Gericht: Keine Baugenehmigung für Moschee in Germersheim

Neustadt/Wstr. (dpa/lrs) – Das Verwaltungsgericht in Neustadt/Wstr. hat die Klage des Ditib Türkisch Islamische Gemeinde Germersheim e.V. auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine Moschee abgewiesen. Nach dem bisherigen Inhalt des Bauantrags lasse sich nicht hinreichend sicher beurteilen, ob die Nachbarschaft unzumutbaren Beeinträchtigungen ausgesetzt werde, teilte das Gericht in der pfälzischen Stadt am Freitag mit. Die Angaben im Bauantrag seien zum großen Teil unplausibel und könnten daher nicht als Grundlage einer Baugenehmigung dienen (Aktenzeichen 4 K 493/22.NW). Weiterlesen

Synode für Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen

Frankfurt/Main (dpa/lhe) – Mit überwiegender Mehrheit der Delegierten hat die Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) ein Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen verabschiedet. «Es ist ein Schritt auf einem Weg, der weitergeht», sagte Kirchenpräsident Volker Jung am Freitag in Frankfurt.

«Wir glauben heute: Homosexualität, Bisexualität, Trans- und Intersexualität, non-binäre und queere Lebensformen sind ein Teil der Schöpfung», zitierte Jung aus dem Schuldbekenntnis. Von 103 Mitgliedern der Synode stimmten 89 für das Bekenntnis, bei fünf Gegenstimmen und neun Enthaltungen. Weiterlesen

Priesterin gewinnt Klage: Mindestlohn im Joga-Ashram

Von Simone Rothe, dpa

Erfurt (dpa) – Eine geweihte Priesterin, die in Ashram-Tradition lebte und als «Sevaka» (Dienende) nach Spiritualität strebte: Deutschlands höchste Arbeitsrichter hatten es am Dienstag in Erfurt mit einem nicht alltäglichen Fall zu tun. Es ging um die Gemeinschaft Yoga Vidya e.V. mit Hauptsitz in Horn-Bad Meinberg in Nordrhein-Westfalen – nach eigenen Angaben für Yogalehrer Europas größtes Aus- und Weiterbildungszentrum.

Zu klären war vom Bundesarbeitsgericht, ob es sich dabei um eine religiöse Gemeinschaft handelt und ob die «Sevaka», die uneigennützige Dienste leisten, in einem Arbeitsverhältnis stehen und mehr als ein Taschengeld von nach Gerichtsangaben in der Regel 390 Euro monatlich erhalten müssen.

Die Entscheidung fiel eindeutig aus: Ja, die Klägerin, eine langjährige «Sevaka», habe Arbeitnehmerstatus und damit Anspruch auf Mindestlohn. Das Urteil des Neunten Senats (9 AZR 253/22) kann erhebliche finanzielle Folgen für die bundesweite agierende Yoga-Gemeinschaft mit ihren nach eigenen Angaben 252 Sevakas haben.

Der Fall

Die Klägerin, Volljuristin und geweihte Priesterin mit der Befähigung, bestimmte Rituale zu vollziehen, war von 2012 bis 2020 Mitglied der Gemeinschaft. Die Vereinsmitglieder lebten laut Satzung «in spirituellen Gemeinschaften in alter indischer religiöser Ashram- und Klostertradition und widmen ihr Leben ganz der Übung und Verbreitung der Yoga-Lehren» – umschrieben die Richter den Fall. Die heute 42-Jährige hatte einen Vertrag mit dem Verein, der sie unter anderem zu Seva-Diensten verpflichtete.

Die Klägerin

Sie war nach eigenen Angaben wöchentlich 42 Stunden unter anderem in der Seminarplanung oder im Onlinemarketing eingesetzt. Als Sevaka war sie gesetzlich sozialversichert, erhielt Unterkunft und Verpflegung gratis sowie ein Taschengeld. Die Frau pochte darauf, dass ihr für ihre geleisteten Dienste eine Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zusteht – es geht ihr um mehr als 46 000 Euro seit 2027. Ihr Anwalt sagte zu dem Verein in der Verhandlung: «Wir haben ein aggressiv auf dem Yoga-Markt auftretendes Unternehmen, das wirtschaftliche Ziele verfolgt.» Und: «Yoga ist keine Religion.»

