Angst vor Habecks Gesetz: Run auf Öl- und Gasheizungen

München (dpa). Das vom Bund geplante Öl- und Gasheizungsverbot hat in diesem Frühjahr zunächst den gegenteiligen Effekt: Heizungsbaubetriebe und -verbände in mehreren Bundesländern melden rekordverdächtige Bestellungen von fossilen Heizungen, inklusive monatelanger Lieferzeiten. Manche Handwerksbetriebe raten ihren Kunden bereits von einer neuen Ölheizung ab, weil nicht gewährleistet ist, dass diese noch vor Jahresende geliefert werden kann.

An diesem Freitag behandelt der Bundesrat das neue Gebäudeenergiegesetz aus dem Ressort von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), das zum 1. Januar in Kraft treten soll. «Wir haben einen Run auf Öl- und Gasheizungen», sagt Jürgen Engelhardt, Geschäftsführer des Fachverbands Sanitär-, Heizungs-, Klima- und Klempnertechnik Niedersachsen. «Herr Habeck hat genau das Gegenteil erreicht von dem, was er wollte.»

Ganz im Süden Deutschlands zeichnet Handwerksmeister Gerhard Hardrath ein ganz ähnliches Bild: «Jetzt überrennen wir aktuell die Industrie mit der Nachfrage nach Ölkesseln», sagt der Oberinnungsmeister der Heizungs- und Sanitärbetriebe im oberbayerischen Landkreis Rosenheim. Die aktuellen Lieferzeiten etwa für eine neue Ölheizung beziffert der Handwerksmeister auf etwa ein halbes Jahr, unterschiedlich je nach Hersteller und Typ.

Wärmepumpen sind schon lange knapp und noch schwerer zu bekommen: «Da liegen die Lieferzeiten auch schon mal zwischen neun und zwölf Monaten», sagt ein Sprecher des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (SHK) in Sankt Augustin. «Und selbst wenn Wärmepumpen geliefert werden, fehlen oft noch Bauteile, um sie funktionsfähig einzubauen.»

Der Zentralverband bestätigt, dass die Heizungsbauer derzeit häufig nicht wissen, wozu sie ihren Kunden raten solle: «Unseren Betrieben fehlt aktuell die Rechtssicherheit bei Planung, Beratung und Bauausführung.»

Kunden sind verunsichert

Der Bundesverband der Heizungsindustrie meldete am Dienstag einen Rekordabsatz von 306.500 Anlagen im erste Quartal. Der Verkauf klimafreundlicher Wärmepumpen schoss auf 96.500 Anlagen in die Höhe, im Jahresvergleich mit einem Plus von 111 Prozent mehr als eine Verdopplung.

Doch Gas- und Ölheizungen wurden mit insgesamt 188.500 Anlagen nach wie vor sehr viel häufiger verkauft, davon 168.000 mit Gas und 20.500 mit Öl befeuert. Ölheizungen waren in den vergangenen Jahren wenig gefragt, nun haben sich die Verkaufszahlen ebenfalls verdoppelt.

Heizungsbauer seien mittlerweile «auch Psychologen und Seelsorger», sagt Engelhardt. Die Kunden sind verunsichert, das liegt vor allem an den Kosten. Wärmepumpen sind nach einer groben Faustformel etwa dreimal so teuer wie eine fossile Heizung.

Das beschäftigt keineswegs nur private Hausbesitzer, sondern auch Wohnungsgesellschaften. Hans Maier, der Direktor des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen, beziffert die Kosten einer Wärmepumpe für ein Zehnfamilienhaus auf etwa 100.000 Euro, verglichen mit 30.000 für eine Gasheizung.

Und abgesehen davon sind nach Schätzung Maiers die Hälfte aller Mietshäuser für den Einbau von Wärmepumpen im jetzigen Zustand ungeeignet. Eine Wärmepumpe lässt sich zwar auch bei einem unsanierten Haus installieren: «Aber dann geht der Stromverbrauch durch die Decke», sagt der niedersächsische SHK-Chef Engelhardt.

Eine pauschale Formel, welche Häuser für den Einbau von Wärmepumpen modernisiert werden müssen, gibt es nicht. «Jedes Gebäude ist individuell», sagt Engelhardt. Doch auch er schätzt, dass etwa die Hälfte der Wohngebäude für den Einbau einer Wärmepumpe nachgerüstet werden müsste, etwa mit besserer Dämmung oder Fußboden- beziehungsweise Wandheizung.

