sind das Landesmuseum, das Leibniz-Zentrum für Archäologie (Leiza) und die Universität. Provenienzforschung beschäftigt sich mit der Herkunft (Provenienz) von Kulturgütern. Weiterlesen

Digitales Lkw-Buchungssystem für Brennerroute geplant

Kufstein (dpa) – Mit einem digitalen Verkehrsmanagementsystem für den Güterverkehr wollen Bayern, Tirol und Südtirol den Dauerstreit über die chronisch überlastete Brennerroute lösen. Konkret soll dies so aussehen, dass Lastwagen für die Route über den wichtigen Alpenpass verpflichtend bestimmte Zeitfenster (Slots) buchen müssen.

Am Mittwoch unterzeichneten der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher bei einem Treffen in Kufstein eine entsprechende gemeinsame Absichtserklärung. Rechtliche Grundlage soll am Ende eine zwischenstaatliche Vereinbarung zwischen Italien, Österreich und Deutschland sein, die nun gemeinsam vorangetrieben werden soll. Weiterlesen

Bisherige Charts-Hits: Depeche Mode und Udo Lindenberg

Baden-Baden (dpa) – Das Album des bisherigen Jahres stammt von der britischen Synthie-Pop-Gruppe Depeche Mode und der Hit ’23 bis dato von Altrocker Udo Lindenberg und Rapper Apache 207.

«Unglaubliche neun Wochen am Stück flog der «Komet» von Udo Lindenberg und Apache 207 in den Offiziellen Deutschen Charts der Konkurrenz davon», teilte GfK Entertainment in Baden-Baden mit. «Daher muss man kein Prophet sein, um den Spitzenreiter der Single-Quartalshitliste zu erraten.» Weiterlesen

Kredite fürs Klima: Weltbank will eine neue, grüne Rolle

Von Theresa Münch und Julia Naue, dpa

Washington/Berlin (dpa) – Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Im Gegenteil: Billionen von Dollar werden gebraucht, um weltweit Öl, Gas und Kohle durch saubere Energien zu ersetzen. Um Hitzewellen, Überschwemmungen und andere Katastrophen abzufedern, die als Klimafolgen schon jetzt in manchen Ländern wüten – und ärmere Länder besonders hart treffen. Doch schon in reichen Staaten wie Deutschland wird politisch um jede Milliarde fürs Klima gerungen. Ärmere Länder, die ohnehin wegen hoher Zinsen und Inflation immer tiefer in ihren Schulden versinken, haben das Geld erst recht nicht.

Hier soll eine Reform der internationalen Finanzmärkte ansetzen, die in dieser Woche in Washington bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds IWF und der Weltbank diskutiert wird. Im Fokus: Die Weltbank, deren Hauptaufgabe bisher ist, armen Ländern Geld zu günstigen Konditionen zu leihen mit dem Ziel, deren Wirtschaft zu stärken und so die Armut zu reduzieren. Geht es nach einem Vorschlag von Deutschland und anderen großen Anteilseignern, soll die Weltbank nun einen neuen Kernauftrag bekommen: Eingreifen bei globalen Krisen wie Klimawandel und Artensterben.

Das Ziel: Die Weltbank soll ärmeren Ländern über ihre Darlehen zu billigem Geld verhelfen und die Finanzströme gleichzeitig dorthin lenken, wo sie zur Bekämpfung der Klimakrise benötigt werden. Experten sprechen von «shifting the trillions», einer Umverteilung von Billionen. Denn nach Schätzungen der UN sind bis 2050 weltweit Klima-Investitionen von 125 Billionen Dollar erforderlich, wenn die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden soll.

Was soll mit der Reform erreicht werden?

Der Reforminitiative zufolge, die von Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ausging, soll die Weltbank Ländern attraktive Zinskonditionen geben, die den Klimaschutz vorantreiben. «Diese Investitionen müssen günstiger sein», sagt Schulzes Staatssekretär Jochen Flasbarth. Die Summen, die die Weltbank zur Verfügung stellt, sollen erheblich steigen. Dafür müsse die Bank mutiger werden, ihr Eigenkapital besser nutzen und die bisher sehr konservative Herangehensweise lockern. Mehrere Milliarden Dollar könnten so zusätzlich mobilisiert werden.