Das Urteil

Die höchsten deutschen Arbeitsrichter mussten zunächst klären, ob der Verein mit vier Seminarhäusern (Ashram) an der Nordsee, im Westerwald, im Allgäu und im Teutoburger Wald im Sinne des Grundgesetzes eine Religionsgemeinschaft ist und damit einige Sonderrechte hat. «Was ist jetzt die Religion, die Weltanschauung?», frage der Vorsitzende Richter, Heinrich Kiel, den Anwalt des Vereins. In seinem Urteil sagte Kiel, der verklagte Yoga-Verein sei «weder eine Religions- noch Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes». Es fehle das erforderliche Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung.

Und: Die Klägerin habe weder als Vereinsmitglied noch als Mitglied einer weltanschaulichen Gemeinschaft, sondern als Arbeitnehmerin Dienste erbracht. Ihr stehe Mindestlohn zu, weil sie weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit geleistet habe. «Kost und Logis sind auf die Erfüllung des Mindestlohns nicht anzurechnen», so der Richter. Über dessen Höhe muss nun das Landesarbeitsgericht Hamm erneut verhandeln.

Reaktion der Yoga-Gemeinschaft

Der Yoga Vidya e.V bezeichnete das Urteil zu der Mindestlohnklage als irritierend. Es entspreche weder dem Selbstverständnis der Gemeinschaft «noch unserer Lebenswirklichkeit», erkläre die 2. Vorsitzende, Swami Nirgunananda (Siglinde Langer). Nach Vorlage der Urteilsbegründung solle geprüft werden, «ob wir uns gegen diese Entscheidung mit einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht wehren».

Yoga Vidya sehe sich als weltanschauliche Lebensgemeinschaft und baue auf das Selbstverwaltungsrecht der Religionsgesellschaften und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Die Gemeinschaft verwaltet sich – ähnlich wie christliche Klöster – selbst. Die Einnahmen aus gebührenpflichtigen Kursen und Seminaren werden nach Angaben einer Sprecherin reinvestiert – in den Ausbau des Seminarprogramms oder den Betrieb der Gebäude.

Kabinett berät über Vertragsverhandlungen mit Islamverbänden

Mainz (dpa/lrs) – Das rheinland-pfälzische Kabinett befasst sich an diesem Dienstag mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen mit den vier islamischen Verbänden. Das Land will den gesellschaftlichen Zusammenhalt mit rund 200.000 muslimischen Menschen im Land schon seit vielen Jahren auf eine feste vertragliche Grundlage stellen und peilt dafür einen Vertrag für 2025 an. Dazu gehört islamischer Religionsunterricht und die Einrichtung eines Lehrstuhls für islamische Religion an der Universität Koblenz. Weiterlesen

Jesus-Hungersekte: Mindestens 58 Tote in Kenia

Nairobi (dpa) – Ein christlicher Sektenkult in Kenia hat mindestens 58 Menschen das Leben gekostet. Das teilte die Polizei in dem ostafrikanischen Land heute mit. Demnach seien allein seit dem Vortag weitere elf Leichen in einem Waldgebiet im Süden des Landes unweit der Küstenstadt Malindi entdeckt worden. Forensiker und Rettungskräfte suchten weiter nach Leichen sowie Überlebenden.

Die Behörden in Malindi hatten vor etwa anderthalb Wochen einen Hinweis erhalten, dass Anhänger eines örtlichen Pastors sich in der Hoffnung, «Jesus zu treffen», in dem Waldgebiet zu Tode hungerten. Weiterlesen

Ab in die Tonne: Essensverschwendung im Ramadan

Von Johannes Sadek, dpa

Kairo (dpa) – Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang läuft Baba Abdus Grillmeister zur Höchstform auf. Weißer, würzig riechender Qualm von Kuftaspießen und Hähnchenteilen zieht in die Luft vor dem Bab al-Futuh, einem historischen Stadttor von Kairo. Mitarbeiter verteilen Salat und Tahinapaste aus Kübeln auf kleine Blechteller. Fast jeder Tisch ist belegt. Dutzende warten darauf, hier beim Maghrib-Gebetsruf gleich ihr tägliches Fasten zu brechen.