«Maßnahmen nicht erschwinglich»

Das kann die Kosten in Höhen treiben, die für viele Hausbesitzer nicht oder nur sehr schwer bezahlbar sind. «Solche Maßnahmen sind eben für den Großteil der Menschen in Deutschland nicht erschwinglich», kritisierte kürzlich Hans-Peter Sproten, Hauptgeschäftsführer des SHK-Fachverbands in Nordrhein-Westfalen.

In ländlichen Regionen wohnen viele Menschen im eigenen Haus, sind aber ansonsten keineswegs wohlhabend. Wer eine neue Öl- oder Gasheizung einbauen lässt, bezahlt in der Regel unter 20.000 Euro. Muss das Haus für den Einbau einer Wärmepumpe nachgerüstet werden, erreichen die Kosten schnell eine hohe fünfstellige oder gar sechsstellige Summe – die maßgebliche Erklärung des derzeitigen Fossilheizungsbooms.

Wohnungsunternehmen, insbesondere dem Gemeinwohl verpflichtete Genossenschaften und kommunale Gesellschaften, stehen in größerem finanziellen Maßstab vor der identischen Herausforderung. Letztlich müssen die Mieter den Klimaschutz in Form von Mieterhöhungen bezahlen, ob neue Heizung oder die bis 2045 verlangte Klimaneutralität.

«Ältere Menschen, Nettoeinkommensbezieher von 800, 1000, 1200 Euro, die wohnen bei uns», sagt VdW-Direktor Maier, der mit seinem Verband gut 500 überwiegend sozial orientierte Wohnungsunternehmen in ganz Bayern vertritt. «Es gibt Menschen, die es einfach nicht schaffen.»

Zwar werden Wärmepumpen vom Staat bezuschusst. Aber zunächst müssen Hausbesitzer die Kosten selbst vorfinanzieren, bevor die erhoffte Förderung nachträglich auf dem Konto eintrifft. Was Eigenheimbesitzer betrifft, so haben mutmaßlich nur die wenigsten 50.000 oder 100.000 Euro frei verfügbar auf der Bank liegen.

«Da geht den Leuten der Schnauf aus», sagt der Rosenheimer Oberinnungsmeister Hardrath. «Wenn man sich das Gebäudeenergiegesetz durchliest, ist das gespickt mit Verboten und nicht mit Anreizen», meint der Handwerker. «Wir sehen das alles sehr kritisch.»

Von Carsten Hoefer, dpa

Grüne mahnen nach Flüchtlingstreffen weitere Schritte an

Berlin (dpa). Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour hat nach dem Bund-Länder-Treffen zur Flüchtlingspolitik rasch weitere Schritte gefordert. «Die Kommunen tragen eine große Last zurzeit», sagte er im ARD-«Morgenmagazin». Einige Kommunen seien wirklich am Limit, und deshalb brauche es schnell Hilfe. «Jenseits aller anderen Diskussionen ging es darum, dass jetzt Geld fließt. Und das ist gelungen.»

Nouripour räumte zugleich ein: «Ich verstehe aber auch all diejenigen, die sagen: Wir müssen langfristige Lösungen genau für diese Frage finden. Und deshalb muss man jetzt so schnell wie möglich zu Lösungen kommen bei der Finanzierung. Wer sich von Gipfel zu Gipfel hangelt, der kriegt keinen Boden unter die Füße.» Die vereinbarte Arbeitsgruppe müsse daher so schnell wie möglich Lösungen für die Zeit nach 2023 finden.

Der Bund hatte bei der Einigung mit den Ländern am Mittwochabend eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung an den Kosten der Flüchtlingsversorgung für dieses Jahr zugesagt. Über die künftige Aufschlüsselung der Kosten soll nach Beratungen in einer Arbeitsgruppe aber erst im November entschieden werden. Dies stieß bei den Kommunen auf Kritik. «Mit einer Vertagung drängender Probleme können die Landkreise nicht wirklich zufrieden sein», sagte etwa der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

«Nur ein Tropfen auf den heißen Stein»

«Eine Einigung erst im November kommt für das Jahr 2024 deutlich zu spät und stößt bei den Kommunen auf große Enttäuschung», sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der «Rheinischen Post». Die Milliarde sei «nur ein Tropfen auf den heißen Stein».

Er äußerte sich mit Blick darauf, dass eine dauerhafte Lösung zur Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung auf den Herbst vertagt worden war. «Das ist ein schlechtes Signal an die Städte», sagte Städtetags-Präsident Markus Lewe der Zeitung.

