Pferdetourismus in Deutschland in akuter Existenznot

75% aller Reiterhöfe mit Feriengästen würden längere Schließzeiten deutlich über den April hinaus nicht überstehen

Die Coronakrise trifft die pferdetouristischen Betriebe und alle diejenigen, die Kinderreitferien oder Klassenreisen, Familienurlaub auf dem Reiterhof, Wanderritte, Ferienkurse rund ums Pferd oder Reitaufenthalte für Menschen mit Handicap anbieten, extrem hart.

Eine aktuelle, deutschlandweite Befragung der Bundesarbeitsgemeinschaft Deutschland zu Pferd e.V. (DzP) in Kooperation mit der dwif-Consulting GmbH aus dem Zeitraum 1.-13. April ergibt:

Der durchschnittliche Umsatzverlust pro Monat in diesen Betrieben mit jeweils knapp acht Vollbeschäftigen inkl. Unternehmerfamilie, Angestellten und Aushilfen beträgt mehr als 10.000 €. Schon bei den 287 Teilnehmer-betrieben an der Befragung summiert sich dies allein im Osterferien-zeitraum März und April bereits auf Einbußen in Höhe von 5,9 Mio. €, bis Oktober auf über 23,2 Mio. €. Ein Verlust mit fatalen Folgen, wie z.B. Entlassung von Mitarbeitern, Verkauf von Pferden bis hin zu Insolvenzen.

Hinzu kommen hohe Stornoquoten für die Monate Mai und Juni (61 %) sowie Juli / August (29 %), Tendenz wöchentlich steigend. Insbesondere die sozial- und familienpolitisch, aber auch wirtschaftlich für die Betriebe so wichtigen Kinderreiterferien, Klassenreisen, Familien und anderen Gruppen, wurden vielfach schon weit längerfristiger bis ins Jahr 2021 hinein storniert und drohen auf unabsehbare Zeit vollkommen wegzubrechen. Das verursacht neben den akuten Problemen massive Langfristschäden, die eine Breitenwirkung in den ländlichen Räumen Deutschlands nach sich ziehen.

„Sorge bereitet uns dabei vor allem, dass unsere Betriebe nicht einfach Maschinen abstellen können wie die Industrie“, so die Vorsitzende der DzP, Gerlinde Hoffmann. Die Kosten z.B. für Futter, Hufschmied und Tierarzt für die Pferde laufen unvermindert weiter – viele Betriebe haben 20 oder mehr eigene Pferde, nicht wenige sogar weit über 50. „Die staatlichen Sofort-hilfen sind daher umso wichtiger, sie können jedoch die hohen laufenden Kosten nicht annähernd kompensieren“, so Hoffmann.

Zudem ist der Pferdetourismus ein Saisongeschäft: „Von Ostern bis zu den Herbstferien muss das Geld für den Winter verdient werden. Bricht das weg, sind viele Betriebe spätestens Ende des Jahres akut insolvenz-gefährdet“, so Dr. Mathias Feige, Vorstandsmitglied von DzP und Geschäftsführer des dwif. Er berichtet, dass Betriebsinhaber daher schon jetzt an die eigene Altersversorgung gehen müssen. Nur 7 % der Befragten sind sich sicher, dass sie die Krise gut überstehen, weitere 19 % hoffen dies – in der Regel, weil Umsätze aus anderen Geschäftsbereichen, wie der Landwirtschaft, Verluste zumindest teilweise kompensieren können.

„Wir brauchen die Mitarbeitenden, um unsere 80 Pferde zu versorgen und Stall, Wiesen und Weiden in Ordnung zu halten“, so Rolf Roßbach, ebenfalls im Vorstand von DzP und selbst Betreiber eines Reiterhofes mit Schwerpunkt Kinder, Schulklassen und Familien in der Eifel. „Pfer-deverkauf ist für uns keine Option“, so Roßbach, „denn sie sind für uns Familienmitglieder! Außerdem pflegen und erhalten sie unsere gewachsene Kulturlandschaft!“

Natürlich reagieren die Unternehmer: 45 % der Befragten haben, neben vielen Maßnahmen zur generellen Kostenreduktion, bereits Kurzarbeit eingeführt, 8 % planen dies; 14 % mussten sogar schon Personal entlassen oder stellen nicht, wie sonst üblich, für die Saison weitere Mitarbeitende ein. So gehen Beschäftigungsverhältnisse im ländlichen Raum verloren!

Viele haben bereits Anträge auf Soforthilfen gestellt. „Aber: unsere pferdetouristischen Unternehmen benötigen jetzt mehr als Soforthilfen“, fassen Hoffmann und Feige die Situation zusammen, „denn die Kosten summieren sich täglich, ohne dass dem Einnahmen entgegenstehen“. Sie appellieren an die Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerien von Bund und Ländern: „Denken Sie an diese Betriebe, die wertvolle Beiträge zur Landschaftspflege, der Wirtschaft und der sozialen Gemeinschaft im ländlichen Raum leisten!“

V.i.S.d.P.: Gerlinde Hoffmann (BAG DzP) und Dr. Mathias Feige (dwif)

 

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