Kommt in Südafrika die «Vielmännerei»?

Von Ralf E. Krüger, dpa

Ein Partner oder mehrere – in manchen Ländern ist das kein Problem. Zumindest nicht für Männer, die der Vielehe etwas abgewinnen können. Nun wird in Südafrika gleiches Recht für alle gefordert.

Johannesburg (dpa) – Jacob Zuma ist ein bekennender polygamer Ehemann mit drei Ehefrauen. Südafrikas Ex-Präsident brachte mehr als einmal das Protokoll bei Staatsbesuchen ins Grübeln, wenn es um die Frage ging, welche First Lady ihn bei Auslandsreisen begleiten darf. Die Behörden am Kap haben mit Hinweis auf jahrhundertealte Traditionen keine Bedenken gegen Mehrehen oder Polygamie.

Mehrfachehen gelten in patriarchalischen Gesellschaften zudem oft als Zeichen männlichen Wohlstands – auch wenn in Südafrika nur ein Bruchteil des männlichen Teils der Gesellschaft Zweit-, Dritt- oder sogar Viertfrauen hat. Tatsache war bisher aber: Mehrfachehen sind ausschließlich Männern vorbehalten. Das könnte der Gesetzgeber am Kap nun bald ändern.

Er will nicht nur allgemein die Anliegen der Frauen stärken, sondern denkt gerade darüber nach, ihnen auch bei diesem Thema volle Gleichberechtigung gewähren. Polyandrie heißt der Fachausdruck, wenn Frauen mehrere Männer heiraten. Die Regierung hat Anfang Mai einen entsprechendes Diskussionspapier für eine Änderung des Familienrechts veröffentlicht – seitdem ist die Debatte darüber in vollem Gange. Bis Ende des Monats hat die Öffentlichkeit Zeit, sich dazu zu äußern.

«Der Entwurf zielt zunächst darauf ab, im Familienrecht auch einige religiöse Eheschließungen anzuerkennen», erklärt die Rechtsdozentin Amelia Rawhani-Mosalakae. Sie befürwortet die gesellschaftliche Debatte – auch wenn sie selbst nicht unbedingt eine Notwendigkeit für eine gesetzliche Verankerung der Polyandrie sieht.

Besonders in konservativen Gesellschaftskreisen ist die Empörung jedoch groß. Keine afrikanische Gesellschaft erlaube sowas, schnaubte der Vorsitzende der African Christian Democratic Party, Kenneth Meshoe, in einem Interview. Öffentlich warf er die Frage auf, ob Polyandrie nicht Konflikte in die Vielehe trage. Andere Gegner des Vorstoßes – darunter auch christliche Würdenträger – verwiesen auf potenzielle Verwirrung bei den Kindern des Familienverbunds durch mehrere Väter gleichzeitig.

Innenminister Aaron Motsoaledi zeigte sich frustriert über die Qualität der Debatten. «Ich bin zutiefst enttäuscht darüber, dass der nationale Dialog in Zynismus und Wortgefechte abglitt», sagte er Mitte Mai im Parlament. Er sei irreführend und wirke zerstörerisch. Der Entwurf sei eine Art Diskussionspapier, das die Ehepolitik des Landes auf den drei Stützen der Verfassung zu verankern suche: Gleichheit, Würde und Nicht-Diskriminierung. Es sei keine erklärte Regierungspolitik, sondern solle gesellschaftliche Debatten fördern.

Matriarchalische Gesellschaften existieren zwar in Afrika, sind aber selten. In Südafrika etwa geht die Herrschaft der Rain Queen auf eine lange Tradition zurück, die gerade aber unterbrochen wird durch die bevorstehende Interims-Einsetzung eines männlichen Thronfolgers. Die Rain Queen steht der Balobedu Volksgruppe in Südafrikas Limpopo-Provinz vor.

«Ich fände es eine gute Sache, das Ganze rechtlich in verbrieften, einklagbaren Strukturen festzuhalten, denn das Gewohnheitsrecht wandelt sich ja auch mit den Jahren», sagt die deutsche Juristin Karin Pluberg, die als Beraterin am Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte im tansanischen Arusha tätig war. Sie verweist auf den Fall einer Kenianerin, die vor einigen Jahren zwei Männer geheiratet hat. Sie wurden nach dortigem offiziellen Recht als Ehepartner anerkannt.

Musa Mseleku – ein bekennender Polygamist – meinte jedoch in einer TV-Debatte: «Das ist doch verrückt; ich kenne keinen Mann, der bei Verstand ist und eine Situation zulassen würde, in der er sich mit den anderen Männern um ein Kind streitet». Auch der südafrikanische Familienrechtsexperte Muhammad Abduroaf verwies in der Debatte auf viele offene legale Fragen. «Aus meiner beruflichen Sicht kann und wird es nicht funktionieren: Wir zwingen bestimmten Kulturen und Religionen westliche Prinzipien auf.»

Sibongile Ndashe dagegen ist anderer Ansicht. Die südafrikanische Frauenrechtlerin ist eine der Befürworterinnen des Vorschlags und meint: «In einer Gesellschaft wie der unsrigen ist es lohnenswert, dafür zu kämpfen, dass Frauen mit mehreren Partnern genauso behandelt werden wie Männer mit mehreren Frauen.» Obwohl die Feministinnen für das Recht auf Selbstbestimmung mit möglichst weniger staatlicher Intervention kämpften, sehe es im Alltag vieler Frauen bei der Frage der Gleichheit weiterhin düster aus. «Wir wollen, dass das Gesetz Männer und Frauen gleich behandelt», betont Ndashe.

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