Die Befürchtung, wenn die Weltbank mehr Geld für Klimaschutz gebe, bleibe weniger für die Armutsbekämpfung übrig, teilt Flasbarth nicht. «Wir müssen deutlich machen: Das ist keine Abkehr vom Entwicklungsfokus der Bank», betont er. Gerade unter den ärmsten Ländern litten viele am meisten unter dem Klimawandel, die Investitionen kämen ihnen also zugute. Außerdem solle das Geld der Weltbank nur der Hebel sein, um ein Vielfaches an privatem Kapital zu aktivieren. Dann könne man die staatliche Entwicklungshilfe wieder stärker auf die ärmsten Länder richten.

Doch genau da sehen Entwicklungsorganisationen auch eine Gefahr: Die Reform dürfe den reichen Ländern nicht den Druck nehmen, ihre Entwicklungsetats aufzustocken, warnt etwa Oxfam-Experte Jan Kowalzig. Die Hilfe der Weltbank sehe auf dem Papier zwar nach viel Geld aus, letztlich seien es aber nur Kredite. Und da komme es darauf an, ob etwa der Aufbau erneuerbarer Energien gefördert werde oder die Anpassung eines Landes an Überschwemmungen und Dürre.

Im Fall erneuerbarer Energien könnten die Kredite Wachstum antreiben und ein Land voranbringen. Bei Frühwarnsystemen gegen Unwetter, Häusern auf Pfählen, Dämmen oder Bewässerungssystemen gehe es aber um den Erhalt des Status quo – für so etwas müsse es Zuschüsse statt Kredite geben, fordert Kowalzig. «Ländern Geld zu leihen, um sich an Folgen einer Klimakrise anzupassen, die sie selbst am wenigsten verursacht haben, das ist aus dem Blickwinkel der Klimagerechtigkeit sehr problematisch.» Es treibe ärmere Länder nur noch tiefer in die Schuldenfalle. Außerdem unterstütze die Weltbank selbst aktuell noch massiv fossile Energien.

Welche Änderungen hat die Weltbank schon versprochen?

Das kritisieren auch Klimaaktivisten. Seit 2015 habe die Weltbank 15 Milliarden Dollar an privatem und öffentlichem Kapital etwa für den Ausbau von Kohle, Öl und Gas mobilisiert, heißt es in einem Bericht der NGO-Koalition The Big Shift Global. Hier verspricht die Weltbank bereits seit längerem Änderungen. Auch der Vorschlag der Bank, ihr Leitbild zu ändern, zielt darauf ab. Dabei geht es darum, den Fokus auf einen erweiterten Wohlstandsbegriff zu legen, der sich nicht nur an klassischen Parametern wie dem Bruttoinlandsprodukt orientiert. Es soll künftig neben der Beendigung der extremen Armut noch viel mehr darum gehen, den gemeinsamen Wohlstand durch eine «nachhaltige, widerstandsfähige und integrative Entwicklung» zu fördern.

«Wir müssen das Augenmerk weiter auf die ärmsten Ländern richten – aber wir brauchen einen integralen Ansatz», sagt Axel van Trotsenburg, der seit rund 35 Jahren für die Weltbank arbeitet und heute Senior Managing Director dort ist, beim Gespräch in Washington. «Eine Organisation, die sich statisch definiert, ist irrelevant», betont er. Deshalb sei es nach der Corona-Pandemie wichtig, zu reflektieren, was die aktuellen Herausforderungen seien. Eine Pandemie oder die Klimakrise würden arme Länder noch tiefer in die Armut stürzen. Die Weltbank argumentiert daher, dass es sinnvoll sei, derartige Krisen von vornherein mitzudenken.

Manager Ajay Banga wird neuer Weltbank-Chef

Doch so eine tiefgreifende Reform eines großen Tankers wie der Weltbank ist kein einfaches Unterfangen. «Eine Reform muss man managen», sagt Van Trotsenburg. Die Weltbank sei eine große multilaterale Organisation, Steuergeld sei involviert, es gebe Interessen – man müsse wissen, wie man das macht. «Aber wenn Sie einen Großbetrieb in Deutschland leiten, müssen Sie Ihr Geschäft auch kennen.» Wichtig sei, dass man Ambitionen habe. Und auch Van Trotsenburg macht deutlich: «Für die Weltbank ist es undenkbar, vom Ziel der Armutsbekämpfung abzurücken.»

Die Reform fällt nun genau in den Wechsel an der Spitze an der Bank. Weltbankchef David Malpass hat im Februar überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Der US-Ökonom war wegen einer Äußerung zur Klimakrise in die Kritik geraten. Ihm soll nun mitten im Reformprozess der indisch-amerikanisch Manager Ajay Banga folgen. Van Trotsenburg betont: «Jeder neue Präsident wird wahrscheinlich neue Akzente setzen – und das ist auch gut so.»

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