Über Ägypten legt sich im Fastenmonat Ramadan, dessen Ende voraussichtlich ab dem Freitag gefeiert wird, jedes Jahr eine feierliche Stimmung. Die Tage drehen sich für gläubige Muslime viel um Verzicht, unter anderem auf Essen und Trinken. Nach Sonnenuntergang wird für Familie, Freunde und Kolleginnen dafür umso größer aufgetischt. Entgegen der Annahme, dass Fasten auch weniger Verbrauch bedeutet, steigt in diesen Wochen die Lebensmittel-Nachfrage stark an – wie auch die Menge an weggeworfenem Essen.

Überschüsse mit Bedürftigen teilen

«Es hat viel mit Kultur zu tun», sagt Nasredin Hag Elamin, Vertreter der Welternährungsorganisation FAO in Ägypten. «In unserer Region sind Großzügigkeit und das Anbieten von Essen ein Schlüsselelement der Kultur». Als religiöse Dimension kommt hinzu, dass Muslime überschüssiges Essen mit Bedürftigen teilen sollen. Dieses Gebot werde im Ramadan weit ausgelegt, sagt Hag Elamin, obwohl der Islam einen sparsamen Umgang mit Essen lehrt. «Die Menschen sollen frommer sein, verschwenden am Ende aber mehr», sagt Hag Elamin.

Ägypten ist mit dem Problem nicht allein. In Saudi-Arabien, der Wiege des Islams, werden im Fastenmonat laut einer UN-Studie etwa 30 bis 50 Prozent aller zubereiteten Speisen weggeworfen. In Katar sind es 25, in den Emiraten 40 Prozent. Grund seien «extravagante Mahlzeiten, die Bedürfnisse von Familien weit übersteigen und bei denen Reste weggeworfen werden». Auch im Libanon, Tunesien sowie Indonesien, wo die meisten Muslime weltweit leben, will man mehr Bewusstsein schaffen.

Neue Gewohnheiten

Kampagnen versuchen inzwischen, gezielt gegenzusteuern. Tipps mitunter: Plant die Mahlzeiten genauer, kauft nur, was Ihr wirklich braucht, lagert Lebensmittel korrekt und hebt Reste für weitere Tage auf oder spendet an Tafeln. «Der Ramadan ist eine hervorragende Gelegenheit für neue Gewohnheiten, die uns durch das ganze Jahr und darüber hinaus tragen werden», schreibt die Hilfsorganisation Islamic Relief. Auch bei Hochzeiten, Geburten und Todesfällen wird an Buffets oft übermäßig viel Essen angeboten.

An alten Gewohnheiten hängen sicher auch Familien in Europa, die an Weihnachten sparsamer mit Lebensmitteln umgehen wollen. In vielen Haushalten wird das Fest dann doch zur mehrtägigen Gruppen-Völlerei mit der Hoffnung, im folgenden Jahr endlich alles anders zu machen. Der Ablauf gleicht am Ende dem, den Sarah al-Haddad von der Egyptian Food Bank (EFB) aus ägyptischen Haushalten beschreibt: «Du wirst viele Gäste haben, also bereitest du viele Speisen vor.»

Mangels vergleichbarer Daten lässt sich kaum herausfinden, in welchen Ländern jährlich pro Kopf am meisten Essen verschwendet wird. Experten sehen aber ein globales Problem. Nicht nur wegen Hunderter Millionen hungernder Menschen, sondern auch mit der Klimakrise. Verluste etwa bei Ernten sowie Abfälle von Nahrungsmitteln sind laut FAO etwa für 8 bis 10 Prozent der Klimagasemissionen verantwortlich.