«Mit einer Vertagung drängender Probleme können die Landkreise nicht wirklich zufrieden sein», sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Vertreter der Kommunen waren zu dem Treffen nicht eingeladen worden.

Mit der vom Bund zusätzlich zur Verfügung gestellten Milliarde sollen die Länder dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren. Der Bund hatte zuvor bereits 1,5 Milliarden Euro für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in diesem Jahr zugesagt sowie 1,25 Milliarden Euro für andere Geflüchtete. Sachsen, Bayern und Sachsen-Anhalt hielten in einer Protokollerklärung Vorbehalte gegenüber den Gipfel-Ergebnissen fest.

Kritik von der Opposition

Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, nannte die Runde im Kanzleramt im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) einen «Enttäuschungsgipfel». Die Vorsitzenden der AfD-Fraktion, Alice Weidel und Tino Chrupalla, bezeichneten die Ergebnisse als «nicht geeignet, die dringend erforderliche Migrationswende in Deutschland einzuleiten. Noch mehr Geld für noch mehr Flüchtlinge wird die Flüchtlingskrise nicht lösen, sondern verlängern.»

CSU-Innenexpertin Andrea Lindholz hält die Ergebnisse für unzureichend – vor allem wegen zu dürftiger Ergebnisse für die Kommunen. Lindholz sprach von einem «Gipfel der verpassten Chancen». Es gebe zwar eine Milliarde Euro mehr. «Aber das, was die Kommunen eigentlich eingefordert haben, nämlich Planungssicherheit bei den Finanzen und eine Begrenzung der Zuwanderung, das ist beides ausdrücklich nicht beschlossen worden.»

Die AfD im Bundestag stuft die Ergebnisse als völlig unzureichend ein. «Noch mehr Geld für noch mehr Flüchtlinge wird die Flüchtlingskrise nicht lösen, sondern verlängern», erklärten die Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla in Berlin. «Es ist völlig irrelevant, ob der Bund oder die Länder die finanziellen Lasten der ungebremsten Einwanderung nach Deutschland tragen: Am Ende zahlen die Bürger mit höheren Steuern und Abgaben.»

Eindämmung von irregulärer Migration

Die Aufstockung der Beteiligung gilt als Zugeständnis an die Länder. Die sehen allerdings den Bund grundsätzlich in der Pflicht. «Der Bund allein hält den Schlüssel zur Steuerung und Begrenzung der Migration in der Hand. Solange er diesen Schlüssel nicht ausreichend nutzt, muss er sich an den Kosten der Länder und Kommunen beteiligen», sagte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der im November Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) sein wird. In dem Beschlusspapier des Gipfels heißt es auch: «Aus Sicht der Länder bedarf es eines atmenden Systems, bei dem sich die finanzielle Unterstützung des Bundes an den Zugangszahlen der Geflüchteten orientiert.»

Überwiegend begrüßt wurden Absichtserklärungen der Bundesregierung, die sogenannte irreguläre Migration stärker einzudämmen, auch wenn hierfür noch Verhandlungen auf EU-Ebene bevorstehen. Um Abschiebungen konsequenter durchzusetzen, hätten sich Bund und Länder auch darauf verständigt, die maximale Dauer des Ausreisegewahrsams von derzeit 10 auf 28 Tage zu verlängern, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

In Ausreisegewahrsam können Menschen genommen werden, die in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen, sich aber häufiger unkooperativ verhalten haben – zum Beispiel mit falschen Angaben über ihre Staatsangehörigkeit. Vereinbart wurden den Angaben zufolge auch erweiterte Zuständigkeiten der Bundespolizei und ein verbesserter Informationsaustausch zwischen Justiz- und Ausländerbehörden.

 

 

 

Wagenknecht kritisiert Karlspreis-Verleihung an Selenskyj

Berlin (dpa). Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht sieht den ukrainischen Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj als ungeeigneten Träger des Karlspreises der Stadt Aachen.

Europa sei nach dem Zweiten Weltkrieg als Projekt des Friedens gegründet worden. «Wer den Karlspreis erhält, sollte alles dafür tun, den Krieg in der Ukraine durch Verhandlungen und einen Kompromissfrieden zu beenden», sagte die Bundestagsabgeordnete den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Wagenknecht ergänzte, es wäre gut, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) «Selenskyj überzeugen könnte, einen solchen Weg von seiner Seite zu ermöglichen».

Die 53-Jährige verfasste zusammen mit der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer ein «Manifest für Frieden», das unter anderem ein Ende der Waffenlieferungen und Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin fordert. Das Manifest hatte auch viel Kritik auf sich gezogen.

