Interview mit Alexander Graf Lambsdorff

Wozu braucht es überhaupt noch die FDP?

Graf Lambsdorff: Die Bürgerinnen und Bürger haben bei dieser Europawahl eine echte Wahl. Auf der einen Seite stehen Christ- und Sozialdemokraten, die für Eurobonds eintreten, also für die Vergemeinschaftung von Schulden. Auf der anderen Seite steht die AfD, die die Eurozone auflösen will. Die FDP sagt klar: Europa ist noch nicht heraus aus der Schuldenkrise. Die Reformanstrengungen in den Krisenländern müssen weitergehen. Wir brauchen weiter Auflagen, Reformen und eine Politik für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Sagt das nicht auch die Große Koalition?

Graf Lambsdorff: Was die Große Koalition beispielsweise in der Rentenpolitik macht, ist unverantwortlich – und europapolitisch extrem schädlich. Die Einführung der Rente mit 63 macht Deutschlands Glaubwürdigkeit kaputt. Nach dem Ausbruch der Eurokrise haben wir von anderen Ländern schmerzhafte Reformen verlangt. Wir konnten das tun, weil wir mit der Agenda 2010 ja ähnliches durchgemacht haben – das verleiht Glaubwürdigkeit. Aber das erste, was die Große Koalition macht, ist diese Reformen zurückzudrehen. Ist doch klar, dass das der Reformbereitschaft in den Krisenländern schadet. Dort ist jetzt die Wahrnehmung, dass die Deutschen Wasser predigen, aber Wein saufen. Für die Stabilität des Euro ist das ein echtes Problem.

Mit welchen Botschaften gehen Sie sonst noch in die Wahl?

Graf Lambsdorff: Wir wollen ein Europa, in dem groß groß und klein klein ist.

Was soll das bedeuten?

Graf Lambsdorff: Wir wollen, dass die EU sich um die wichtigen Themen kümmert, beispielsweise eine echte europäische Außenpolitik, aber nicht über kleinteilige Verbote von Staubsauger-Motoren, Glühbirnen und Duschköpfen in das Leben der Menschen hineinregiert. Wir fordern als einzige Partei die Abschaffung der Ökodesign-Richtlinie. Das ist die Richtlinie, die uns das alles beschert hat. Die SPD redet zwar von Bürokratieabbau, im Europaparlament hat Sie aber für das Glühbirnenverbot gestimmt. Das ist wenig glaubwürdig. Der zweite wichtige Punkt ist mehr Wettbewerb. Wir wollen einen gemeinsamen Energiemarkt. Davon würden alle profitieren.

Was verstehen Sie unter einem gemeinsamen Energiemarkt?

Graf Lambsdorff: Heutzutage können wir ohne Probleme übers Internet ein Buch in Luxemburg bestellen. Aber wir können nicht ohne Probleme in Belgien oder Holland unseren Strom einkaufen, oder in Finnland, wo er halb so teuer ist wie in Deutschland. Und wir müssen das EEG endlich mit einem marktwirtschaftlichen Instrument auf europäischer Ebene ersetzen – denn es schadet den Verbrauchern ebenso wie der weit überwiegenden Zahl der Unternehmen. Wir zahlen jährlich Subventionen an die Investoren in Höhe von 20 Milliarden Euro für Strom, der nur zwei Milliarden Euro wert ist. Bezahlen müssen diese Umverteilung von unten nach oben unsere Betriebe, die dann nicht mehr wettbewerbsfähig sind und unsere Familien, die deswegen weniger Geld zu Verfügung haben, um ihre Wünsche zu realisieren. Das EEG muss weg, wir brauchen einen Einstieg in einen echten europäischen Strommarkt.

Ein anderes Thema: Welchen Einfluss hat das Geschehen in der Ukraine auf die Europawahl?

Graf Lambsdorff: Vielen Menschen wird in diesen Zeiten deutlich, wie gut es ist, in einem Land zu leben, das nur von Freunden und Partnern umgeben ist. Es galt immer als ein verstaubtes Argument zu sagen, dass die EU den Frieden sichert. Doch an der Ukraine merkt man sehr deutlich, dass da was dran ist.

Hat sich die  EU im Konflikt um die Ukraine  Fehler gemacht?

Graf Lambsdorff: Jedes Land hat die freie Entscheidung und kann sich aussuchen, wohin es geht – das gilt auch für die Ukraine. Und die EU ist eben attraktiv, wir sind der größte Markt der Welt. Die Russen wussten seit Jahren, dass wir mit der Ukraine verhandeln, sie kannten auch den Inhalt. Und was keiner sagt, was aber stimmt: Wir haben Russland genau dasselbe Angebot gemacht. Wir wollen ja gute Beziehungen.

Zum Abschluss: Was ist Ihr Ziel für die Europawahl?

Graf Lambsdorff: Ich will keine Prognose abgeben. Wir arbeiten für ein gutes Ergebnis. Am 25. Mai sehen wir, ob es uns gelungen ist, die Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen, dass wir Liberalen es ernst meinen mit unserem Neustart Richtung Kompetenz und Glaubwürdigkeit.

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