Ärmere Menschen und die Großfamilien

In Ägypten, das 65 Prozent seiner Grundnahrungsmittel importiert, mag die Verschwendung besonders stark auffallen: ein Drittel der – rasant wachsenden – Bevölkerung lebt in Armut, Preise für Lebensmittel steigen weiter. Viele ärmere Menschen kommen vor allem mit Hilfe der Großfamilie über die Runden. Die Tafel EFB sammelt auch Essen von Hotels, Restaurants und, so die Pläne, bald auch Supermärkten, um es etwa an Waisen- und Altenheime zu verteilen.

Die ägyptische Abgeordnete Amira Sabir hat schon vor einem Jahr einen Gesetzentwurf vorgelegt, um Essensabfälle zu verringern. Strafen für die Verschwendung von und Anreize für den sparsamen Umgang mit Essen sollen helfen, Restaurants etwa in die richtige Bahn zu lenken. Es brauche aber auch psychologische Ansätze, sagt Al-Haddad von der EFB, zum Beispiel kleinere Teller in Hotels. «Mit großen Tellern wirst du auch mehr Essen aufdecken.»

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Papst schenkt König Charles Reliquien vom Heiligen Kreuz

London/Llandudno (dpa) – Für seine Krönung erhält König Charles III. ein besonderes Präsent von Papst Franziskus. Der Pontifex schenkt dem britischen Monarchen, dem Oberhaupt der Anglikanischen Kirche, zwei Splitter des Heiligen Kreuzes, an dem der Bibel zufolge einst Jesus gekreuzigt wurde.

Die Reliquien wurden in das Kreuz von Wales eingearbeitet, das bei der Zeremonie am 6. Mai die Krönungsprozession anführen soll. Der Erzbischof des britischen Landesteils, Andrew John, segnete das Kreuz bei einem Gottesdienst in der nordwalisischen Stadt Llandudno, bevor es nach London gebracht wird.

Die Fragmente sind einen Zentimeter beziehungsweise fünf Millimeter klein und haben je die Form eines Kreuzes. Sie sind in ein größeres Silberkreuz hinter einem Rosenkristall-Edelstein eingelassen, sodass sie nur aus der Nähe gesehen werden können. Weiterlesen

Antisemitische Verschwörungsmythen in Österreich verbreitet Studie

Wien (dpa) – Mehr als ein Drittel der Menschen in Österreich glaubt laut einer Umfrage an judenfeindliche Mythen.

Unter den 2000 Befragten unterstützten 36 Prozent die Aussage, dass Juden die internationale Geschäftswelt beherrschten, hieß es in der vom Parlament beauftragen repräsentativen Studie, die präsentiert wurde. Ein ebenso großer Teil fand, dass Juden versuchen würden, Vorteile aus ihrer Verfolgung im Holocaust zu ziehen. Weiterlesen

Nach 25 Jahren: Gedenken an Colonia Dignidad ausgebremst

Von Denis Düttmann, dpa

Santiago de Chile (dpa) – Die chilenische Polizei rückt mit gepanzerten Fahrzeugen in die Colonia Dignidad ein, Hubschrauber kreisen über dem riesigen Gelände am Fuße der Anden. Die Beamten suchen mal wieder nach Paul Schäfer – doch auch diesmal können sie den so charismatischen wie brutalen Sektenführer aus Deutschland nicht finden.

Stattdessen nehmen die Polizisten sechs Mitglieder der Führungsriege fest. Später werden die Männer gegen Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt.

Die Razzia vor 25 Jahren markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der «Kolonie der Würde». Die Colonia Dignidad hatte sich ab 1961 zu einem Ort des Grauens entwickelt. Der Laienprediger Schäfer war damals mit seinen Anhängern von Deutschland nach Chile gezogen und hatte nahe der Stadt Parral eine Siedlung gegründet.

Viel Gewalt

Jahrzehntelang ließ er die Sektenmitglieder dort ohne Lohn bis zur Erschöpfung schuften, riss Familien auseinander und missbrauchte deutsche und chilenische Kinder. Während der Militärdiktatur unter General Augusto Pinochet (1973-1990) wurden auf dem Areal Regimegegner gefoltert und ermordet.