«Ich frage mich, was diese Menschen erreichen wollen»

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, zeigte sich skeptisch gegenüber der Forderung unter anderem von Wagenknecht nach einem Waffenstillstand und Verhandlungen mit Russland. «Ich frage mich, was diese Menschen erreichen wollen. Ich habe noch keinen einzigen Vorschlag gesehen, wie sie sich Verhandlungen vorstellen. Ich habe auch nicht mitbekommen, dass diese Menschen vor der russischen Botschaft gegen Putins Krieg demonstriert hätten», sagte Makeiev dem «Spiegel». Für die Ukrainer sei das «kein Krieg im Fernsehen», jeder sei betroffen, auf die eine oder andere Art und Weise.

Der Karlspreis wird seit 1950 an Persönlichkeiten verliehen, die sich um die Einheit Europas verdient gemacht haben. Dass Selenskyj und das ukrainische Volk in diesem Jahr mit dem renommierten Preis geehrt werden sollen, hatte das Direktorium bereits im Dezember entschieden. Übergeben wird der Preis am 14. Mai. Die Veranstalter hatten angegeben, sich auf eine persönliche Teilnahme des Präsidenten vorzubereiten, diese sei aber noch offen.

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Mainz gegen Schalke definitiv am 5. Mai

Mainz (dpa/lrs) – Das für den 5. Mai geplante Bundesligaduell zwischen dem FSV Mainz 05 und dem FC Schalke 04 wäre von einer möglichen Verschiebung des rheinischen Derbys Bayer Leverkusen gegen 1. FC Köln auf den gleichen Tag nicht betroffen. «Das Spiel wird wie geplant am Freitag stattfinden. Es geht aus organisatorischen Gründen gar nicht anders», sagte Tobias Sparwasser, Direktor Kommunikation der Mainzer, der «Sportschau». Weiterlesen

«Beste News»: Sängerin LaFee postet Babybauch-Foto

Berlin (dpa) – Viele Glückwünsche für Sängerin LaFee («Virus»): Die 32-Jährige aus Stolberg bei Aachen hat auf Instagram ein Foto mit deutlichem Babybauch gepostet. «WIR haben die Sonne in vollen Zügen genossen. Liebe für euch alle», schrieb sie. Weiterlesen

Störung bei elektronischen Nachrichten in der Saar-Justiz

Saarbrücken (dpa/lrs) – Der elektronische Rechtsverkehr mit der Justiz ist im Saarland in der vergangenen Woche umfassend gestört gewesen. Die Störung habe von Mittwoch bis Freitag vergangener Woche angedauert und die Zustellung von Nachrichten an Gerichte, Staatsanwaltschaften und andere Justizbehörden verhindert, teilte ein Sprecher des Justizministeriums am Donnerstag mit. Der Nachrichteneingang während dieses Zeitraums sei mittlerweile vollständig nachvollzogen worden. Weiterlesen

Shakespeare und Skate-Tanz – Ruhrtriennale startet im Sommer

Duisburg/Bochum (dpa) – Shakespeares «Sommernachtstraum», eine Tanz-Choreografie mit Bochumer Skatern und eine Oper, bei der die Sänger mitten im Publikum stehen – die Ruhrtriennale zeigt im turnusmäßig letzten Jahr der Intendanz der Schweizer Regisseurin Barbara Frey noch einmal ein breites Programm aus Oper, Schauspiel, Musik und Tanz. Das Festival findet jeweils drei Jahre unter einer künstlerischen Leitung in einstigen Industriehallen des Ruhrgebiets statt – 2023 vom 10. August bis zum 23. September.

34 Produktionen und Projekte mit mehr als 600 Beteiligten seien geplant, sagte die Geschäftsführerin Vera Battis-Reese am Donnerstag bei der Vorstellung des Programms. Ebenfalls am Donnerstag startete der Vorverkauf für die rund 34 000 Karten. Weiterlesen

«Schicksalswahl» in Türkei – Wie stimmen die Deutsch-Türken?

Von Yuriko Wahl-Immel, Arne Bänsch und Serhat Koçak, dpa

Düsseldorf/Berlin/Istanbul (dpa) – Wenn Grundschullehrerin Esra Yavuz in diesen Tagen ihre Stimme für die Parlaments- und Präsidentschaftswahl in der Türkei abgibt, dann in der Hoffnung auf einen Politikwechsel. «Ich wähle für die Menschen, die dort leben und auch für mich – die Türkei ist mein Land», sagt die 41-Jährige aus Berlin. Die Deutsch-Türkin ist eine von rund 1,5 Millionen Wahlberechtigten, die bundesweit ab Donnerstag über Ab- oder Wiederwahl des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mitentscheiden.

