Älter werden wollen wir alle – aber – alt werden will niemand

„Hurra! – Wir sind entdeckt“ sollen „die Wilden“ gerufen haben, als Kolumbus in Amerika landete und sie irrtümlich Indianer nannte. Das könnten wir über 65 Jahre Alten auch rufen, denn seit kurzer Zeit wurden auch wir entdeckt. Viele Politiker haben es lange verdrängt, aber jetzt reden alle davon: Dank medizinischer Fortschritte und besserer Ernährung werden die Menschen heute immer älter. Erfreulich, denn die Menschheit wünscht sich das seit Adam und Eva. Die Gesellschaft wird insgesamt immer älter, sie weiß nur mit dem Glück höheren Lebensalters wenig anzufangen. Die Vorteile des Alters – bei geistiger Frische, Mobilität und körperlicher Gesundheit – werden dagegen kaum gesehen. Zuerst fallen halt die Nachteile ins Auge und die sozialen Probleme sind nur schwer zu lösen.

Uns vielen älter gewordenen Leuten stehen zu wenige Enkel und Urenkel gegenüber. Von uns Omas und Opas haben die meisten viel geleistet. Nur Enkel können wir selber weder zeugen noch gebären. Etwa zwei Generationen dazwischen haben nicht genügend Kinder hervorgebracht. Somit fehlen die Beitragszahler für Kranken-, Renten-, und Pflegeversicherung. Sozialpolitiker nennen das schamhaft „demographischen Faktor“. Aber daran bohren, drehen und feilen derzeit viele Experten der Familien- und Sozialpolitik im Bundestag.

Wir möchte lieber einmal die positiven Seiten des längeren Lebensalters aufzeigen, die man oft übersieht. „Die Alten“ werden nämlich heute immer jünger – egal ob Rentner oder Pensionist. Immer mehr bleiben trotz mancher Zipperleins heute länger vital und dynamisch. Wer mit 65 Jahren in Pension oder Rente gehen muss und leidlich gesund ist, zählt sich nicht zu den Alten. Wer bis zum 65. Geburtstag eine Firma, Abteilung oder Schule erfolgreich geleitet, teuere Maschinen bedient, Menschen betreut oder geführt hat, ist nicht am Tag danach plötzlich ein Greis. Doch daraus zieht die Gesellschaft kaum Konsequenzen.

Während man bei uns das „Methusalem-Syndrom“ und die aussterbende Gesellschaft beklagt, den Rentnerstress bespöttelt und den „Krieg der Generationen“ anheizt, freuen sich etwa die Japaner einfach, dass sie nicht mehr so jung sterben.
Im „Land des langen Lebens“ gelten die Erfahrungen der Alten als „Schatz einer ganzen Bibliothek“. In früheren Zeiten hat auch bei uns „Rat der Alten“ bedeutet: Erfahrungen aus Lebensleistung, Weisheit, Besonnenheit, Verzicht auf Eigeninteressen, Karrieren oder Ämter und Mitsorge für die nachkommenden Generationen. Die Anerkennung solcher Werte vermissen heute viele Rentner, pensionierte Beamte, Lehrer, Professoren, Ingenieure, Geschäftsleute und Handwerksmeister. Sie wären bereit und fit um Aufgaben für die Gesellschaft zu übernehmen: In Gemeinden, Kirchen oder Schulen – ehrenamtlich oder für geringes Honorar. Aber sie werden nicht gefragt und fühlen sich nicht gebraucht. Auch viele Kommunen nutzen die Ressourcen noch zu wenig.

Auch Politiker in allen Parteien werden nicht nur älter, sondern mit ihnen auch ihre Wähler. Wenn sie nach verlorenen Wahlen ausscheiden oder weil das Kabinett nicht verbessert, sondern nur „verjüngt“ werden muss, geraten sie schnell in Vergessenheit. Ihr guter Rat ist da nicht teuer, nur lästig.
 

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