Immer wieder gab es Hinweise auf Gewalt und Missbrauch, allerdings wurden sie von der chilenischen und der deutschen Regierung lange Zeit ignoriert. Mit der Razzia am 17. April 1998 machten die chilenischen Strafverfolgungsbehörden schließlich klar, dass sie dem Treiben in der mittlerweile in Villa Baviera umbenannten Siedlung nicht länger tatenlos zusehen würden.

Fehlende Aufarbeitung

25 Jahre nach dem Paukenschlag in der Colonia Dignidad ist die Bilanz allerdings ernüchternd. «In der Colonia Dignidad wurden wahrscheinlich über 100 Menschen getötet, es gab sexualisierte Gewalt, Misshandlungen, schwere Körperverletzung und Folter», sagt der Politikwissenschaftler Jan Stehle vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL). «Angesichts dieser Verbrechen ist es skandalös, dass bislang nicht engagierter ermittelt wurde.»

Deutsche Behörden wussten bereits seit den 1960er Jahren von den in der Colonia Dignidad verübten Verbrechen. Weil die rechte Militärdiktatur von General Pinochet während des Kalten Krieges eher zu den Verbündeten der Bonner Regierung gehörte und es auch persönliche Kontakte zwischen deutschen Diplomaten und der Führungsriege der Colonia Dignidad gab, wurde den Hinweisen allerdings nicht nachgegangen.

«Der Umgang mit der Colonia Dignidad ist kein Ruhmesblatt, auch nicht in der Geschichte des Auswärtigen Amtes», räumte der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier 2016 erstmals ein. «Über viele Jahre hinweg haben deutsche Diplomaten bestenfalls weggeschaut, jedenfalls zu wenig für den Schutz ihrer Landsleute in dieser Kolonie getan.»

Kaum Ermittlungen gegen Täter

Mittlerweile leben zahlreiche mutmaßliche Täter aus der Colonia Dignidad in Deutschland. «Die strafrechtliche Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad ist höchst ernüchternd. Es gab in Deutschland eine Reihe von Ermittlungsverfahren gegen die Führungsriege, aber alle wurden eingestellt, weil es vermeintlich keinen hinreichenden Tatverdacht gab», sagt Stehle. Da alle Verbrechen außer Mord mittlerweile verjährt sind, haben die Verdächtigen dort keine strafrechtliche Verfolgung mehr zu befürchten.

«Es gibt heute mehr Täterwissen in Deutschland als in Chile», sagt Stehle. «Das ist ein Problem, weil in Deutschland nicht ermittelt wird und die chilenischen Strafverfolgungsbehörden keinen Zugang zu den Verdächtigen haben. Es droht eine biologische Straflosigkeit, da Täter und Opfer sterben, ohne dass die Verbrechen aufgeklärt wurden.»

Horror-Geschichte bleibt erhalten

Künftig soll eine Gedenkstätte in der Villa Baviera an die dort verübten Verbrechen erinnern. Die Idee «hat die Unterstützung unserer Regierung, und wir werden uns entsprechend beteiligen», sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Ende Januar bei einem Besuch in Chile.

Chiles Präsident Gabriel Boric bedankte sich für die «Bereitschaft der deutschen Regierung, zur Suche nach der Wahrheit» beizutragen. «Wir unterstützen das komplett. Der chilenische Staat kämpft unermüdlich für die ganze Wahrheit und Gerechtigkeit».

Die Umsetzung zieht sich allerdings in die Länge. Das Konzept für die Gedenkstätte liegt bereits seit zwei Jahren vor, die verschiedenen Opfergruppen sind sich weitgehend einig, aber noch immer gibt es keine Rechtsform, keine Geschäftsstelle. «Den Moment muss man nutzen. Chile und Deutschland müssen hier engagierter zusammenarbeiten und konkret werden anstatt weiter zu verzögern», sagt Politikwissenschaftler Stehle.

Am 11. September jährt sich der Militärputsch in Chile zum 50. Mal. Opfergruppen und Menschrechtsaktivisten hoffen, dass bis dahin zumindest der Grundstein für das Dokumentationszentrum in der Colonia Dignidad gelegt wird. «Die Gedenkstätte würde diese Siedlung endlich verändern und den Opfern einen Ort der Trauer geben», sagt Stehle.

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