Am Esstisch der Familie Yavuz im Berliner Ortsteil Westend wird lebhaft über die Wahl diskutiert, die als größte Herausforderung der politischen Karriere Erdogans gilt. Nicht erst seit der Erdbebenkatastrophe im Februar muss er um seine Wiederwahl fürchten. «Durch das Erdbeben wurden die Menschen wachgerüttelt und haben am eigenen Leib den Schmerz gespürt und gesehen, wie wichtig ein funktionierender Staat ist», meint Esra Yavuz. Ein Teil ihrer Familie stammt aus der schwer zerstörten Stadt Antakya, in der viele Bewohner über schleppende Hilfe geklagt hatten.

Knapper Ausgang der Wahlen erwartet

Aktuelle Umfragen deuten auf ein knappes Rennen zwischen Erdogan und seinem stärksten Herausforderer Kemal Kilicdaroglu von der größten Oppositionspartei CHP. Umso spannender wird Erdogans Abschneiden unter den Deutsch-Türken. In Nordrhein-Westfalen sieht der türkischstämmige Journalist Hüseyin Topel diesmal eine «greifbare Chance» für die Opposition – und warnt vor Wahlmanipulation. Der Journalist aus Hilden bei Düsseldorf hält einen Rekordwert bei der Wahlbeteiligung hierzulande für gut möglich. «Die Türken in Deutschland fühlen sich durch diese Art der Teilhabe vollwertig und zugehörig. Sie wollen keine Türken zweiter Klasse sein.» Und er mahnt: «Es ist höchste Vorsicht geboten. Besonders die Wahlurnen im Ausland müssen durch Unterstützer der Opposition parteiübergreifend akribisch bewacht werden.»

Nimmt man vergangene Abstimmungen als Beispiel, darf die AKP zumindest bei Wählern in Deutschland auf einen Erfolg hoffen. 2018 kam Erdogan hierzulande auf 64,8 Prozent – und insgesamt nur auf 52,6 Prozent. «Die religiös-konservativen Milieus sind in Deutschland überproportional vertreten und gut organisiert, was ihre Mobilisierung erleichtert», sagt Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien in Essen. Das habe unter anderem mit der Arbeitsmigration seit den Sechzigerjahren zu tun, die vor allem aus dem ländlich geprägten anatolischen Kernland erfolgt sei – nicht aus Metropolen und Küstenregionen wie Istanbul, Ankara oder Izmir, wo säkulare und oppositionelle Milieus stark sind.

Nimmt der Zuspruch zu Erdogan ab?

In den letzten Jahren wanderten jedoch viele Studierende, Fachkräfte und Oppositionelle ein – und das könne die Zusammensetzung der Wählerschaft zu Gunsten der Opposition verändern. «Dennoch dürfte das am hohen Zuspruch für Präsident Erdogan in Deutschland nur unmerklich etwas ändern», glaubt Yunus Ulusoy. In den Moscheen seien AKP-Wählerschichten überrepräsentiert.

Die Stimme der AKP geben, das kann Esra Yavuz nicht nachvollziehen. «Man sieht das ganze Unglück in der Türkei, lebt aber in einem demokratischen Land. Du hast alles hier, wählst in deinem Land aber eine quasi nicht-demokratische Partei.» Auch ihr Ehemann Cagdas glaubt, dass es diesmal gefährlich werden kann für Erdogan. Aber: Es sei nicht die erste «Schicksalswahl» in der Türkei – und der Ausgang sei für viele Menschen trotz zunächst großer Hoffnungen meist doch eine Enttäuschung gewesen. «Mein Vater hat diese Hoffnung die letzten 50 Jahre gehabt. Ich glaube nicht, dass er noch erleben wird, dass die Türkei sich so entwickelt, wie er es sich immer wünschte.»

Außerhalb der Türkei hat Deutschland die weltweit größte türkische Community vorzuweisen – mit rund drei Millionen Menschen. Unter den Bundesländern leben die meisten Türkischstämmigen in NRW, wo nun gut 500.000 Menschen wahlberechtigt sind. Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker sind drei Monate vor den Abstimmungen hierzulande nicht erlaubt. Für Privaträume gilt aber etwas anderes. «Ein größeres Augenmerk sollte man auf die kleineren Sozialräume im Umfeld der Moscheegemeinden werfen, da sich die Personen für Wahlpropaganda häufig im Privaten treffen», rät Topel. In diesem Kontext tauchten auch immer wieder Politiker aus der Türkei auf.

