Obstallergie

Also es gibt Leute, die knuspern sie bis auf den Stiel weg. Oma schnippelte sich Schiffchen aus ihnen, die sie dann mittels ihres Sozialversicherungsgebisses im Dutzend verputzte. Äpfel. Als meine Altersangabe noch im einstelligen Bereich lag, gab es sie im Spätwinter nicht mehr beim Kaufmann, im halbdunklen Keller jedoch, auf Obsthorden gereiht, wurden sie von Oma wöchentlich begutachtet, gehegt und gepflegt. Schrumplig waren sie im Februar und warzig, kleiner geworden und sehr mürbe. Also, das mit dem herzhaft zubeißen wäre werbemäßig gewaltig in die Hose gegangen, denn diese Äpfel setzten selbst den wackeligsten Dritten keinen Widerstand mehr entgegen.

Heute haben Handel und Zahnärzte ein Geheimabkommen: Die einen haben selbst im tiefsten Winter Äpfel im Angebot und die anderen rüsten vitaminwillige Mitbürger zu Mondpreisen mit Hightech-Kauwerkzeugen aus, welche in der Lage sind die handels- und lagerfreundlichen Panzerschalen dieses Obstes zu zermalmen. Denn da muss man hindurch, um an das meist geschmacklose Innere zu gelangen. Auf einigen Äpfeln kleben dann auch so kleine Etiketten, damit man weiß welch edler Herkunft selbiges Obst ist. Soll heißen: Schau, ich komme aus Südafrika! Wenn ich auch keine Vitamine habe, bin ich darum doch etwas Besonderes!

Einzeln im Papierbett, im Sechserpack der Plastikschale oder im Pseudoobstkorb lauern sie hübsch aussehend auf potentielle Vitaminnarren, bei denen Apfelmus partout aus Äpfeln und nicht aus Stabilisatoren, Geschmacksverstärkern und Farbstoffen sein muss.

Besonders hübsch sind die Äpfel, die für den Weihnachtsteller vorgesehen sind. Von der Größe eines kleinen Kürbisses, roten Backen auf sonniggelben Untergrund, warzenfrei und popoglatt signalisieren sie: Iss mich nicht, schau mich nur an! Und was soll ich sagen? Sie haben recht, diese Weihnachtsäpfel! Kaiser Wilhelm, Gravensteiner, Goldparmäne, Boskoop, die Renetten würden sich auf Ommas Obsthorden herumdrehen, würden sie in eine Reihe mit diesem Prachtobst gestellt werden. Bei diesen alten Apfelsorten stellte sich nicht die Frage: Schmeckt der gut oder gar nicht? Sondern: Wie ist sein Aroma?

Nein, nein, früher war nicht alles besser. Mit Ausnahme der Äpfel.
 

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