E-Laden: Warum undifferenzierte Einheitspreise schlecht für Verbraucher und Anbieter sind

Ladesäulenbetreiber Ionity hebt die Preise verbrauchsabhängig an und erntet reichlich Kritik. Warum der höhere Preis gerechtfertigt ist — aber Anbieter trotzdem Preise und Angebote künftig differenzieren sollten, erklären die Pricing-Experten Dr. Thomas Haller, Global Head der Energy-Practice, und Christian Zapletal, E-Mobility-Experte, von der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners.

“Immens teuer”, “drastische Preiserhöhung”, “günstig […] ist vorbei”: Die Schlagzeilen, unter denen die Medien über die Umstellung des Ladesäulenbetreibers Ionity von einer Flatrate zu einem verbrauchsbasierten Preismodell berichten, sind durchgängig negativ. Wie das Unternehmen verkündete, fallen nun statt eines Pauschalpreises von acht Euro pro Ladevorgang für E-Auto-Fahrer 79 Cent pro Kilowattstunde (kWh) an. Damit liegt das Joint Venture von BMW, Mercedes-Benz, Ford und Volkswagen über den Preisen von Wettbewerbern wie Tesla (33 Cent/kWh) und Fastned (59 Cent/kWh). Völlig überzogen? Nein, denn der Unterschied im Preisniveau ist nur auf den ersten Blick erheblich.

Transparente Leistung sorgt für höheren Preis

Einerseits bietet Ionity seinen Kunden eine auf dem Markt ansonsten nicht verfügbare Ladeleistung von bis zu 350 Kilowatt pro Ladepunkt. Vor allem aber finanziert das Unternehmen die hohen Investitionen in die dafür notwendige Schnellladeinfrastruktur sowie die Netzanschlüsse an meist weit entlegenen Ladepunkten an Autobahnen und Landstraßen über den neuen Preis. Im Unterschied dazu subventioniert etwa Tesla diese Kosten mit einem entsprechend hohem Aufschlag auf den Fahrzeugpreis. Der tatsächliche, erhebliche Preis der Ladeinfrastruktur und des Stroms werden dem Kunden so nicht transparent; er bekommt den falschen Eindruck, 33 Cent/kWh seien der volle Marktpreis des Ladens. Kommunikativ schafft diese Strategie zwar Vertrauen, berücksichtigen wir allerdings Teslas Aufschlag auf die Fahrzeugpreise, dürfte der tatsächlich gezahlte kWh-Preis um ein Vielfaches höher als 33 Cent liegen.

Mit dem neuen Preismodell hat Ionity hingegen einen anderen, transparenteren Ansatz gewählt. Hinzu kommt: In einer Mischkalkulation für E-Auto-Nutzer nehmen Langstreckenfahrten, bei denen unterwegs geladen werden muss, nur einen kleinen Teil ein. Da das Laden daheim und an den meisten AC-Ladestationen wesentlich günstiger ist, liegt auch in Zukunft der durchschnittliche Preis kaum über 30 Cent/kWh. Zusätzlich erhalten Autos der mit Ionity verbundenen Hersteller laut Medienberichten erhebliche Rabatte.

Preis- und Angebotsdifferenzierung werden immer wichtiger

Das neue Preisniveau ist also gerechtfertigter, als es zuerst scheint. Trotzdem empfehlen wir allen Betreibern, die Preis- und Angebotsstrukturen zu überdenken. Ein einheitlicher Preis (wie im Fall Ionity 79 Cent/kWh) ist nämlich sowohl für Verbraucher als auch Anbieter suboptimal: Er befriedigt weder unterschiedliche Kundenbedürfnisse, noch schöpft er die Zahlungsbereitschaften unterschiedlicher Nutzergruppen aus.

Denn bei der wertbasierten Preisgestaltung (sog. Value-based Pricing) wird die Preishöhe immer anhand des erhaltenen Mehrwerts für den Anwender festgelegt. Da der Nutzen beim Laden unterwegs in der Zeitersparnis liegt, definiert sich der tatsächliche Mehrwert für den Konsumenten auch daraus, wie eilig er es hat. Das kann ein Einheitspreis nie abbilden: Manche Kunden sind bereit, für besonders schnelles Laden noch erheblich mehr zu bezahlen, andere wünschen sich einen niedrigeren Preis, verlangen aber auch nur eine geringere Ladeleistung, z. B. wenn sie den Ladevorgang mit einer Pause verbinden wollen. Eine effektive Trennung der Kunden nach Preisbereitschaften für die Zeitersparnis beim Ladevorgang wäre nach unserer Ansicht ein guter Weg, um sowohl Kundenbedürfnisse als auch das vorhandene Gewinnpotenzial besser zu adressieren.

Abgesehen vom Preis sollten Anbieter auch ihr Angebot differenzieren: Neben Ladezeit haben verschiedene Kundensegmente auch unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse hinsichtlich Kanal (Angebote diverser Mobility Service Provider), Bezahlmodell (Reservierung, Rechnung) oder ergänzender Angebote (z. B. attraktive Bündel aus Laden inklusive Kaffee, Kuchen und Toilettenbesuch). Auf diese Weise können Anbieter nicht nur Kundenbedürfnisse optimal befriedigen und verschiedene Zahlungsbereitschaften ausschöpfen. Sie nehmen dank differenzierter Angebots- und Preispolitik auch den zahlreichen Kritikern des vermeintlich zu teuren Einheitspreiskonzeptes den Wind aus den Segeln. (ots)

 

 

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