Stimmung machen auf Social Media

Die Ditib in Köln als größter Islamverband könne zwar versuchen, zu Gunsten von Erdogan und AKP «propagandistisch» Einfluss zu nehmen, eine allzu große Rolle werde das aber wohl nicht spielen, glaubt Topel. Hingegen werde via Facebook, Instagram, TikTok und Twitter viel Stimmung für die AKP gemacht. Und in Deutschland werde viel lineares türkisches TV gesehen. Ein Großteil der Medien in der Türkei stehe unter direkter oder indirekter Kontrolle der Regierung.

Der Türkische Bund in NRW rechnet ebenfalls mit einer sehr hohen Wahlbeteiligung hierzulande. Angesichts medialer «Überfrachtung» und damit einhergehender Polarisierung sei es eine «Gewissensfrage», wählen zu gehen und möglichst noch viele Menschen für das eigene Lager zu mobilisieren, beobachtet der Vorsitzende Serhat Ulusoy.

Unternehmer Mehmet D. vom Niederrhein hätte wegen der Erdbeben eine Verschiebung der Wahlen besser gefunden. Erdogan habe versprochen, die zerstörten Häuser binnen eines Jahres wieder aufzubauen – man hätte mit dem Votum warten sollen, um zu prüfen, ob das Versprechen umgesetzt wird, findet er. Im türkischen Fernsehen würden immer wieder Fortschritte beim Wiederaufbau gezeigt, den Opfern werde nach anfänglichen Problemen sehr geholfen. Das werde auch von der türkischen Community in Deutschland wahrgenommen. «Damit ergattert sich Erdogan natürlich Pluspunkte.»

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Gericht entscheidet im Zoff zweier Eierlikörhersteller

Düsseldorf (dpa) – Im Streit zweier Eierlikörhersteller wird das Düsseldorfer Oberlandesgericht heute (11.00) ein Machtwort sprechen. Der Spirituosenfabrikant Verpoorten aus Bonn hat seinen Konkurrenten Nordik aus dem niedersächsischen Jork wegen dessen Werbung verklagt.

Die Niedersachsen hatten fünf Eierlikörflaschen für fünf verschiedene Geschmacksrichtungen mit dem Zusatz «Ei, Ei, Ei, Ei, Ei» beworben. Darin sehen die Anwälte Verpoortens eine zu große Nähe zur seit Jahrzehnten geschützten Wortmarke «Eieiei Verpoorten» (Az.: I-20 U 41/22). Weiterlesen

Der Hut, der hat 13 Ecken – und löst eine Knobelei

Yorkshire/Bielefeld (dpa) – Wer beim Fliesenlegen keine Lust auf regelmäßig wiederkehrende Muster hat, verdankt einem Team aus professionellen und Hobby-Mathematikern seit kurzem eine neue Option.

Die Männer aus Großbritannien, Kanada und den USA haben eine Kachelform gefunden, mit der man eine unendliche Fläche lückenlos auslegen könnte, ohne dass sich ein Grundschema dabei regelmäßig wiederholen würde. Aperiodische Pflasterung nennen das Fachleute. Die Kachel hat 13 Ecken und erinnert mit etwas Fantasie an einen Hut.

Die Suche nach einer solchen Form beruht auf einer rein mathematischen Fragestellung, einem Rätsel – wenn man so will. Wirkliche Relevanz für die Praxis hat sie nicht. «Aperiodische Pflasterungen sind anwendungsarm», drückt es Mathematiker Dirk Frettlöh aus, der sich an der Universität Bielefeld mit dem Thema befasst. Weiterlesen

Erstochene Lehrerin – 17-Jähriger tot in U-Haft gefunden

Ibbenbüren (dpa) – Der 17-Jährige, der Anfang 2023 in Ibbenbüren eine Lehrerin getötet haben soll, ist am Mittwoch in der Justizvollzugsanstalt Herford tot aufgefunden worden. Wie die Staatsanwaltschaft Bielefeld am Mittag mitteilte, sei ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet worden. Am Freitag soll der Körper obduziert werden. Nach Angaben der JVA deutet die Situation in dem Einzelhaftraum auf einen Suizid hin. Zuvor hatte das «Westfalen-Blatt» (online) berichtet. Weiterlesen

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